VwGH 2011/03/0167

VwGH2011/03/016724.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des G L in K, vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Juni 2011, Zlen uvs- 2011/K1/0216-4 und 2011/14/0217-4, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z2;
GütbefG 1995 §7 Abs1 Z1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VStG §51i;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z2;
GütbefG 1995 §7 Abs1 Z1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VStG §51i;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit damit über Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 3. Dezember 2010 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Zum angefochtenen Bescheid

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein wurde dem Beschwerdeführer Nachstehendes angelastet:

"Tatzeit: 03.07.2010 00.43 Uhr

Tatort: A 12 Inntalautobahn km 0028.310 FR Osten, Kontrollstelle Radfeld

Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug RD, Sattelanhänger, NX

1. Sie haben als Geschäftsführer des Beförderungsunternehmens

H GmbH in D-O, nicht dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes eingehalten wurden. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von W I gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass das gegenständliche KFZ zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern verwendet wurde, obwohl außer österreichischen Güterbeförderungsunternehmern die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland nur Unternehmern gestattet ist, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind: Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 , oder einer Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973, oder einer Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich, oder auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie. Das KFZ war auf der Fahrt von Italien nach Dänemark und hatte Folgendes geladen: Sammelgut. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen mitgeführt wurde, da der Lenker keine Gemeinschaftslizenz mitgeführt hat.

2. Sie haben als Geschäftsführer der Firma H GmbH in D-O, diese ist Zulassungsbesitzerin des Sattelkraftfahrzeuges nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des Fahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von W I verwendet, wobei festgestellt wurde, dass die höchste zulässige Achslast des Fahrzeuges der zweiten Achse von 11.500 kg durch die Beladung um 2.036 kg überschritten wurde.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 7 Abs. 1 Z 1 (Güterbeförderungsgesetz 1995) GütbefG i. V.m. § 9 Abs. 1 leg cit …

2. § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG i.V.m. § 101 Abs. 1 lit. a KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe

von Euro

falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1.

3.633,50

7 Tage

 

§ 23 Abs. 1 Z 8, Abs. 3 und 4 GütbefG

2.

885,00

7 Tage

 

§ 134 Abs. 1 KFG".

2. Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 2011 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 u 51e VStG zu Spruchpunkt 1. insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 3.633,50 (Ersatzarrest 7 Tage) auf EUR 1.500,-- (Ersatzarrest 3 Tage) herabgesetzt wurde, sowie der Berufung zu Spruchpunkt 2. insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 885,00 (Ersatzarrest 7 Tage) auf EUR 400,00 (Ersatzarrest 2 Tage) herabgesetzt wurde.

Im Übrigen wurde den Eventualanträgen des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Straferkenntnisses und ersatzlose Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens sowie auf ein Absehen von einer Bestrafung nach § 21 VStG nicht entsprochen.

Begründend wurde nach der Wiederholung des Tatvorwurfes insbesondere ausgeführt, dass vom Lenker bei der besagten Kontrolle lediglich eine (näher bestimmte) Kopie einer beglaubigten Abschrift der

"Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Lizenz" vorgelegt worden sei. Der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer des genannten in Deutschland situierten Unternehmens. Der Lenker sei von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein mittels Strafverfügung rechtskräftig ua wegen einer Übertretung nach § 23 Abs 2 Z 4 iVm § 9 Abs 2 und § 7 Abs 1 Z 1 GütBefG bestraft worden. Aus dem Strafvormerk lasse sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer schon einmal von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein "wegen einer Übertretung nach § 23 Abs.1 GütbefG i.V.m. Art 6" zu einer Geldstrafe rechtskräftig bestraft worden sei. Das durchgeführte Beweisverfahren habe ergeben, dass der Schuldvorwurf dem Grunde nach berechtigt sei. Der anlässlich der durchgeführten Verhandlung gestellte Beweisantrag auf Einvernahme des Lenkers (offenbar eines rumänischen Staatsangehörigen) sei auf Grund geklärter Sachlage abzuweisen gewesen. Das Kontrollorgan habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die LKW-Fahrer (gemeint offenbar: in der Regel) verstehen würden, wenn von Kontrollorganen die EU-Lizenzen und die Fahrzeugpapiere verlangt würden. Vorliegend sei ein Verständnisproblem auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Lenker selbst wegen der Nichtvorlage der EU-Lizenz bei der gegenständlichen Kontrolle rechtskräftig bestraft worden sei. Es entspreche ferner der Lebenserfahrung, dass der Lenker die beglaubigte Abschrift der EU-Lizenz im Original vorgelegt hätte, wenn er im Besitz dieser Urkunde gewesen wäre. Dass die entsprechende Urkunde nicht immer mitgeführt werde, ergebe sich auch aus dem Strafvormerk bei der Erstbehörde.

Was die Höhe der verhängten Strafe anbelange, so sei die belangte Behörde der Auffassung, dass die zu Punkt 1. verhängte Geldstrafe von EUR 3.633,50 zu hoch ausgefallen und als Geldstrafe EUR 1.500,00 (Ersatzarrest 3 Tage) als angemessen zu betrachten sei (der Gesetzgeber habe eine Mindeststrafe von EUR 1.453,00 vorgesehen). Als Schuldform sei von Fahrlässigkeit auszugehen. Der Berufung zu Punkt 2. sei ebenfalls Folge zu geben gewesen und eine Geldstrafe von EUR 885,00 als zu hoch zu betrachten. Es sei eine Geldstrafe von EUR 400,00 (Ersatzarrest 2 Tage) schuld- und tatangemessen. Als Schuldform sei ebenfalls Fahrlässigkeit anzunehmen. Die verhängten Geldstrafen würden im unteren Bereich des Strafrahmens liegen. Zu Punkt 2. wäre noch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer einschlägig strafvorgemerkt aufscheinen würde. B. Zum Beschwerdeverfahren

Lediglich gegen Spruchpunkt 1. dieses Berufungsbescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und erstattet eine Gegenschrift.

C. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Im Beschwerdefall ist die Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs noch nicht anzuwenden (vgl Art 19 dieser Verordnung, wonach diese "ab dem 4. Dezember 2011" - "mit Ausnahme der Art 8 und 9, die am 14. Mai 2010 in Kraft treten" - "gilt"; vgl das hg Erkenntnis vom 30. Juni 2011, Zl 2011/03/0078).

Die hier maßgebliche Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr L 095 vom 9. April 1992, idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 881/92 und (EG) Nr 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung, ABl L Nr 076 vom 19. März 2002, (im Folgenden: VO) enthält folgende - für den vorliegenden Fall relevante - Bestimmungen:

"Artikel 1

(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.

(2) Bei Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt gilt diese Verordnung für die in dem Mitgliedstaat, in dem die Be- oder Entladung stattfindet, zurückgelegte Wegstrecke, sobald das hierfür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland geschlossen ist."

"Artikel 2

Im Sinne dieser Verordnung gelten als

(1) Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung. …"

"Artikel 4

(1) Die Gemeinschaftslizenz gemäß Artikel 3 ersetzt - soweit es vorhanden ist - das von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats ausgestellte Dokument, in dem bescheinigt wird, dass der Transportunternehmer zum grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrsmarkt zugelassen ist.

Sie ersetzt für die unter diese Verordnung fallenden Beförderungen auch die gemeinschaftlichen bzw. die unter Mitgliedstaaten ausgetauschten bilateralen Genehmigungen, die bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung erforderlich sind."

"Artikel 5

(1) Die Gemeinschaftslizenz gemäß Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats ausgestellt.

(2) Die Mitgliedstaaten händigen dem Inhaber das Original der Gemeinschaftslizenz, das von dem Transportunternehmen aufbewahrt wird, sowie so viele beglaubigte Abschriften aus, wie dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz Fahrzeuge als volles Eigentum oder aufgrund eines anderen Rechts, insbesondere auf Ratenkauf-, Miet- oder Leasingvertrag, zur Verfügung stehen.

(3) Die Gemeinschaftslizenz muss dem Muster in Anhang I entsprechen. In diesem Anhang ist auch die Verwendung der Gemeinschaftslizenz geregelt.

(4) Die Gemeinschaftslizenz wird auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt. Sie darf von diesem nicht an Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz muss im Fahrzeug mitgeführt werden und ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

(5) Die Gemeinschaftslizenz wird für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt; sie kann jeweils für denselben Zeitraum erneuert werden."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl Nr 593/1995 idF BGBl I Nr 153/2006 (GütbefG), lauten:

"Verkehr über die Grenze

§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

  1. 1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 ,
  2. 2. Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973,

    3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

    4. auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

    Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist."

"§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

(2) Der Lenker hat die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitzuführen und den Aufsichtsorganen (§ 21) auf Verlangen auszuhändigen."

"§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

...

8. nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

(3) Strafbar nach Abs. 1 Z 3, Z 6, Z 8 oder Z 11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.

(4) ... Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 ... Z 8 ... hat die Geldstrafe mindestens 1 453 Euro zu betragen. ..."

2. Der Beschwerdeführer bringt insbesondere vor, es sei nicht ordnungsgemäß festgestellt worden, dass bei der in Rede stehenden Kontrolle keine beglaubigte Abschrift der erforderlichen Gemeinschaftslizenz mitgeführt worden sei. Er habe in seiner Berufung den Lenker als Zeugen (nach Ausweis der vorgelegten Akten: per Adresse des Beschwerdeführers) zum Beweis dafür angeboten, dass dieser während der gegenständlichen Kontrolle die erforderliche Gemeinschaftslizenz in beglaubigter Abschrift mitgeführt, aber (vermutlich aufgrund der Sprachbarriere) nicht vorgewiesen habe. Die Auffassung der belangten Behörde, dieser Beweisantrag sei wegen geklärter Sachlage abzuweisen gewesen, erweise sich als unzutreffend. Der Lenker hätte jedenfalls darüber Auskunft geben können, dass sich diese Lizenz damals im Fahrzeug befunden habe, er sei nach dem GütBefG rechtskräftig nur dafür bestraft worden, weil er sie bei der Kontrolle nicht vorgezeigt habe. Das Kontrollorgan habe bei der mündlichen Verhandlung angegeben, er wisse nicht, ob der Lenker seine Aufforderung tatsächlich verstanden habe. Es sei auch denkbar, dass der Lenker davon ausgegangen sei, dass die Vorlage der sich ebenfalls im Sattelfahrzeug befindliche Telekopie der Lizenz ausreichend gewesen sei; dass der Lenker jedenfalls die beglaubigte Abschrift der Lizenz vorgewiesen hätte, wenn diese mitgeführt worden wäre, stelle eine bloße Spekulation dar. Die Gründe, warum der Lenker die gegen ihn erlassene Strafverfügung nicht bekämpft habe, könnten vielfältiger Natur sein, weshalb sich für die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall daraus nichts gewinnen lasse. Es sei unzulässig, den Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) zu beurteilen, dies stelle eine unzulässige vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung dar.

3.1. Wird eine Gemeinschaftslizenz (vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet) im Kraftfahrzeug mitgeführt, den Aufsichtsorganen auf Verlangen aber nicht ausgehändigt, verantwortet zwar der Lenker einen Verstoß gegen § 23 Abs 2 Z 2 in Verbindung mit § 9 Abs 2 zweiter Fall GütbefG, nicht aber der Unternehmer einen Verstoß gegen § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG (vgl das hg Erkenntnis vom 27.05.2010, Zl 2008/03/0056).

3.2. Im Beschwerdefall kam die belangte Behörde aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis, dass bei der in Rede stehenden Kontrolle nicht die erforderliche (beglaubigte Abschrift) einer Gemeinschaftslizenz iSd Art 5 VO (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl 2002/03/0027), sondern lediglich die Telekopie einer Gemeinschaftslizenz mitgeführt wurde.

Die dieser Auffassung zu Grunde liegende Beweiswürdigung vermag aber auf dem Boden der diesbezüglich dem Verwaltungsgerichthof zukommenden Kontrolle betreffend ihre Schlüssigkeit (vgl insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl 85/02/0053, sowie etwa die Erkenntisse vom 24. März 2010, Zl 2008/03/0132, und vom 20. Dezember 2010, Zl 2007/03/0168) nicht zu überzeugen.

3.3. Gemäß § 25 Abs 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme der Fälle des § 56 leg cit von Amts wegen zu verfolgen. Zufolge Abs 2 dieser gesetzlichen Regelung sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl 90/18/0091, Slg Nr 13.451 A (vgl zudem die hg Erkenntnisse vom 21. Jänner 1998, Zl 97/03/0268, vom 29. April 2004, Zl 2001/09/0174, und vom 23. Jänner 2009, Zl 2008/03/0230) zu den Ermittlungspflichten der Behörde, wenn als Entlastungszeuge eine im Ausland lebende (aufhältige) Person namhaft gemacht wurde, dargetan hat, ist iSd gesetzlichen Bestimmung die Grenze für die Ermittlungspflichten der Behörde durch ihre tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten bestimmt. Die Behörde muss, wenn es zur Klärung des Sachverhaltes notwendig ist, zumindest versuchen, mit dem der Anschrift nach bekannten Zeugen in Verbindung zu treten.

Nach der zitierten Judikatur wird dieses "in Verbindung treten" regelmäßig - soweit nicht besondere Rechtsvorschriften bestehen - dadurch zu geschehen haben, dass die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person nicht bei der Behörde ein, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden. Ist dieser Versuch als gescheitert anzusehen, hat die Behörde dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, den Entlastungsbeweis in anderer Weise zu erbringen.

Im vorliegenden Fall kann es trotz der von der Behörde angestellten Überlegungen zur Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussage des Lenkers im Sinn des Beschwerdevorbringens zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die belangte Behörde hat es aber unterlassen, mit dem Lenker in Kontakt zu treten. Sie hat ihn nach den vorgelegten Akten auch nicht zu der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2011 geladen, obwohl dies im vorliegenden Fall erforderlich gewesen wäre. Nach der gegenständlichen Konstellation geht es nämlich auch darum, zu klären, ob der namhaft gemachte Zeuge aufgrund einer Sprachbarriere die nach der Beschwerde behauptetermaßen bei der Kontrolle (ohnehin) mitgeführte Lizenz nicht vorgewiesen habe. Zur Beurteilung dieser Frage hätte dem Zeugen von der Behörde zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks die grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ermöglicht werden müssen (vgl nochmals das hg Erkenntnis Zl 2001/09/0174).

Ferner darf die behördliche Beweiswürdigung erst dann Platz greifen, wenn die Behörde in Erfüllung ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit jene Beweise aufgenommen hat, die zur Entscheidung in der Sache nach der Lage des Falles erforderlich sind (vgl das hg Erkenntnis vom 11. November 2000, Zl 97/03/0202, Slg Nr 15.512 A). Dem Verwaltungsverfahren ist eine antizipative Beweiswürdigung fremd. Die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach Aufnahme der Beweise möglich (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. Oktober 1992, Zl 91/03/0354, mwH). Die Behörde darf auf vom Beweisthema erfasste Beweise nur dann verzichten, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren und von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewissheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise für die Erhebung der Abgaben sohin nicht "wesentlich" sein können (vgl das insofern hier einschlägige hg Erkenntnis vom 24. November 2008, Zl 2008/05/0179). Mit ihrer Vorgangsweise hat die Behörde aber in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung vorweggenommen, kann doch nicht gesagt werden, dass die Vernehmung des Zeugen zur Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, von vornherein untauglich ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl 2002/03/0229).

Vorliegend wurden daher Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte kommen können.

4. Der angefochtene Bescheid war somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Mai 2012

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