VwGH 2012/12/0029

VwGH2012/12/002928.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der Mag. H E in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. Dezember 2011, Zl. 140.437/1-I/1/11, betreffend Versagung von Sonderurlaub nach § 74 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §60;
BDG 1979 §74 Abs1;
BDG 1979 §74 Abs3;
BDG 1979 §74;
B-VG Art7 Abs1;
DGO Graz 1957 §74 Abs3;
GehG 1956 §19;
StGG Art2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §60;
BDG 1979 §74 Abs1;
BDG 1979 §74 Abs3;
BDG 1979 §74;
B-VG Art7 Abs1;
DGO Graz 1957 §74 Abs3;
GehG 1956 §19;
StGG Art2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Revierinspektorin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und an der Polizeiinspektion S in Verwendung. Seit Februar 2007 absolvierte sie das Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz.

In ihrer Eingabe vom 18. Februar 2010 ersuchte sie um Gewährung eines Sonderurlaubs für den 5. März 2010, weil sie an diesem Tag zur Fachprüfung Europarecht antreten werde. Mit Dienstrechtsmandat vom 28. Mai 2010 versagte das Landespolizeikommando Vorarlberg die Gewährung des beantragten Sonderurlaubes "aus zwingenden dienstlichen Erfordernissen", die sich im Wesentlichen aus der Personalsituation auf der Polizeiinspektion S und den "neuen Richtlinien zur Gewährung von Sonderurlaub" ergäben, wogegen die Beschwerdeführerin Vorstellung erhob.

Mit Bescheid vom 3. August 2010 gab das Landespolizeikommando Vorarlberg (als Dienstbehörde erster Instanz) dem Antrag vom 18. Februar 2010 nicht statt. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens, insbesondere des von der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringens, führte die Dienstbehörde erster Instanz aus,

"Da Ihr Antrag in erster Linie Auswirkungen auf die Belastungen der Mitarbeiter der PI S hat, sind auch nur die Mehrdienstleistungen der Bediensteten und die daraus resultierenden Belastungen zu beurteilen. Eine personelle Verstärkung der Dienststelle und damit die Annäherung an den systemisierten Personalstand ist aus Sicht der Dienstbehörde aufgrund der generellen Personalsituation innerhalb des Bezirkspolizeikommandos B und des Landespolizeikommandos Vorarlberg nicht möglich bzw. nicht opportun.

Die Dienstbehörde ist daher angehalten andere Maßnahmen (kurzfristige Verstärkungen, Delegierung von verschiedenen Tätigkeiten, u. a.) für die Belastungsreduzierung zu setzen. So sind bestimmte Mehrdienstleistungen im Sinne des § 49 Abs. 2 BDG 1979 nach Möglichkeit durch Freizeitausgleich auszugleichen. So können einerseits die körperlichen und physischen Belastungen der Beamteninnen gemindert und andererseits die Ausgaben für Mehrdienstleistungen gekürzt werden. Minderungen der Arbeitsleistung einzelner Bediensteten würden diesem Grundsatz und Auftrag widersprechen. Es ist deshalb ohne Belang ob gerade an diesem Tag (5.3.2010) Mehrdienstleistungen zu leisten waren oder nicht. Vielmehr ist auf die Gesamtleistung Bedacht zu nehmen.

Die im Ermittlungsergebnis angeführte Anmerkung war eine ergänzende Information. Wie Sie bereits anführten und im Ermittlungsergebnis ausgeführt ist, ist jeder Antrag an die Dienstbehörde als eigenständiger Sachverhalt zu prüfen und zu entscheiden. Es ist daher ohne Belang (ausgenommen Gleichheitsgrundsatz), ob die Dienstbehörde Ihren oder von anderen Bediensteten gestellten Anträge stattgegeben hat oder nicht."

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, die Dienstbehörde hätte anhand des Sonderurlaubes für den 5. März 2010 prüfen müssen, ob dadurch eine übermäßige Mehrbelastung einhergegangen wäre. Hätte sie dies getan, hätte sie dies hier verneinen müssen. Die Meinung der Dienstbehörde erster Instanz, eine personelle Verstärkung der Dienststelle und damit die Annäherung an den systemisierten Personalstand aus Sicht der Dienstbehörde aufgrund der generellen Personalsituation innerhalb des Polizeikommandos B und des Landespolizeikommandos Vorarlberg sei nicht möglich bzw. nicht opportun, sei nicht nachvollziehbar.

In ihrer zu den Zlen. 2011/12/0137, 0139 protokollierten Säumnisbeschwerde machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, die belangte Behörde habe ihre Pflicht zur Entscheidung über diese Berufung verletzt, worauf der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren über diese Beschwerde einleitete.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 3. August 2010. Nach Darstellung der wechselseitigen Standpunkte der Dienstbehörde erster Instanz einerseits und der Beschwerdeführerin andererseits im Verwaltungsverfahren erwog die belangte Behörde nach Zitierung des § 74 Abs. 1 und 3 BDG 1979:

"Wie sich aus dem systematischen Zusammenhang und § 74 Abs. 1 und 3 BDG 1979 ergibt, sind die Voraussetzungen für die Gewährung eines Sonderurlaubes jedenfalls folgende:

  1. 1. ein Antrag des Beamten auf Gewährung von Sonderurlaub,
  2. 2. das Vorliegen eines wichtigen persönlichen oder familiären Grundes oder eines sonstigen besonderen Anlasses,
  3. 3. Nichtentgegenstehen zwingender dienstlicher Interessen,
  4. 4. kein Übersteigen der dem Anlass angemessenen Dauer und
  5. 5. keine sonstigen gesetzlichen Hindernisse wie zum

    Beispiel die fehlende Verpflichtung zur Dienstleistung für diesen Zeitraum (z.B. wegen Erholungsurlaubes. angeordneten Zeitausgleichs etc.).

    Ist auch nur eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist Sonderurlaub nicht zu gewähren. Die Entscheidung über die Gewährung des Sonderurlaubes und bejahendenfalls über seine Dauer liegt daher erst dann im Ermessen der Dienstbehörde, wenn alle sogenannten Einstiegsvoraussetzungen vorliegen …

    Bei einer solchen Ermessensübung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ganz allgemein mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter des Sonderurlaubes ein strenger Maßstab anzulegen, weil andernfalls allzu leicht eine gleichheitswidrige Begünstigung einzelner Beamter eintreten könnte ….

    Abgesehen von dieser "allgemeinen" Ermessensrichtlinie hat sich die Entscheidung über die Gewährung und die Dauer des Sonderurlaubes (im Rahmen der durch § 74 Abs. 3 BDG 1979 vorgegebenen objektiven Obergrenze) von einer Abwägung aller im Einzelfall relevanten öffentlichen (insbesondere dienstlichen) und privaten Interessen leiten zu lassen …

    Liegt einer der in § 74 Abs. 1 BDG 1979 umschriebenen Anlassfälle vor, so setzt eine negative Ermessensentscheidung voraus, dass der Gewährung des Sonderurlaubes entsprechend gewichtige öffentliche (insbesondere dienstliche) Interessen entgegen stehen, mögen diese dienstlichen Erfordernisse auch nicht zwingend sein.

    Die entsprechenden dienstlichen Interessen sind in der Ermessensentscheidung entsprechend konkretisiert darzustellen. Bei der Beurteilung der Frage, welches Gewicht den für die Gewährung des Sonderurlaubes aus einem wichtigen persönlichen oder familiären Grund oder aus einem sonstigen besonderen Anlass sprechenden Gründen gegenüber entgegen stehenden dienstlichen Interessen zukommt, sind auch für die Gewährung des Sonderurlaubes sprechende öffentliche Interessen von Belang …

    In Ihrem Fall sind die oben genannten Einstiegsvoraussetzungen des § 74 BDG unbestritten gegeben, die Behörde stützt sich bei der Begründung der Ablehnung des von Ihnen aus wichtigen persönlichen Gründen beantragten Sonderurlaubes auch nicht auf das Vorliegen zwingender dienstlicher Interessen.

    Die Entscheidung über die Gewährung Ihres Antrags lag daher im Ermessen der Dienstbehörde.

    Die Behörde erkannte in dieser Ermessensentscheidung Ihr privates Interesse an einem positiven und raschen Abschluss Ihres Studiums durchaus an. Es sei 'legitim, die Unterstützung des Dienstgebers durch Diensterleichterungen und Zurverfügungstellung von Dienststunden zu erwarten'.

    Die Ablehnung Ihres Antrages wurde dann im Wesentlichen darauf gestützt, dass Diensterleichterungen und Wünsche bei der Dienstplanung aufgrund Ihres Studiums grundsätzlich ohnehin berücksichtigt würden und Ihnen im Laufe des letzten Jahres auch bereits 3 Sonderurlaubstage gewährt worden seien.

    Weiters wurde in diesem Zusammenhang die Situation auf Ihrer Dienststelle thematisiert, nach der die durchschnittlichen Mehrdienstleistungen der dienstbaren Beamtinnen Ihrer Dienststelle, der Polizeiinspektion S, beispielsweise im Abrechnungsmonat März 2010 40,1 Stunden betragen hätten und eine personelle Verstärkung der Polizeiinspektion aufgrund der personellen Situation innerhalb Vorarlbergs weiterhin nicht möglich sei.

    Mit diesen Argumenten hat die Behörde also im Sinne der obgenannten Interessensabwägung Ihre privaten Interessen dienstlichen Interessen gegenübergestellt und in der Folge die einem Sonderurlaub entgegenstehenden dienstlichen Interessen als überwiegend angesehen.

    Zu Ihrer diesbezüglichen Argumentation, der rasche Abschluss Ihres Studiums sei ja auch im dienstlichen Interesse gelegen, da Sie in einem solchen Fall Ihr erworbenes Wissen dem Dienstgeber zur Verfügung stellen könnten ist noch Folgendes festzuhalten:

    Es liegt auf der Hand, dass die Schaffung einer Grundlage für Ihren beruflichen Aufstieg in Form eines Studiums für Sie einen wichtigen persönlichen Grund im Sinne des § 74 Abs. 1 BDG 1979 darstellt.

    Inwieweit diese Ausbildung darüber hinaus im Interesse Ihres Dienstgebers - hier unmittelbar Ihre Dienststelle (Polizeiinspektion S) bzw. das Landespolizeikommando Vorarlberg - liegen soll, vor allem da diese Ausbildung für Ihre Tätigkeit als Exekutivbeamtin an dieser Polizeiinspektion keine Voraussetzung ist und wohl sogar als 'abteilungfremde Materie' bezeichnet werden muss, kann allerdings ho. nicht nachvollzogen werden.

    Von dieser Sachlage ausgehend, kann die Berufungsbehörde aber nicht erkennen, dass Sie in ihrem subjektiven Recht auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes dadurch verletzt worden wären, dass die Dienstbehörde Ihren Antrag auf Sonderurlaub abgewiesen hat.

    Entgegen Ihrer Auffassung kommt es bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht entscheidend darauf an, ob Sie am Prüfungstag dienstlich unabkömmlich gewesen wären, ist doch das dienstliche Interesse hier auch in der Erhaltung des 'Betriebsfriedens' gelegen. nämlich die durch Ihre Abwesenheit gegebene Überbelastung der sonstigen Mitarbeiter dieser Abteilung nicht durch eine nur Sie begünstigende Personalmaßnahme für einen Zweck aufrechtzuerhalten, der nicht zum Kernbereich der Aufgaben Ihrer Dienststelle, der Polizeiinspektion S, gehört.

    Bereits das Vorliegen dieser Situation allein rechtfertigte jedoch die Abweisung Ihres gestellten Antrages ..."

    Mit Beschluss vom 29. März 2012 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die eingangs genannte Säumnisbeschwerde wegen Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde ein.

    In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sonderurlaub nach § 74 BDG 1979 verletzt; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

    Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 74 Abs. 1 und 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 -BDG 1979 lauten:

"Sonderurlaub

§ 74. (1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen aus wichtigen persönlichen oder familiären Gründen oder aus einem sonstigen besonderen Anlass ein Sonderurlaub gewährt werden.

(3) Der Sonderurlaub darf nur gewährt werden, wenn keine zwingenden dienstlichen Erfordernisse entgegenstehen, und darf die dem Anlass angemessene Dauer nicht übersteigen.

…"

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ziehen das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerin an einer Entscheidung über ihre Beschwerde ungeachtet des Verstreichens des fraglichen Tages, für den Sonderurlaub begehrt worden war, nicht in Zweifel.

Voraussetzungen für die Gewährung eines Sonderurlaubes sind jedenfalls - wie sich aus dem systematischen Zusammenhang und § 74 Abs. 1 und 3 BDG 1979 ergibt - folgende:

1. ein Antrag des Beamten auf Gewährung des Sonderurlaubs (zur Bedeutung desselben vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juni 1976, Zl. 2171/75, vom 25. September 1989, Zl. 89/12/0160 und vom 26. Februar 1992, Zl. 91/12/0049),

2. das Vorliegen eines wichtigen persönlichen oder familiären Grundes oder eines sonstigen besonderen Anlasses (allgemein zu allen drei Tatbestandsalternativen: Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. April 1986, Zl. 85/12/0085; jeweils beschwerdefallbezogen zur Tatbestandsvoraussetzung "besonderer Anlass": hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1981, Zl. 12/3257/80, vom 15. Juni 1981, Zl. 12/1311/80 und vom 23. September 1991, Zl. 91/12/0009),

  1. 3. Nicht-Entgegenstehen zwingender dienstlicher Interessen,
  2. 4. kein Übersteigen der dem Anlass angemessenen Dauer (zu den unter 3. und 4. genannten Voraussetzungen vgl. die ständige Rechtsprechung beginnend mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1979, Zl. 1555/79 = Slg. 9930/A zum inhaltlich verwandten BDG 1977; zuletzt das Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/12/0009) und

    5. keine sonstigen gesetzlichen Hindernisse wie zum Beispiel die fehlende Verpflichtung zur Dienstleistung für diesen Zeitraum (z.B. wegen Erholungsurlaub bzw. Erkrankung: hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1979, Zl. 2191/78 = Slg. 9739/A; wegen angeordnetem Freizeitausgleich: hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1980, Zl. 2649/79) oder das Vorliegen einer Nebentätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/12/0009).

    Ist auch nur eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist Sonderurlaub nicht zu gewähren; diesfalls besteht kein Ermessen der Dienstbehörde. Die Entscheidung über die Gewährung des Sonderurlaubes und seine Dauer (nach Maßgabe der oben unter 4. genannten Begrenzung) liegt daher erst dann im Ermessen der Dienstbehörde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Zl. 90/12/0223, mwN).

    "Einstiegsvoraussetzungen" für die Gewährung eines Sonderurlaubes sind - neben einem diesbezüglichen Antrag des Beamten - das Vorliegen wichtiger persönlicher oder familiärer Gründe oder eines sonstigen besonderen Anlasses, dass der Sonderurlaub die dem Anlass angemessene Dauer nicht übersteigt und schließlich das Nichtentgegenstehen zwingender dienstlicher Erfordernisse. Diese Voraussetzungen sind von der Dienstbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kommt der Dienstbehörde Ermessen dahingehend zu, ob sie einen Sonderurlaub gewährt und bejahendenfalls in welcher Dauer. Bei dieser Ermessensübung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter des Sonderurlaubes ein strenger Maßstab anzulegen, weil andernfalls eine gleichheitswidrige Begünstigung einzelner Beamter eintreten könnte. Abgesehen von dieser "allgemeinen" Ermessensrichtlinie hat sich die Entscheidung über die Gewährung und die Dauer des Sonderurlaubes (im Rahmen der durch § 74 Abs. 3 BDG 1979 vorgegebenen objektiven Obergrenze) von einer Abwägung aller im Einzelfall relevanten öffentlichen (insbesondere dienstlichen) und privaten Interessen leiten zu lassen. Liegt einer der in § 74 Abs. 1 BDG 1979 umschriebenen Anlassfälle vor, so setzt eine negative Ermessensentscheidung voraus, dass der Gewährung des Sonderurlaubes entsprechend gewichtige öffentliche (insbesondere dienstliche) Interessen entgegen stehen, mögen diese dienstlichen Erfordernisse auch nicht zwingend sein. Die entsprechenden dienstlichen Interessen sind in der Ermessensentscheidung entsprechend konkretisiert darzustellen. Bei der Beurteilung der Frage, welches Gewicht den für die Gewährung des Sonderurlaubes aus einem wichtigen persönlichen oder familiären Grund oder aus einem sonstigen besonderen Anlass sprechenden Gründen gegenüber entgegen stehenden dienstlichen Interessen zukommt, sind auch für die Gewährung des Sonderurlaubes sprechende öffentliche Interessen von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, Zl. 2007/12/0087, mwN).

    Nach dem gemäß § 1 DVG auch im Dienstrechtsverfahren anzuwendenden § 60 AVG hat ein Bescheid über die Verweigerung eines Sonderurlaubes eine entsprechende Begründung aufzuweisen. Nach dieser Bestimmung sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die sich aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Begründungserfordernisse eines Bescheides umfassen die Verpflichtung der Behörde, in der Begründung in eindeutiger, der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welchen konkreten Sachverhaltsannahmen sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im Einzelnen stützen. Weiters sind die angestellten rechtlichen Erwägungen darzulegen. Im Falle der Verweigerung eines beantragten Sonderurlaubes hat die Dienstbehörde daher darzulegen, ob sie vom Fehlen einer der genannten "Einstiegsvoraussetzungen" ausgeht und bejahendenfalls aus welchen Gründen; sofern sie im Ermessensbereich entscheidet, hat sie eine Abwägung der für und gegen die Gewährung des Sonderurlaubes sprechenden (privaten und öffentlichen) Interessen vorzunehmen und diese in nachvollziehbarer Weise zu begründen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 4. Februar 2009).

    Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, sah die belangte Behörde die genannten "Einstiegsvoraussetzungen" für eine Gewährung von Sonderurlaub nach § 74 BDG 1979 als gegeben an, begründete jedoch die Versagung des Sonderurlaubs in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens. Sie stellte dem Interesse der Beschwerdeführerin an einem raschen, positiven Abschluss des Studiums dienstliche Interessen, die die Dienstbehörde erster Instanz ins Treffen geführt habe, gegenüber und gelangte schließlich zum Schluss, dass sie nicht erkennen könne, dass die Beschwerdeführerin durch die Versagung des Antrages auf Sonderurlaub durch die Dienstbehörde erster Instanz in ihrem subjektiven Recht auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes verletzt worden wäre. Schließlich fügte sie dem hinzu, es sei bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht entscheidend darauf angekommen, ob die Beschwerdeführerin am Prüfungstag dienstlich an ihrer Dienststelle unabkömmlich gewesen wäre, sei doch das dienstliche Interesse hier auch in der Erhaltung des "Betriebsfriedens" gelegen, nämlich die durch die Abwesenheit der Beschwerdeführerin gegebene Überlastung der sonstigen Mitarbeiter dieser Abteilung nicht durch eine nur dieser begünstigende Personalmaßnahme für einen Zweck aufrecht zu erhalten, der nicht zum Kernbereich der Aufgaben ihrer Dienststelle, der Polizeiinspektion S gehöre.

    Sache des Berufungsverfahrens und damit Gegenstand des angefochtenen Bescheides war nicht die Überprüfung einer aus der Sicht der belangten Behörde von der Dienstbehörde erster Instanz getroffenen Ermessensübung in einem Rahmen vergleichbar Art. 130 Abs. 2 B-VG, sondern die Entscheidung der belangten Behörde in der Sache, d.h. die Prüfung der besagten "Einstiegsvoraussetzungen" und, wenn diese gegeben sind, der Übung des Ermessens im Sinne des Gesetzes durch die belangte Behörde selbst.

    Geht man davon aus, dass sich die belangte Behörde bei der Entscheidung in der Sache selbst nach § 66 Abs. 4 AVG nicht bloß auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung durch die Dienstbehörde erster Instanz zurückzog, sondern, ausgehend vom Vorliegen der besagten "Einstiegsvoraussetzungen", auch in die Ermessensübung im Sinne des Gesetzes einstieg, so stellte sie dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Fortführung ihres Studiums das dienstliche Interesse an der Erhaltung eines "Betriebsfriedens" entgegen, ausgehend von einer durch eine Abwesenheit der Beschwerdeführerin bedingte Überlastung der anderen Bediensteten (offenbar dieser Dienststelle) durch eine nur diese begünstigende Personalmaßnahme.

    Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. November 2010, Zl. 2009/12/0163, (betreffend den im Gefolge des zitierten Erkenntnisses vom 4. Februar 2009 ergangenen Ersatzbescheid auf neuerliche Versagung von Sonderurlaub) ausführte, liegt der Umstand, dass die Arbeitskraft des Beamten während seiner Abwesenheit dem Dienstgeber nicht zur Verfügung steht, in der Natur der Sache, und darf daher für sich genommen (auch im Wege einer Ermessensentscheidung) nicht dazu herangezogen werden, die Versagung von Sonderurlaub zu begründen. Dienstliche Erfordernisse, die der Gewährung von Sonderurlaub auch im Wege einer Ermessensentscheidung entgegengehalten werden dürfen, müssen vielmehr über das bloß abstrakte Interesse des Dienstgebers an der Erbringung von Dienstleistungen durch den Bediensteten hinausgehen. Es muss konkret und nachvollziehbar begründet werden, warum im jeweiligen Fall die Gewährung von Sonderurlaub im verlangten Ausmaß nicht bewilligt werden kann. Es ist daher Aufgabe der Dienstbehörde, darzulegen, welcher konkrete Aufwand notwendig wäre, um eine Vertretung des Beamten für den beantragten Zeitraum sicherzustellen bzw. darzulegen, welche konkreten Einschränkungen im Dienstbetrieb im Fall des Unterbleibens einer Vertretung hinzunehmen wären. Dabei hat die Dienstbehörde insbesondere die bestehende konkrete Personalsituation an der Dienststelle und etwaige bereits bestehende, respektive bereits zu erwartende Überstundenbelastung der übrigen Beamten darzustellen sowie sonstige Umstände aufzuzeigen, die einer Vertretung des Beamten entgegenstehen - etwa die während des beantragten Zeitraumes zu erwartenden Aufgaben oder das Fehlen von hiefür qualifizierten anderen Bediensteten. Umgekehrt wäre es auch zu berücksichtigen, dass personeller Überbestand auch zur Abdeckung des vorübergehenden Ausfalles von Arbeitskraft durch die Gewährung eines Sonderurlaubes herangezogen werden könnte. Ebenso wenig kann sich die Dienstbehörde zur Versagung von Sonderurlaub auf "Budgetknappheit" berufen, weil die dienstrechtliche Rechtsposition eines Beamten auch in Ansehung von Ermessensentscheidungen (grundsätzlich) nicht von Vorgaben des Bundesgesetzgebers abhängig gemacht werden darf.

    Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes entbehrt jedoch eine von der belangten Behörde geübte Ermessensübung zunächst tragfähiger Tatsachenfeststellungen über die personellen Gegebenheiten an der Dienststelle der Beschwerdeführerin und über konkrete Auswirkung des von ihr begehrten Sonderurlaubes am 5. März 2010 auf den Dienstbetrieb. Soweit die belangte Behörde schließlich den Gesichtspunkt eines "Betriebsfriedens" in Betracht zieht, kann der Verwaltungsgerichtshof einer darauf gegründeten Ermessensübung ebenfalls schon deshalb nicht folgen, weil die Prämisse der "Überlastung der sonstigen Mitarbeiter" tragfähiger Feststellungen entbehrt, zumal es Aufgabe der Dienstbehörde wäre, sollte schließlich sich eine Ermessensübung zugunsten der Beschwerdeführerin abzeichnen, den "Betriebsfrieden" an der Dienststelle der Beschwerdeführerin trotz der Absenz sicherzustellen.

    Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 28. Jänner 2013

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