VwGH 2011/10/0123

VwGH2011/10/012325.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des H S in F, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, 1. Stock, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Juli 2011, Zl. FA11A-32-1614/2010-5, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Stmk 1998 §1 Abs1;
SHG Stmk 1998 §1 Abs2 lita;
SHG Stmk 1998 §1 Abs3;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Stmk 1998 §5 Abs2;
SHG Stmk 1998 §1 Abs1;
SHG Stmk 1998 §1 Abs2 lita;
SHG Stmk 1998 §1 Abs3;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Stmk 1998 §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Juli 2011 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes vom 17. Juli 2009 gemäß §§ 1, 4, 5, 7, 8 und 35 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 82/2009 (Stmk. SHG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, dem Beschwerdeführer sei im September 2009 die Familienbeihilfe inklusive des Kinderabsetzbetrages und des Erhöhungsbetrages für den Zeitraum März 2004 bis Juni 2009, in Summe ein Betrag von EUR 22.217,60, überwiesen worden. Der Beschwerdeführer sei seit den späten 1980er Jahren, insbesondere auch im Zeitraum, für den die Familienbeihilfenachzahlung vorgenommen worden sei, aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt worden. Bei der Bemessung dieser Sozialhilfeleistungen sei die Familienbeihilfe, da sie damals noch nicht bezogen worden sei, nicht leistungsmindernd berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer beziehe Familienbeihilfe in der Höhe von EUR 152,70 monatlich, den Kinderabsetzbetrag in der Höhe von EUR 58,40 monatlich sowie den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe in der Höhe von EUR 138,30 monatlich. Der Beschwerdeführer habe bis 9. August 2010 im Haushalt seiner Mutter in Fernitz gelebt; am 9. August 2010 sei er nach Feldbach gezogen und dort im Rahmen der Behindertenhilfe (vollzeitbetreutes Wohnen) untergebracht. Bis einschließlich April 2011 sei der Beschwerdeführer bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse krankenversichert gewesen, die Beiträge seien aus Mitteln der Sozialhilfe getragen worden.

Von der Nachzahlung entfielen EUR 9.925,50 auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe, EUR 3.302,60 auf den Kinderabsetzbetrag und EUR 8.989,50 auf den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe. Stellte man die auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag entfallenden Teile der Nachzahlung (EUR 13.328,10), die verwertbares Vermögen darstellten, der Summe der Bezüge eines Ausgleichszulagenbeziehers im Zeitraum Juli 2009 bis August 2010 gegenüber, verbliebe von der Nachzahlung noch immer ein Restbetrag von EUR 1.501,10. § 5 Abs. 1 Stmk. SHG bestimme, dass Hilfe nur soweit zu gewähren sei, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfänger zur Abdeckung des Lebensbedarfes nicht ausreichten. Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG sei Voraussetzung der Hilfe, dass der Hilfsbedürftige den Lebensbedarf für sich nicht ausreichend aus eigenen Mitteln decken könne. Da im Hinblick auf die Familienbeihilfenachzahlung (ohne Berücksichtigung des Erhöhungsbetrages) und den laufenden Familienbeihilfebezug (wiederum ohne Berücksichtigung des Erhöhungsbetrages) zwischen Antragstellung und Übersiedlung in eine Einrichtung vollzeitbetreuten Wohnens im Rahmen der Behindertenhilfe keine Notlage iSd Stmk. SHG vorliege, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Steiermärkische Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 82/2009 (Stmk. SHG), lautet auszugsweise:

"§ 1

Aufgabe der Sozialhilfe

(1) Durch die Sozialhilfe soll jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

(2) Die Sozialhilfe umfasst:

a) Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs,

(3) Die Sozialhilfe ist zu gewähren, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden. Sie ist fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern.

§ 4

Voraussetzung der Hilfe

(1) Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes ein Rechtsanspruch.

§ 5

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.

(2) Das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers dürfen so weit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unver-einbar ist. Besondere soziale Härten für den Hilfeempfänger und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen sind auszuschließen.

(3) Zum verwertbaren Vermögen gehören nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen.

…"

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe lediglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer eine Nachzahlung der Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2004 bis Juni 2009 in Höhe von EUR 22.217,60 erhalten habe. Die belangte Behörde habe "jedoch weder erkannt noch überprüft", dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum von über fünf Jahren, in dem eine staatliche Beihilfe nicht ausbezahlt worden sei, auf die Hilfe dritter Personen angewiesen gewesen sei und "bis heute natürlich entsprechende Rückzahlungsverpflichtungen" bestünden. Dass dem Beschwerdeführer über fünf Jahre lang ihm zustehende Zahlungen nicht geleistet worden seien und sodann zu seinem Nachteil von einem Vermögenszuwachs gesprochen werde, widerspreche jeder sozialen Gerechtigkeit und sei mit dem Sinn und Zweck der Sozialhilfegewährung unvereinbar. Die belangte Behörde habe übersehen, dass im Sinne des Stmk. SHG das Einkommen und verwertbare Vermögen soweit nicht berücksichtigt werden dürfe, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar sei. Die Nachzahlung der über Jahre fälschlicherweise nicht gewährten Familienbeihilfe hätte daher nicht zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden dürfen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Nach der ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe sind Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln. Dabei ist es nicht maßgeblich, aus welchen Quellen Ersparnisse gebildet wurden (vgl. etwa zum Nö Sozialhilfegesetz das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0289, sowie zum Oö Sozialhilfegesetz das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/10/0060). Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet wurden, die "bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0071), sind sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im genannten Erkenntnis vom 29. April 2002 sowie in den Erkenntnissen vom 23. April 2007, Zl. 2007/10/0011, 28. Jänner 2008, Zl. 2007/10/0271, und 21. Oktober 2009, Zl. 2006/10/0077, auch für ein aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenes Vermögen ausgesprochen, dass dieses die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden kann. Nichts anderes gilt aber bei der Beurteilung der Frage, ob die Gewährung von Sozialhilfe nicht in Betracht kommt, weil das Vermögen des Betreffenden zur Sicherung des Lebensbedarfes ausreicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2009, Zl. 2007/10/0258).

Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde nicht, dass das durch die Nachzahlung gebildete Vermögen nicht mehr vorhanden war. Die in der Beschwerde ins Treffen geführten "Rückzahlungsverpflichtungen" wurden weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkretisiert. Davon abgesehen begründen eingegangene "Rückzahlungsverpflichtungen" aber lediglich eine Schuld, ohne dass der Beschwerdeführer in diesem Umfang die Verfügungsgewalt über sein Vermögen verloren hätte (vgl. insoweit etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2011/10/0094).

In der Beschwerde wird auch weder bestritten, dass der Beschwerdeführer ab 9. August 2010 in einer Einrichtung vollzeitbetreuten Wohnens im Rahmen der Behindertenhilfe untergebracht war, noch enthält die Beschwerde Vorbringen dazu, dass die im - demgemäß in den Blick zu nehmenden - Zeitraum von der Antragstellung bis zum 9. August 2010 zugeflossenen Mittel (aus der Nachzahlung und aus dem laufenden Familienbeihilfebezug unter Ausklammerung des Erhöhungsbetrages) nicht ausgereicht hätten, den Lebensbedarf des Beschwerdeführers zu sichern. Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe insoweit über ausreichende Mittel verfügt, begegnet somit keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes.

Es ist weiters nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch nicht konkret dargestellt, inwiefern die Berücksichtigung der Nachzahlung mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar wäre. Die Beschwerde tritt auch in dieser Hinsicht weder der Annahme der belangten Behörde entgegen, selbst bei Außerachtlassung der Nachzahlung betreffend den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe (im Betrag von EUR 8.989,50) verbliebe von der Nachzahlung (bei Zugrundlegung der Bezüge eines Ausgleichszulagenbeziehers) noch ein Restbetrag (von EUR 1.501,10), noch bekämpft sie deren Feststellung, der Beschwerdeführer sei auch im Zeitraum, für den die Familienbeihilfenachzahlung vorgenommen worden sei, aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt worden, wobei bei der Bemessung dieser Sozialhilfeleistungen die Familienbeihilfe, da sie damals noch nicht bezogen worden sei, nicht leistungsmindernd berücksichtig worden sei (vgl. zum letztgenannten Umstand etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0214). Eine Unvereinbarkeit der Berücksichtigung der Nachzahlung mit der Aufgabe der Sozialhilfe im Sinne des § 5 Abs. 2 Stmk. SHG ist daher nicht ersichtlich.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. April 2013

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