VwGH AW 2012/01/0032

VwGHAW 2012/01/00324.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der Dr. T, Rechtsanwältin, vertreten durch D B J Rechtsanwälte, und 2. der D Rechtsanwälte GmbH, der gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 11. September 2012, Zl. 06/03 2012/3063, betreffend Weisung nach § 23 RAO, erhobenen und zur hg. Zl. 2012/01/0142 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §23;
RLBA 1977 §12a;
VwGG §30 Abs2;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §23;
RLBA 1977 §12a;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid der Abteilung IVa des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22. Mai 2012 wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 23 Rechtsanwaltsordnung (RAO) die Weisung erteilt, 1. das von Frau E.H. erteilte Mandat, insbesondere im Zusammenhang mit einem näher genannten Ehescheidungsverfahren, und 2. das von der L. GmbH erteilte Mandat unverzüglich niederzulegen.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 11. September 2012 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien keine Folge gegeben. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die zweitbeschwerdeführende Partei sei, vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, im Dezember 2011 von Frau E.H. beauftragt worden, sie als beklagte Partei in einem näher genannten Scheidungsverfahren zu vertreten. Im August 2011 sei die zweitbeschwerdeführende Partei, vertreten durch einen anderen geschäftsführenden Gesellschafter, von der L. GmbH mit der Klärung einer verwaltungsrechtlichen Angelegenheit beauftragt worden, wobei einer der beiden zur Vertretung der L. GmbH befugten Geschäftsführer der Scheidungskläger sei. Ein Kontakt der erstbeschwerdeführenden Partei mit dem Scheidungskläger habe zwar nicht bestanden, im Scheidungsverfahren seien jedoch Unterlagen betreffend das Geschäftsmodell und die wirtschaftlichen Daten der L. (Unternehmens-)Gruppe vorgelegt worden. Damit liege eine zusammenhängende Sache gemäß § 10 Abs. 1 RAO und §12a der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und des Rechtsanwaltsanwärters und somit eine unzulässige Doppelvertretung vor.

Dagegen richtet sich die zur hg. Zl. 2012/01/0142 protokollierte Beschwerde, die mit dem Antrag verbunden ist, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die beschwerdeführenden Parteien bringen zum Antrag auf aufschiebende Wirkung im Wesentlichen vor, die von ihnen geforderte Niederlegung des von E.H. erteilten Mandats - das Mandat der L. GmbH sei längst niedergelegt - würde für E.H. zu prozessualen Nachteilen führen, zumal das genannte Scheidungsverfahren komplex und sehr umfangreich sei, weshalb ein Wechsel in der Rechtsvertretung "derzeit nicht ohne weiteres" möglich sei. Die reibungslose Übertragung der Angelegenheit auf einen Berufskollegen könne aufgrund des umfangreichen Verfahrensaktes nicht gewährleistet werden. Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wäre eine Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich bzw. zumindest mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Eine Wiederbeauftragung der beschwerdeführenden Parteien würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgen. Zudem wäre mit der Niederlegung des Mandats ein nicht wiedergutzumachender Reputationsverlust verbunden. Ausgehend von den üblicherweise verrechneten Stundensätzen würde den beschwerdeführenden Parteien ein finanzieller Nachteil in der Größenordnung von über EUR 50.000,-- entstehen. Durch die Niederlegung des Mandats würden die beschwerdeführenden Parteien die gegenüber ihrer Mandantin bestehende Treuepflicht verletzen, demgegenüber drohe ihnen andernfalls die disziplinäre Verfolgung durch die zuständigen Kammerorgane. Zwingende öffentliche Interessen stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Mit Schriftsatz vom 7. November 2012 brachten die beschwerdeführenden Parteien zum Antrag auf aufschiebende Wirkung weiters vor, die von der Beklagten im Scheidungsverfahren erhobene Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit sei mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 1. November 2012 verworfen worden. Ausgehend vom Umfang des Verfahrensaktes würde die Beauftragung eines anderen Rechtsvertreters zur Erhebung eines Rekurses eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung verunmöglichen, die Mandantin an einen anderen Rechtsvertreter zu verweisen, würde einen groben Verstoß gegen die anwaltliche Treuepflicht darstellen. Der mit der Niederlegung des Mandats in einem derart prekären Verfahrensstadium verbundene Reputationsverlust bedeute für die beschwerdeführenden Parteien einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG, zudem könnten auch Frau E.H. durch einen nicht entsprechend eingearbeiteten Rechtsvertreter unwiederbringliche Nachteile entstehen.

Die belangte Behörde erstattete über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes mit Schriftsatz vom 16. November 2012 eine Stellungnahme, in der sie sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aussprach. Das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in die Justiz dürfe nicht dadurch beschädigt werden, dass fundamentale Prinzipien der rechtsanwaltlichen Berufsausübung, wozu das Verbot der Doppelvertretung gehöre, aus wirtschaftlichen Gründen ausgehöhlt würden. Aus diesem Grund liege der Vollzug der Anordnung zur Niederlegung des Mandats im zwingenden öffentlichen Interesse. Im Übrigen sei der (sofortige) Vollzug des in Beschwerde gezogenen Bescheides für die beschwerdeführenden Parteien auch nicht mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, kann von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenlage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne Weiteres schon zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten. Hiezu bedarf es noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um die öffentlichen Interessen als "zwingend" ansehen zu können. Dem Aufschub entgegenstehende zwingende öffentliche Interessen wurden in der Rechtsprechung im Wesentlichen stets dann angenommen, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen (und zum Teil auch deren Eigentum) verbunden wäre; daneben lassen sich als relevante Gesichtspunkte die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches und des Abgabenanspruches als solchen sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiterer Bevölkerungsteile (mit Wasser und Energie) erkennen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. Dezember 2005, Zl. AW 2005/17/0060, mwH).

Ein solches qualifiziertes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der bekämpften Weisung vermag der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall allerdings weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Stellungnahme der belangten Behörde zum Aufschiebungsantrag zu entnehmen. Dass das Verbot der Doppelvertretung im öffentlichen Interesse liegt, weil es dem Schutz der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Parteien dient, seine Einhaltung für das zwischen Rechtsanwalt und Klient bestehende Treuverhältnis für wesentlich erachtet wird und es für das allgemeine Bild der Anwaltschaft in der Öffentlichkeit von Bedeutung ist (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2010, B 1050/09), bedeutet noch nicht, dass in einem Fall wie dem vorliegenden dieses Interesse zwingend einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides gebietet. Ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, welches der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von vornherein entgegenstünde, ist somit im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.

Es ist daher in die Abwägung der Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG einzutreten. Dabei ist es Sache des Beschwerdeführers, schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das Zutreffen der Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 VwGG zu behaupten und in diesem Zusammenhang konkrete Angaben zu machen, um dem Gerichtshof die nach § 30 Abs. 2 VwGG gebotene Interessenabwägung zu ermöglichen (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, VwSlg. NF Nr. 10381/A).

Soweit die beschwerdeführenen Parteien zunächst für E.H. eintretende Nachteile behaupten, ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf den unverhältnismäßigen Nachteil "für den Beschwerdeführer" ankommt; etwaige Interessen Dritter haben bei einer Entscheidung nach § 30 Abs. 2 VwGG außer Betracht zu bleiben (vgl. die bei Mayer, B-VG3, § 30 VwGG D.I.2., genannte hg. Judikatur sowie den hg. Beschluss vom 2. Februar 2006, Zl. AW 2006/04/0001).

Soweit als unverhältnismäßiger Nachteil ein mit der Niederlegung des Mandats "in einem derart prekären Verfahrensstadium" verbundener Reputationsverlust ins Treffen geführt wird, ist zunächst nicht zu erkennen, dass angesichts der bereits im Mai 2012 erstmals erteilten und mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. September 2012 aufrecht erhaltenen Weisung vor dem Hintergrund, dass im (auf die Frage der internationalen Zuständigkeit eingeschränkten) Scheidungsverfahren die mündliche Streitverhandlung am 12. Juli 2012 geschlossen wurde, eine zeitgerechte Disposition im Hinblick auf die Übertragung des Mandats unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre. Davon abgesehen werden mit dem Vorbringen zu einem durch die Niederlegung des Mandats verursachten Verlustes an Reputation aber auch nur regelmäßig mit dem Einsatz der vom Gesetzgeber vorgesehenen Aufsichtsmittel verbundene Folgen geltend gemacht, die ohne nähere Spezifizierung und ohne besondere Umstände des Einzelfalles nicht die Annahme eines unverhältnismäßigen Nachteils begründen können (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2007, Zl. AW 2007/17/0019). Soweit weiters eine Verletzung der Treueplicht gegenüber E.H. ins Treffen geführt wird, vermag dieses Vorbringen vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses am Verbot der Doppelvertretung und dem dadurch bewirkten Schutz der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Parteien einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG jedenfalls nicht aufzuzeigen.

Die beschwerdeführenden Parteien machen schließlich einen durch die Niederlegung des Mandats eintretenden finanziellen Nachteil "in der Größenordnung" von über EUR 50.000,-- geltend. Die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils erfordert nach der hg. Rechtsprechung aber die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einnahmenseinbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. Juni 2009, Zl. AW 2009/09/0047, mwH). Diesem Konkretisierungsgebot wurde aber schon deshalb nicht entsprochen, weil jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der beschwerdeführenden Parteien fehlen.

Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 4. Dezember 2012

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