VwGH 2011/11/0147

VwGH2011/11/014723.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptplatz 1, vertreten durch den Bürgermeister Franz Dobusch, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 26. Februar 2009, Zl. 44.140/2-7/2009, betreffend Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung eines begünstigten Behinderten (weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: F H in L, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Mag. Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer und Mag. Rupert Primetshofer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 15), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §121 Z3;
BEinstG §8 Abs4 litc;
ArbVG §121 Z3;
BEinstG §8 Abs4 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde - der Berufung des Mitbeteiligten Folge gebend - der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. August 2008 auf Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten gemäß § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, der Mitbeteiligte sei seit 3. Jänner 1994 beim Magistrat der Beschwerdeführerin als Schulwart beschäftigt und gehöre aufgrund des Bescheides des Bundessozialamtes vom 26. Jänner 2006 mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Er habe eine fixe Dienstzeit von Montag bis Freitag von 6:00 bis 14:00 Uhr. Gleichzeitig verrichte er mehrmals in der Woche Bereitschaftsdienst von 18:00 bis 22:00 Uhr.

Für diesen Bereitschaftsdienst sei ihm ein Kellerraum mit Dusche und Kochnische als Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt worden, den der Mitbeteiligte (nach Aufgabe der Schulwartwohnung im Juni 2007) ohne Genehmigung als private Wohnung eingerichtet und, insbesondere auch an den Wochenenden, benutzt habe. Vor einigen Jahren sei ihm vom damaligen Schulleiter die Erlaubnis erteilt worden, in einer Ecke des Schulhofes einen kleinen Gemüsegarten anzulegen. Den Garten, welcher zuletzt eine Größe von 5 x 15m erreicht habe, habe der Mitbeteiligte ohne Genehmigung eingezäunt. Die privaten Räumlichkeiten im Keller habe er auf Weisung der Beschwerdeführerin bis spätestens 15. September 2008 räumen und den privaten Garten bis spätestens 1. Oktober 2008 entfernen müssen.

Mit Zustimmung der Beschwerdeführerin obliege dem Mitbeteiligten die Betreuung der im Schulgebäude aufgestellten Getränkeautomaten, wofür er ein entsprechendes Verteilerentgelt erhalte. Trotz Anweisung, einen Getränkeautomaten mit 15. Februar 2008 außer Betrieb zu nehmen, sei bei Begehungen am 8. Juni 2008 und im Juli 2008 festgestellt worden, dass der Mitbeteiligte den Getränkeautomaten weiterhin in Betrieb gehabt habe. Am 27. Juni 2008 habe der Mitbeteiligte seinen Dienst eine Stunde vor Dienstschluss beendet, ohne den zuständigen Vorgesetzten zu informieren. Im Winter 2008 (gemeint wohl: Anfang 2008) habe der Mitbeteiligte ohne Genehmigung im Turnsaal eine private Gymnastikveranstaltung organisiert.

Bis September 2008 seien ihm die Mitarbeiter L. und T. unterstellt gewesen. L. sei vom Mitbeteiligten zumindest einmal beauftragt worden, für ihn Gartenarbeiten zu verrichten, sowie mehrmals, für ihn Getränke in sein Auto zu laden. Ein weiteres Mal habe L. den Auftrag erhalten, den vom Mitbeteiligten privat genützten Aufenthaltsraum im Keller zu reinigen. Ebenso habe er T. angewiesen, für ihn private Arbeiten im Garten und im Kellerraum zu verrichten bzw. Getränkeflaschen in sein Auto einzuräumen.

Die belangte Behörde kam, gestützt auf hg. Judikatur, zum Ergebnis, es könne dahingestellt bleiben, ob die festgestellten Umstände im Einzelnen überhaupt als Dienstpflichtverletzungen zu qualifizieren seien, da jedwede mündliche oder schriftliche Ermahnung oder Verwarnung seitens der Beschwerdeführerin unterlassen worden sei, obwohl eine beharrliche Pflichtvernachlässigung in der Regel eine Ermahnung bzw. Verwarnung des Arbeitnehmers voraussetze.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten über die Beschwerde erwogen:

1.1. Mit Erkenntnis vom 1. Juli 2011, G 80/10-12 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof den jeweils auf Art. 140 Abs. 1 B-VG gestützten Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes, "den durch die Novelle BGBl. Nr. 313/1992 eingefügten § 19a Abs. 2a erster Satz des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in eventu § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1999, als verfassungswidrig aufzuheben", keine Folge gegeben.

1.2. Zur maßgebenden Rechtslage und den Anforderungen an eine Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach § 8 Abs. 2 BEinstG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2011, Zl. 2011/11/0142, mwN, verwiesen.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung erkennbar ausschließlich darauf, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, den Mitbeteiligten wegen der behaupteten, teilweise unstrittigen, Pflichtverletzungen zu ermahnen. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

2.2. Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte dennoch jedenfalls prüfen müssen, ob eine "Dienstpflichtverletzung" stattgefunden habe, ist zu entgegnen, dass - wie von der belangten Behörde ausgeführt - nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG die auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt worden sein müssen. Der Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung setzt dabei allerdings in der Regel eine Ermahnung des Arbeitnehmers voraus (vgl. das schon von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 96/08/0313, mwN, sowie das oben erwähnte Erkenntnis Zl. 2011/11/0142).

Dagegen bringt die Beschwerdeführerin ergänzend vor, es handle sich bei den von ihr ins Treffen geführten "Kündigungsgründen" um eine Vielzahl schwerwiegender Pflichtverstöße, welche über einen langen Zeitraum hinweg gesetzt worden seien, wobei diese Pflichtverstöße so gravierend gewesen seien, dass bei einem nicht behinderten Mitarbeiter keine Ermahnung erforderlich gewesen wäre, um die Kündigung auszusprechen. Angaben dazu, welche der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen eine derartige Schwere aufweist, um vom Erfordernis einer vorherigen Ermahnung absehen zu können (vgl. dazu den Beschluss des OGH vom 22. Oktober 2010, 9 ObA 40/10p), enthält die Beschwerde jedoch nicht.

2.3. Weiters vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, zur Auslegung sei "hier" (gemeint wohl: des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG) auch die Judikatur zu § 121 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) über den Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder heranzuziehen. Diesbezüglich genügt es jedoch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof gerade in dem von der Beschwerdeführerin selbst zitierten, zu dieser Bestimmung ergangenen Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 86/01/0153, ausgesprochen hat, dass eine beharrliche Pflichtverletzung erst dann gegeben ist, wenn das Betriebsratsmitglied trotz erfolgter Abmahnung durch den Dienstgeber die jeweilige Pflichtverletzung fortsetzt.

2.4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde schon zu Recht davon ausgehen konnte, es liege keine den Tatbestand des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG verwirklichende beharrliche Pflichtverletzung vor, erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zum nach § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG zusätzlichen Kündigungserfordernis der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin.

2.5. Dass die belangte Behörde im Beschwerdefall die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die Beschwerdeführerin als zumutbar angesehen und unter den gegebenen Verhältnissen der Schutzbedürftigkeit des Mitbeteiligten größeres Gewicht beigemessen hat, stellt keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Überschreitung des ihr durch das BEinstG eingeräumten Ermessensspielraumes dar.

3. Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. Mai 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte