Normen
B-VG Art20 Abs2, Art133 Z4, Art151 Abs38
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
BEinstG §8 Abs2, §13a ff, §19a Abs2a
B-VG Art20 Abs2, Art133 Z4, Art151 Abs38
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
BEinstG §8 Abs2, §13a ff, §19a Abs2a
Spruch:
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.1. Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit 22. Juni 2010 den zu G80/10 protokollierten Antrag, "den durch die Novelle BGBl. Nr. 313/1992 eingefügten §19a Abs2a erster Satz des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in eventu §8 Abs2 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1999, als verfassungswidrig aufzuheben". Begründend führte er dazu aus:
"1.1. Mit Bescheid des Behindertenausschusses für Vorarlberg, errichtet beim Bundessozialamt, Landesstelle Vorarlberg, vom 6. Februar 2007 wurde die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers gemäß §8 Abs2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) für den Fall erteilt, dass dieser gegenüber dem Dienstgeber nicht binnen 4 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides verbindlich erklärt, der Verringerung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden und der damit verbundenen aliquoten Lohnreduzierung zuzustimmen.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung erließ die Berufungskommission beim Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz den Bescheid vom 13. September 2007, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. Juni 2008, Zl. 2008/11/0048, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.
Im fortgesetzten Verfahren erließ die Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz den Bescheid vom 6. Juli 2009, mit dem sie die Berufung des Beschwerdeführers abwies. Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde angefochten und in dieser unter anderem eingewendet, dass der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als belangter Behörde keine Tribunalqualität im Sinne des Art6 EMRK zukomme.
1.2. …
2.1. Im Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof §8 Abs2 und §19a Abs2a erster Satz BEinstG anzuwenden.
Zunächst ist im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1991, VfSlg. 12933, davon auszugehen, dass §8 Abs2 BEinstG ein 'civil right' im Sinne des Art6 EMRK einräumt und die Betrauung einer Verwaltungsbehörde ohne Eröffnung des Zugangs zu einem Tribunal, das in der Sache entscheidet, unzulässig ist (sog. Kernbereich des traditionellen Zivilrechts).
2.2. Die für Fälle wie den vorliegenden gemäß §19a Abs2a erster Satz BEinstG zuständige Berufungskommission war ursprünglich als Tribunal eingerichtet, weil sie auch den Anforderungen des Art20 Abs2 B-VG - in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 - hinsichtlich der Weisungsfreiheit entsprach:
Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden (§13a zweiter Satz BEinstG), die jeweils aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen, wobei der Vorsitzende ein in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätiger oder tätig gewesener Richter des Dienststandes sein muss (§13b Abs1 leg. cit.). Die Mitglieder der Berufungskommission und ihre Stellvertreter sind für eine Amtsdauer von fünf Jahren zu berufen (§13b Abs3 leg. cit.), vor Ablauf der Bestelldauer kann ein Mitglied nur in den in §13c Abs1 BEinstG geregelten Fällen seines Amtes enthoben werden. Die Berufungskommission entscheidet in letzter Instanz, ihre Entscheidungen unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege (§13g Abs8 leg. cit.).
Beim Verwaltungsgerichtshof bestehen allerdings seit dem Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 Bedenken gegen die Annahme, dass die belangte Behörde (Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) weiterhin als Tribunal zu qualifizieren sei:
Mit BGBl. I Nr. 2/2008 wurde unter anderem Art20 Abs2 B-VG dahin geändert, dass seit dem Inkrafttreten dieser Novelle (1. Jänner 2008) näher umschriebene Organe von der Bindung an Weisungen der
ihnen vorgesetzten Organe 'durch Gesetz ... freigestellt werden'
können.
Nach der Z3 des genannten Artikels zählen zu diesen Organen auch solche, die zur Entscheidung in oberster Instanz kollegial eingerichtet sind, denen wenigstens ein Richter angehört und deren Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen (Diese Voraussetzungen treffen offenbar - §§13a ff BEinstG - auf die belangte Behörde zu).
Die genannte Verfassungsgesetznovelle scheint daher zur Folge zu haben, dass Mitglieder von sog. Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nicht mehr ex constitutione von Weisungen entbunden sind, sondern - ausdrücklich durch das Gesetz - weisungsfrei gestellt werden müssen, widrigenfalls ihre Weisungsfreiheit geendet hat (vgl. Wiederin in Lienbacher/Wielinger, Öffentliches Recht - Jahrbuch 2008, S. 53). Der Verfassungsgesetzgeber hat nämlich in die genannte Novelle keine Regelung aufgenommen, nach der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten B-VG-Novelle 2008 bereits eingerichtete, gemessen an der früheren Verfassungslage weisungsfreie Behörden - auch ohne ausdrückliche einfachgesetzliche Regelung - weisungsfrei blieben. Eine diesbezügliche Absicht des Verfassungsgesetzgebers wird auch in den Erläuterungen (RV 314 BlgNR XXIII. GP) nicht zum Ausdruck gebracht und kann auch dem Abänderungsantrag (AA-67 XXIII. GP) betreffend die Übergangsbestimmung des Art151 Abs38 B-VG, der eine Frist für die Anpassung (lediglich) an den letzten Satz des Art20 Abs2 B-VG (somit lediglich hinsichtlich des Aufsichtsrechts) vorsieht, nicht entnommen werden.
Daher kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung, ob eine vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 eingerichtete Kollegialbehörde auch nach dem Inkrafttreten dieser Novelle weisungsfrei ist, nicht einfach die außer Kraft getretene Fassung des Art20 Abs2 B-VG zu Grunde gelegt werden. Da sich die Weisungsfreistellung der nichtrichterlichen Mitglieder von Kollegialbehörden vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 ex constitutione bei Vorliegen bestimmter in Art20 Abs2 B-VG genannter Voraussetzungen ergab, hätte eine Aufrechterhaltung dieser verfassungsgesetzlich unmittelbaren Wirkung, die nach Art133 Z4 B-VG auch für einen Ausschluss von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes Bedeutung hat, einer positivrechtlichen Anordnung bedurft. So vertritt auch der Verfassungsgerichtshof beispielsweise bei Verordnungen, die auf der Grundlage einer früheren gesetzlichen Regelung erlassen wurden, nur dann die Auffassung, dass sie gesetzmäßig sind, wenn sie in der geänderten Gesetzeslage ihre Deckung finden.
Auch aus der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art20 Abs2 B-VG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 ist, soweit ersichtlich, keine Aussage erkennbar, wonach sich trotz des Wortlautes der zuletzt zitierten
Bestimmung ('Durch Gesetz können ... freigestellt werden') bei
Organen, die bislang ausschließlich unmittelbar auf Grund der Bundesverfassung (Art20 Abs2 B-VG in der Fassung vor der genanten Novelle) weisungsfrei gestellt waren, eine einfachgesetzliche Weisungsfreistellung erübrige. Zu dieser Frage ist insbesondere auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Dezember 2009, B103/09, nichts zu gewinnen, weil es dort um die rechtliche Stellung der Telekom-Control-Kommission ging, für die allerdings (gegenteilig zur Berufungskommission nach dem BEinstG) die Weisungsfreistellung ausdrücklich durch §116 Abs3 TKG 2003 einfachgesetzlich angeordnet ist.
Eine (einfache) Gesetzesbestimmung, durch welche die gemäß §13a BEinstG eingerichtete Berufungskommission weisungsfrei gestellt wird, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich und wurde im Übrigen auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Rahmen der ihnen gemäß §41 VwGG gebotenen Möglichkeit zur Äußerung nicht ins Treffen geführt. Beim Verwaltungsgerichtshof bestehen daher Bedenken, dass die Weisungsfreiheit der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr gegeben war und diese durch die Novelle BGBl. l Nr. 2/2008 ihren Tribunalcharakter verloren hat. Diese Meinung wird im Übrigen auch von der belangten Behörde geteilt.
2.3. Daran scheint auch Art151 Abs38 letzter Satz B-VG in der Fassung der genannten Novelle nichts zu ändern, weil die dort normierte Übergangsfrist (bis 31. Dezember 2009) nur die Anpassung an Art20 Abs2 letzter Satz B-VG (somit die Normierung des Aufsichtsrechts) erfasst (vgl. auch dazu Wiederin, aa0, FN 46).
Der Umstand, dass der Verfassungsgesetzgeber die Novelle BGBl. l Nr. 2/2008 hinsichtlich Art20 Abs2 B-VG nicht gänzlich ohne \bergangsbestimmungen in Kraft gesetzt hat (sowie der Umstand, dass diese - was die in Rede stehenden weisungsfreien Organe betrifft - nur das diesen Organen gegenüber auszuübende Aufsichtsrecht betreffen), bestärkt sogar die Bedenken, dass hinsichtlich jener Anforderungen an weisungsfreie Organe, für die keine Übergangsbestimmungen normiert sind - darunter auch die ausdrückliche Weisungsfreistellung durch das Gesetz - ein Wirksamwerden des neuen Regimes ohne Übergangsfrist stattfinden sollte.
Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang das von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführte Argument, es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass der Verfassungsgesetzgeber zwar für die Regelung der Aufsicht Übergangsbestimmungen vorgesehen hat, aber ungeachtet dessen für gerade die von der Übergangsbestimmung betroffenen Kollegialbehörden die Weisungsfreistellung habe beseitigen wollen. Die mitbeteiligte Partei übersieht nämlich, dass die in Rede stehende Übergangsbestimmung sämtliche sog. Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag betrifft, darunter auch solche, für die schon vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 eine Weisungsfreistellung auf einfachgesetzlicher Ebene normiert war. Daher ist der Übergangsbestimmung, auch wenn sie im gegebenen Zusammenhang bloß das Aufsichtsrecht der in Art20 Abs2 B-VG genannten Behörden regelt, keineswegs der Anwendungsbereich entzogen.
Zusammenfassend hegt der Verwaltungsgerichtshof daher Bedenken, dass das BEinstG hinsichtlich der Zulässigkeit der Kündigung eines begünstigten Behinderten die Entscheidung durch eine letztinstanzliche Behörde vorsieht, der seit dem Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 2/2008 mangels Weisungsfreistellung kein Tribunalcharakter (mehr) zukommt, was mit Art6 EMRK nicht vereinbar sein dürfte. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kann auch die Zulässigkeit der Anrufung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts daran nichts ändern.
2.4. Der Sitz dieser Verfassungswidrigkeit dürfte in §19a Abs2a erster Satz BEinstG liegen, weil diese Bestimmung für die genannten Entscheidungen die Zuständigkeit der Berufungskommission normiert, die nach dem Gesagten seit der B-VG-Novelle BGBl. l Nr. 2/2008 kein Tribunal mehr zu sein scheint.
Indes wird nicht übersehen, dass der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis VfSlg. 12933 den Sitz der Verfassungswidrigkeit in §8 Abs2 BEinstG erblickt hat, weil - damals - eine Aufhebung jener Bestimmung des BEinstG, welche die Zuständigkeit des Landeshauptmannes als Berufungsbehörde vorgesehen hat, im Hinblick auf den den Instanzenzug in der mittelbaren Bundesverwaltung regelnden Art103 Abs4 B-VG nicht zielführend gewesen wäre, zumal der Landeshauptmann auf Grund der letztgenannten Verfassungsbestimmung weiterhin Berufungsbehörde geblieben wäre.
Die letztgenannte Überlegung ist zwar nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die vorliegende Rechtslage übertragbar, weil die im BEinstG geregelten Angelegenheiten des Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter zwischenzeitig (vgl. die Verfassungsbestimmungen des Art1 Abs2, BGBl. Nr. 721/1988 und des Art. l BGBl. Nr. 313/1992) unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden können - der einfache Gesetzgeber hat in §12 Abs1 BEinstG die Zuständigkeit des Behindertenausschusses des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zur Entscheidung in Fällen des §8 BEinstG (Zustimmung zur Kündigung) vorgesehen -, sodass Art103 Abs4 B-VG in diesem Zusammenhang nicht mehr von Bedeutung sein dürfte. Sollte der Verfassungsgerichtshof dennoch den Sitz der Verfassungswidrigkeit (Verstoß gegen Art6 EMRK) in §8 Abs2 BEinstG sehen, so wird in eventu die Aufhebung der letztgenannten Bestimmung beantragt."
1.2. In den weiteren - zu G83/10 bis G85/10, G87/10, G91/10, G101/10, G102/10, G111/10 bis G115/10 sowie G199/10 protokollierten - Anträgen legte der Verwaltungsgerichtshof zunächst die diesen Anträgen zu Grunde liegenden Sachverhalte - bei denen es jeweils um die Bekämpfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides der Berufungskommission beim Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Kündigung gemäß §8 Abs2 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. 22/1970, (im Folgenden: BEinstG) idF vor der Novelle BGBl. I 81/2010, geht - dar und wiederholte sodann seine eben unter Punkt I.1.1. wiedergegebenen Bedenken.
2. Die Bundesregierung wies in ihrer Mitteilung vom 2. November 2010 darauf hin, dass "im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Änderung des §13a BEinstG durch die Novelle BGBl. I Nr. 81/2010" von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen werde.
3. Eine der zu G101/10 mitbeteiligten Parteien erstattete mit Schriftsatz vom 11. November 2010 eine Äußerung und beantragte, dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht Folge zu geben. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass mit der Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz (im Folgenden: B-VG) nicht beabsichtigt gewesen sei, einer ursprünglich als Tribunal eingerichteten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag ihre Tribunalsqualität abzuerkennen; zum selben Ergebnis gelange man auch auf Grund der Übergangsbestimmung und im Wege einer verfassungskonformen Interpretation. Darauf hingewiesen wurde ferner, dass die vom Verwaltungsgerichtshof begehrte Aufhebung erhebliche Staatshaftungsfolgen nach sich ziehen würde.
Mit Schriftsatz ebenfalls vom 11. November 2010 erstattete eine der zu G85/10 mitbeteiligten Parteien eine im Wesentlichen damit übereinstimmende Stellungnahme; dabei wurde die Abweisung des Verwaltungsgerichtshofsantrages beantragt, in eventu die Feststellung, dass die Verfassungswidrigkeit erst seit Auslaufen der Übergangsbestimmung bestehe.
In der zu G111/10 protokollierten Äußerung vom 23. November 2010 schloss sich eine der in diesem Verfahren mitbeteiligten Parteien den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes an. Ebenso schloss sich eine der mitbeteiligten Parteien in ihrer Äußerung vom 24. November 2010 diesen Bedenken im Verfahren zu G113/10 an.
II. Zur Rechtslage
1.1. Art20 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I 2/2008 lautet auszugsweise:
"Artikel 20.
(1) Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(2) Ist durch Bundes- oder Landesgesetz zur Entscheidung in oberster Instanz eine Kollegialbehörde eingesetzt worden, deren Bescheide nach der Vorschrift des Gesetzes nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und der wenigstens ein Richter angehört, so sind auch die übrigen Mitglieder dieser Kollegialbehörde in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.
..."
1.2. Art20 B-VG in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I 2/2008 und Art151 Abs38 leg.cit. lauten auszugsweise wie folgt:
"Artikel 20.
(1) Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe, ernannte berufsmäßige Organe oder vertraglich bestellte Organe die Verwaltung. Sie sind den ihnen vorgesetzten Organen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich und, soweit in Gesetzen gemäß Abs2 nicht anderes bestimmt ist, an deren Weisungen gebunden. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(2) Durch Gesetz können Organe
1. zur sachverständigen Prüfung,
2. zur Kontrolle der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie zur Kontrolle in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens,
3. zur Entscheidung in oberster Instanz, wenn sie kollegial eingerichtet sind, ihnen wenigstens ein Richter angehört und ihre Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen,
4. mit Schieds-, Vermittlungs- und Interessenvertretungsaufgaben,
5. zur Sicherung des Wettbewerbs und zur Durchführung der Wirtschaftsaufsicht,
6. zur Durchführung einzelner Angelegenheiten des Dienst- und Disziplinarrechts,
7. zur Durchführung und Leitung von Wahlen, oder,
8. soweit dies nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union geboten ist,
von der Bindung an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe freigestellt werden. Durch Landesverfassungsgesetz können weitere Kategorien weisungsfreier Organe geschaffen werden. Durch Gesetz ist ein der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen, zumindest das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung der weisungsfreien Organe zu unterrichten, und - soweit es sich nicht um Organe gemäß den Z2, 3 und 8 handelt - das Recht, weisungsfreie Organe aus wichtigem Grund abzuberufen.
...
Artikel 151.
...
(38) ... Art20 Abs1 und 2 ... in der Fassung des
Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Jänner
2008 in Kraft. Die zur Anpassung an die Art20 Abs2 letzter Satz und
... erforderlichen Bundes- und Landesgesetze sind spätestens bis zum
Ablauf des 31. Dezember 2009 zu erlassen.
..."
2.1. Mit der Novelle BGBl. 313/1992 zum BEinstG wurde die (in ihrer Konzeption mit Ausnahme des §13a leg.cit. [vgl. zu diesem die Punkte II.2.2. und insbesondere II.2.3.] durch nachfolgende Novellierungen nicht maßgeblich veränderte) Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichtet. Die maßgeblichen Bestimmungen lauteten wie folgt:
"Berufungskommission
§13a. Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird die Berufungskommission errichtet, die in den von diesem Bundesgesetz bestimmten Fällen (§19a Abs2a) zu entscheiden hat. Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Anzahl der Senate ist vom Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz nach Maßgabe der zu erledigenden Geschäftsfälle durch Verordnung zu bestimmen.
Besetzung
§13b. (1) Jeder Senat besteht aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende muß ein in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätiger oder tätig gewesener Richter des Dienststandes sein. Zwei Beisitzer werden von der Bundeskammer dergewerblichen Wirtschaft, ein Beisitzer wird von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und ein Beisitzer von der im §10 Abs1 Z6 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990, genannten Vereinigung entsendet. Hinsichtlich der Aufteilung des Entsendungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist §10 Abs2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Ein Bediensteter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales oder eines Landesinvalidenamtes hat als Schriftführer mitzuwirken.
(2) Für den Vorsitzenden und jeden Beisitzer ist ein Stellvertreter auf die gleiche Weise wie jene zu bestellen.
(3) Die Mitglieder der Berufungskommission und ihre Stellvertreter sind vom Bundesminister für Justiz für eine Amtsdauer von fünf Jahren zu berufen. Sie haben bei Ablauf dieser Amtsdauer ihr Amt bis zu dessen Wiederbesetzung auszuüben. Die neuerliche Berufung ist zulässig.
(4) Der Berufungskommission dürfen nur österreichische Staatsbürger angehören, die eigenberechtigt und in den Nationalrat wählbar sind. Mitglieder der Behindertenausschüsse sind von der Funktion in der Berufungskommission ausgeschlossen.
Enthebung
§13c. (1) Der Bundesminister für Justiz hat ein Mitglied der Berufungskommission seines Amtes zu entheben, wenn
1. bei einem Mitglied die Voraussetzungen für seine Bestellung nicht gegeben waren oder nachträglich wegfallen;
2. sich das Mitglied einer groben Verletzung oder dauernden Vernachlässigung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
3. das Mitglied selbst um seine Amtsenthebung ersucht.
Wird ein Mitglied seines Amtes enthoben, so ist solange sein Stellvertreter heranzuziehen, als kein neues Mitglied nach den Vorschriften des §13b berufen wird.
(2) Wird ein Mitglied seines Amtes enthoben, so hat die Organisation, die gegebenenfalls das seines Amtes enthobene Mitglied entsendet hat, innerhalb von zwei Monaten ab der Amtsenthebung ein neues Mitglied zu entsenden. Der Bundesminister für Justiz hat das neue Mitglied innerhalb von drei Monaten ab der Amtsenthebung nach den Vorschriften des §13b zu berufen. Wurde ein Mitglied aus dem Richterstand seines Amtes enthoben, so hat der Bundesminister für Justiz innerhalb von drei Monaten ab der Amtsenthebung einen Richter (§13b Abs1) zum neuen Mitglied zu berufen. Die Amtsdauer der neuen Mitglieder endet mit dem Ablauf der jeweils laufenden fünfjährigen Amtsdauer. Für die weitere Ausübung des Amtes und die Wiederberufung gilt §13b Abs3.
(3) Übt die dazu berechtigte Organisation ihr Entsendungsrecht nicht innerhalb von zwei Monaten aus, so hat der Bundesminister für Justiz einen Richter (§13b Abs1) als Ersatz zu bestellen. Dessen Amtsdauer endet, sobald die Organisation die Entsendung nachholt.
(4) Die Bestimmungen für die Amtsenthebung der Mitglieder gelten in gleicher Weise für ihre Stellvertreter.
§13d. (1) Die in der Berufungskommission tätigen Richter erhalten eine Entschädigung, deren Höhe vom Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz und mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen festgesetzt wird. Die übrigen Mitglieder der Berufungskommission üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Ihnen gebührt der Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie die allfällige Entschädigung für Zeitversäumnis entsprechend der Bestimmung des §10 Abs4. Diese Regelung gilt auch für die Stellvertreter der Mitglieder.
(2) Die Bemessung der nach Abs1 gebührenden Entschädigungen und Ersätze obliegt dem Bundesminister für Arbeit und Soziales.
§13e. (1) Die Einberufung der Senate zur Verhandlung und Beratung erfolgt durch den Vorsitzenden unter Bedachtnahme auf eine möglichst umgehende Erledigung der Berufungen.
(2) Die Senate fassen ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Vorsitzende gibt seine Stimme zuletzt ab; Stimmenthaltungen sind nicht zulässig.
(3) Über die Beratung und Abstimmung ist ein Protokoll zu führen. Es ist vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigen. Eine Abschrift des Protokolls ist allen Mitgliedern des Senates zu übermitteln.
Geschäftsordnung, Geschäftsverteilung
§13f. (1) Die Leitung der Berufungskommission obliegt, soweit nicht die Beschlußfassung Senaten vorbehalten ist, dem an Dienstjahren als Richter ältesten Vorsitzenden.
(2) Zur Führung der laufenden Geschäfte, insbesondere zur Vorbereitung der Verhandlungen, Führung der Beratungs- und Abstimmungsprotokolle, Durchführung der Beschlüsse und Besorgung der Kanzleigeschäfte ist bei der Berufungskommission ein Büro einzurichten, das von einem rechtskundigen Beamten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geleitet wird. Dem Leiter des Büros obliegt es auch, die einschlägigen Entscheidungen und das einschlägige Schrifttum in Evidenz zu halten.
(3) Bestehen mehrere Senate, so haben die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter die Geschäftsverteilung jeweils im vorhinein für das nächste Kalenderjahr zu erlassen. Bei der Verteilung der Geschäfte ist auf eine möglichst gleichmäßige Auslastung aller Senate Bedacht zu nehmen. Jedes Mitglied der Berufungskommission kann mehreren Senaten angehören.
(4) Die Namen der Senatsmitglieder und ihrer Stellvertreter sowie die Geschäftsverteilung sind in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales kundzumachen.
Besondere Verfahrensbestimmungen
§13g. (1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zur Verhandlung sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen. Trotz des Verzichtes der Parteien kann eine Verhandlung durchgeführt werden, wenn der Senat es für erforderlich erachtet.
(3) Die Anordnung einer Verhandlung obliegt dem Vorsitzenden. Er eröffnet, leitet und schließt die Verhandlung und handhabt die Sitzungspolizei. Er verkündet die Beschlüsse des Senates und unterfertigt deren schriftliche Ausfertigungen.
(4) Für den Ausschluß der Öffentlichkeit von der Verhandlung ist §67e des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 anzuwenden.
(5) Hat eine Verhandlung stattgefunden, so kann die Entscheidung nur von jenen Mitgliedern des Senates getroffen werden, die an dieser Verhandlung teilgenommen haben. Wenn sich die Zusammensetzung des Senates geändert hat, ist die Verhandlung zu wiederholen.
(6) Die Beratung und Abstimmung des Senates sind nicht öffentlich.
(7) Der Bescheid und seine wesentliche Begründung sind auf Grund der Verhandlung, tunlichst sogleich nach deren Ende, zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Überdies ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen. Kann der Bescheid nicht öffentlich verkündet werden, so ist er der schriftlichen Ausfertigung vorzubehalten, die innerhalb von vier Wochen nach dem Ende der Verhandlung erfolgen soll. Der Bescheid hat diesfalls für die Dauer von drei Monaten ab der schriftlichen Ausfertigung für jedermann zur Einsichtnahme aufzuliegen.
(8) Entscheidungen der Berufungskommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig."
2.2. Die für die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes (bzw. für die diesen Anträgen zu Grunde liegenden Beschwerdeverfahren) maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG lauten auszugsweise (der primär angefochtene §19a Abs2a erster Satz leg.cit. und der eventualiter angefochtene §8 Abs2 leg.cit. sind hervorgehoben):
"Kündigung
§8. (1) ...
(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß (§12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
...
Berufungskommission
§13a. Beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird die Berufungskommission errichtet, die in den von diesem Bundesgesetz bestimmten Fällen (§19a Abs2a) zu entscheiden hat. Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Anzahl der Senate ist vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz nach Maßgabe der zu erledigenden Geschäftsfälle durch Verordnung zu bestimmen.
...
Rechtsmittel
§19a.
...
(2a) Über Berufungen gegen Bescheide des Behindertenausschusses (§8) entscheidet die Berufungskommission. ...
..."
2.3. Der am 1. September 2010 in Kraft getretene §13a BEinstG idF der Novelle BGBl. I 81/2010 lautet:
"Berufungskommission
§13a. (1) Beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird die Berufungskommission errichtet, die in den von diesem Bundesgesetz bestimmten Fällen (§19a Abs2a) zu entscheiden hat. Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Anzahl der Senate ist vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz nach Maßgabe der zu erledigenden Geschäftsfälle durch Verordnung zu bestimmen.
(2) Die Mitglieder der Berufungskommission sind gemäß Art20 Abs2 B-VG bei der Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.
(3) Die Berufungskommission unterliegt der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann sich im Rahmen seines Aufsichtrechtes von der Berufungskommission über alle Gegenstände der Geschäftsführung unterrichten lassen."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:
1. Zulässigkeit:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Dass der Verwaltungsgerichtshof - wie dieser in seinen Anträgen festhält (s. Punkt I.1.1.) - die von ihm angefochtenen Bestimmungen anzuwenden hat, ist jedenfalls denkmöglich. Da auch sonst alle notwendigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Auf das Wesentliche zusammengefasst vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass das BEinstG hinsichtlich der Zulässigkeit der Kündigung eines sogenannten "begünstigten Behinderten" (vgl. §2 BEinstG) - und somit hinsichtlich einer Angelegenheit im sogenannten Kernbereich des traditionellen Zivilrechtes iSd Art6 EMRK - die Entscheidung durch die Berufungskommission als letztinstanzliche Behörde vorsehe, der seit der Novellierung des Art20 Abs2 B-VG durch BGBl. I 2/2008 mangels einfachgesetzlicher Weisungsfreistellung kein Tribunalcharakter mehr zukomme.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag diese Bedenken aus den nachfolgenden Gründen nicht zu teilen:
2.3.1. Mit der unter Punkt II.2.1. dargestellten Novelle BGBl. 313/1992 richtete der Gesetzgeber die Berufungskommission zur Entscheidung über die Kündigung eines begünstigten Behinderten ein. Die Berufungskommission hat in Senaten aus jeweils einem Vorsitzenden und vier Beisitzern zu entscheiden, wobei der Vorsitzende ein in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätiger oder tätig gewesener Richter des Dienststandes sein muss. Die Mitglieder der Berufungskommission und ihre Stellvertreter sind vom Bundesminister für Justiz für eine Amtsdauer von fünf Jahren zu berufen; eine neuerliche Berufung ist zulässig. Vor Ablauf der Bestelldauer kann ein Mitglied nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen seines Amtes enthoben werden. Die Berufungskommission entscheidet - in der Regel nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - in letzter Instanz, ihre Entscheidungen unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege; die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig.
Die Berufungskommission war vor diesem rechtlichen Hintergrund - was auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen nicht in Abrede stellt - jedenfalls bis zur Verfassungsnovelle BGBl. I 2/2008 unzweifelhaft als weisungsungebundene Kollegialbehörde iSd Art20 Abs2 B-VG iVm Art133 Z4 B-VG konzipiert und erfüllte als Tribunal die Anforderungen des Art6 EMRK (vgl. dazu etwa auch Ernst, Änderung des Instanzenzuges im Kündigungsverfahren nach Behinderteneinstellungsgesetz, RdA 1992, 407; Fritscher/Hofer, Die Berufungskommission nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, RdA 1996, 112; Kerschbaumer, Behindertenausschuss und Berufungskommission, Die Entscheidungspraxis des Behindertenausschusses und der Berufungskommission nach dem BEinstG, ZAS 2010, 199).
2.3.2. Fraglich erscheint dem Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen, ob die Berufungskommission nach der Novellierung des Art20 Abs2 B-VG durch die Verfassungsnovelle BGBl. I 2/2008 noch den Anforderungen des Art6 EMRK entspricht, da "Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nicht mehr ex constitutione von Weisungen entbunden sind, sondern - ausdrücklich durch das Gesetz - weisungsfrei gestellt werden müssen, widrigenfalls ihre Weisungsfreiheit geendet hat". Der Verwaltungsgerichtshof geht somit davon aus, dass die Berufungskommission mit Inkrafttreten des Art20 Abs2 B-VG idF der Novelle BGBl. I 2/2008 (also seit 1. Jänner 2008) verfassungswidrig geworden sei, da zum damaligen Zeitpunkt eine explizite Weisungsfreistellung nicht erfolgt sei.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Mitteilung vom 2. November 2010 lediglich auf die mittlerweile erfolgte Änderung des §13a BEinstG durch die Novelle BGBl. I 81/2010.
Im Besonderen Teil der Erläuterungen zu dieser Änderung wird zu "Artikel 1 (Änderungen des Behinderteneinstellungsgesetzes)" festgehalten, dass die Neufassung der genannten Bestimmung der "Klarstellung" diene, "dass die Mitglieder der Berufungskommission gemäß §13a BEinstG weiterhin weisungsfrei gestellt sind" (RV 770 BlgNR 24. GP, 3).
2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die wiedergegebene Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht; aus der Neufassung des Art20 Abs2 B-VG ist nicht zu schließen, dass der Verfassungsgesetzgeber bestehende Weisungsfreistellungen bereits weisungsunabhängig eingerichteter Kollegialbehörden mit sofortiger Wirkung beseitigen wollte.
Zweck der Neuregelung des Art20 Abs2 B-VG, idF der B-VGN BGBl. I 2/2008, war es, pro futuro unter den dort genannten Voraussetzungen - über die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag hinaus - die Einrichtung weisungsfreier Verwaltungsorgane durch einfaches Gesetz zu ermöglichen. Durch die Einbeziehung des Typus der Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag in den Katalog des Art20 Abs2 neu (s. dessen Z3) wird hingegen nicht bewirkt, dass die ex constitutione vorgesehene Weisungsfreiheit derartiger Behörden, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung eingerichtet worden waren, beseitigt wird.
Was die Übergangsbestimmung des Art151 Abs38 B-VG betrifft, so kann daraus - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - für die Frage der Weisungsfreistellung nichts gewonnen werden, da diese Regelung bloß - und wie der Verfassungsgerichtshof meint:
bewusst nur - das Aufsichtsrecht betrifft. Auch das Fehlen einer eigenen Übergangsregelung für die Weisungsfreistellung gleich jener betreffend das Aufsichtsrecht spricht im Gegenteil sogar dafür, dass es dem Verfassungsgesetzgeber bei der Novellierung des Abs2 des Art20 B-VG offenbar gar nicht in den Sinn gekommen ist, es müssten bislang ex constitutione weisungsfrei gestellte Behörden zum Erhalt ihrer Weisungsfreistellung nunmehr zusätzlich durch einfaches Gesetz weisungsfrei gestellt werden (vgl. in diesem Sinne auch Fischerlehner, Weisungsfreie Verwaltungsbehörden nach Art20 B-VG idF der B-VGN 2008, JBl 2010, 417). Diese Sicht wird auch durch die zitierten Erläuterungen zur Neufassung des §13a BEinstG durch die Novelle BGBl. I 81/2010 bekräftigt.
Das in den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes angeführte, auf Art18 B-VG gegründete Argument, wonach Verordnungen, um gesetzesmäßig zu sein, auch in einer geänderten Gesetzeslage ihre Deckung finden müssen, ist auf die vorliegende Problematik nicht übertragbar, handelt es sich hier doch nicht um eine Frage des Stufenbaues der Rechtsordnung, sondern um die Frage, ob eine (offenbar zukunftsbezogene) Umstellung des Systems der Weisungsfreistellung hin zu einer Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers zwingend die Verfassungswidrigkeit einfachgesetzlicher Normen nach sich zieht.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Da die vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen aufgeworfenen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen somit nicht zutreffen, waren die Anträge abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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