VwGH 2008/04/0208

VwGH2008/04/020822.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. des X und 2. der Y - G. m.b.H., beide in Z, beide vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 27/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. September 2008, Zlen. UVS-06/22/5693/2008-3 und UVS- 06/V/22/6396/2008-3, betreffend Übertretung des Elektrotechnikgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2;
AVG §10;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §10 Abs2;
AVG §10;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Juni 2008 wurde unter Spruchpunkt I. über den Erstbeschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufenen der Zweitbeschwerdeführerin wegen Übertretung des § 9 Abs. 3 iVm § 3 Abs. 1 und 2 Elektrotechnikgesetz 1992 (unterlassene Befolgung eines behördlichen Auftrages zur Behebung von Mängeln einer näher bezeichneten elektrischen Anlage) eine Geldstrafe von EUR 560,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und gleichzeitig gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Mit Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand für die genannte Geldstrafe und die erwähnten Kosten hafte.

Dagegen richtete sich die mit Schriftsatz vom 20. Juli 2008 erhobene (und durch Telefax übermittelte) Berufung, die "in Vollmacht beider Beschuldigter bzw. Haftungspflichtiger" eingebracht wurde und der zwei Vollmachten - jeweils für den Bevollmächtigten A.W. - angeschlossen waren. Die Berufung ist augenscheinlich durch den genannten A.W. unterfertigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die genannte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

In der Begründung gab sie die "laut maschinschriftlicher Angabe vom (Erstbeschwerdeführer) unterfertigte Vollmacht" wieder, nach welcher der genannte A.W. als Immobilienverwalter bevollmächtigt wird, den Erstbeschwerdeführer (u.a.) "in allen Angelegenheiten, die Verwaltung der Liegenschaft mit sich bringt, mich (uns) zu vertreten besonders vor Behörden (Gerichten, Baubehörden, Finanzbehörden, Schlichtungsstellen usw.)". Die von der Zweitbeschwerdeführerin erteilte Vollmacht habe einen ähnlichen Wortlaut. Da es sich bei den erwähnten Vollmachten um Hausverwaltervollmachten handle, die nach Ansicht der belangten Behörde ihrem Wortlaut nach nicht zur Vertretung im Verwaltungsstrafverfahren berechtigten und die Vollmachten außerdem nicht im Original vorlägen, sondern als Kopien mit undeutlich lesbaren Unterschriften, habe die belangte Behörde dem A.W. mit Schreiben vom 12. August 2008 unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, die erteilte Vollmacht binnen zwei Wochen vorzulegen, und für den Fall der Nichtbefolgung dieses Auftrages die Zurückweisung der Berufung angekündigt. Dieser Verbesserungsauftrag sei dem A.W. am 18. August 2008 nachweislich zugestellt worden, dieser habe aber keine Vollmacht vorgelegt.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtslage aus, im Hinblick auf die Nichtbefolgung des Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG habe A.W. nicht glaubhaft gemacht, dass er zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung zur Vertretung der beiden Beschwerdeführer berechtigt gewesen sei. Die Berufung sei daher dem A.W. zuzurechnen, dem jedoch im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren keine Parteistellung zukomme, sodass die Berufung ohne Eingehen auf das Berufungsvorbringen als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende gemeinsame Beschwerde der beiden Beschwerdeführer, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und auf eine Gegenschrift verzichtet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beschuldigter des mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Juni 2008 erledigten Verwaltungsstrafverfahrens war der Erstbeschwerdeführer, die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft ist nach § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand Haftungspflichtige. Die beiden Beschwerdeführer sind gemäß § 32 VStG bzw. § 9 Abs. 7 VStG iVm § 8 AVG Parteien dieses Verwaltungsstrafverfahrens und waren daher zur Erhebung einer Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 24 VStG iVm § 63 AVG legitimiert.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Zurechnung der im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Berufung an die Beschwerdeführer oder den in ihrem Namen einschreitenden Bevollmächtigten A.W. Die Beschwerdeführer, die behaupten, die verfahrensgegenständliche Berufung sei ihnen zuzurechnen, können durch den angefochtenen Bescheid, in dem die verfahrensgegenständliche Berufung dem einschreitenden Bevollmächtigten A.W. zugerechnet wurde, in einem subjektivöffentlichen Recht verletzt sein (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2009/05/0333, sowie ferner etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119 = VwSlg 11.625/A, oder vom 26. Juni 2002, Zl. 2001/04/0209).

2. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG hätte an die Parteien des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens, somit an die beiden Beschwerdeführer und nicht an den genannten A.W., gerichtet werden müssen, so ist ihr die ständige (etwa bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E. 82 f. zu § 10 AVG referierte) hg. Judikatur entgegen zu halten, nach der die Eingabe bis zum Nachweis der Bevollmächtigung dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen ist, sodass der Mängelbehebungsauftrag an diesen zu richten und ihm zuzustellen ist.

Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde Zweifel an der Vertretungsbefugnis des A.W., weil sie einerseits das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren vom Wortlaut der Vollmacht nicht als erfasst angesehen hat, und weil sie andererseits die Vollmachten mangels lesbarer Unterschriften nicht eindeutig den Beschwerdeführern zurechnen konnte. Dies nahm die belangte Behörde zum Anlass für einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG.

Die Beschwerde wendet u.a. ein, in diesem Verbesserungsauftrag sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die Unterschriften auf den mit der Berufung vorgelegten Vollmachten schlecht lesbar und die Vollmachten daher im Original vorzulegen seien.

Gemäß § 10 Abs. 2 AVG (hier: in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008) richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 3 AVG hat die belangte Behörde im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Rz. 29 zu § 13, sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. September 2009, Zl. 2009/04/0153, und vom 27. März 2007, Zl. 2005/11/0216). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zwar im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht nur Zweifel über den Umfang der in Rede stehenden Vollmachten, sondern - mangels Vorliegens der Originale dieser (mit Telefax vorgelegten) Vollmachten und mangels eindeutiger Lesbarkeit der Unterschriften - auch Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Vollmachten habe, sodass sie den genannten Verbesserungsauftrag erlassen habe.

Demgegenüber ist in dem im Akt erliegenden Verbesserungsauftrag vom 12. August 2008 weder angeführt, dass die Originale der bereits mit Telefax vorgelegten (oder allfälliger zusätzlicher) Vollmachten vorzulegen seien, noch aufgrund welcher Umstände (mangelnde Lesbarkeit der Unterschriften) dies nach Rechtsansicht der belangten Behörde erforderlich sei. Vielmehr wird in diesem Verbesserungsauftrag darauf hingewiesen, dass lediglich unter den (hier offenbar nicht vorliegenden) Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AVG von einer Vollmacht abgesehen werden könne und daher im vorliegenden Verfahren die erteilte Vollmacht vorzulegen sei.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlichen Berufung bereits zwei Vollmachten angeschlossen waren, genügt der genannte Verbesserungsauftrag den Anforderungen der erwähnten Judikatur hinsichtlich der Konkretisierung und Unmissverständlichkeit eines solchen Auftrages nicht, zumal der Einschreiter aus dem Verbesserungsauftrag nicht erkennen konnte, welche anderen Unterlagen als jene mit der Berufung bereits vorgelegten beizubringen gewesen wären. So hat die belangte Behörde auch nicht ausdrücklich die Vorlage anderer Vollmachten als die offenbar von ihr inhaltlich als nicht als ausreichend erachteten (im angefochtenen Bescheid als "Hausverwaltervollmachten" bezeichneten) Vollmachten verlangt.

Der auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte angefochtene Bescheid beruht daher nicht auf einem mängelfreien Verfahren, weil ihm kein dem Gesetz entsprechender Verbesserungsauftrag vorausging, und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da die Umsatzsteuer bereits in den Beträgen der genannten Verordnung enthalten ist, war das Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2012

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