VwGH 2010/12/0049

VwGH2010/12/004930.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des K G in G, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in 8011 Graz, Herrengasse 28, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. Jänner 2010, Zl. Präs.28731/2009-6, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand nach § 47 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO Graz), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs3;
DGO Graz 1957 §47 Abs1 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §47 Abs2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §48 idF 1996/046;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
DGO Graz 1957 §47 Abs1 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §47 Abs2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §48 idF 1996/046;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1960 geborene Beschwerdeführer wurde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 3. August 2009 "wegen Dienstunfähigkeit, von Amts wegen, mit Ablauf des 31.8.2009 in den Ruhestand versetzt". Mit dem gleichen Zeitpunkt werde die Auszahlung der Aktivbezüge eingestellt. Eine Zurechnung von Jahren für die Ruhegenussbemessung erfolge nicht. Der Ruhegenuss werde - unter Berücksichtigung der vom Gemeinderat beschlossenen Vorschussanordnung - mit Wirksamkeit vom 1. September d.J. mit einer Höhe von monatlich EUR 1.031,89 (brutto) festgesetzt.

Begründend führte dieser Bescheid aus, laut schlüssigem Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Dr. H, vom 28. Dezember 2008 bestünden beim Beschwerdeführer im Wesentlichen ein unteres Cervikalsyndrom geringen Grades, ein Ellennerven-Engpass Syndrom rechts mit kraftgemindertem Faustschluss und Gefühlsstörung am IV. und V. Finger der rechten Hand, eine beginnende Dupuytren'sche Kontraktur am III. und IV. Finger rechts bzw. II. und III. Finger links, eine flache Seitverbiegung der Wirbelsäule, geringe Aufbrauch- und Abnützungserscheinungen der Lendenwirbelsäule, chronische Lendenwirbelbeschwerden und ein mäßiger Senk-Spreizfuß beidseits. Ihm seien aus fachorthopädischer Sicht nur mehr Arbeiten leichten und mittelschweren Grades im Gehen, Stehen und Sitzen unter Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Arbeitszeiten und Ruhepausen zumutbar. Ausgenommen davon seien Arbeiten in und aus gebückter Körperhaltung sowie vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung, die bei gerechter Verteilung auf ein Drittel des Arbeitstages beschränkt werden müssten. Das Heben und Tragen leichter und mittelschwerer Lasten sei im vollen Umfang möglich, schwere Lasten schieden aus.

Der Beschwerdeführer sei im Kanalbauamt im Kanalreinigungsdienst beschäftigt. Diese Tätigkeit sei mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten sowie auch mit Arbeiten in gebückter Körperhaltung verbunden. Aus fachorthopädischer Sicht seien ihm nur mehr Arbeiten leichten und mittelschweren Charakters zumutbar. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei nicht zumutbar, Arbeiten in gebückter Körperhaltung seien nur bis zu einem Drittel der Tagesarbeitszeit zumutbar, daher könne er seine dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen. Ein zumindest gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande sei und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne, habe ihm nicht zugewiesen werden können. Es liege dauernde Dienstunfähigkeit vor und er sei gemäß § 47 Abs. 1 DO Graz in den Ruhestand zu versetzen gewesen.

Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer doch nicht erwerbsunfähig, da ihm Tätigkeiten, die seinem medizinischen Leistungskalkül entsprächen (z.B. Bürobote), durchaus zumutbar seien. Eine Zurechnung von Jahren gemäß § 52 Abs. 3 DO Graz scheide aus, da der Beschwerdeführer nicht zu einem zumutbaren Erwerb unfähig sei.

Weiters legte die Begründung dieses Bescheides die rechnerische Ermittlung des Ruhegenusses dar.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass kein gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hätte werden können. Faktum sei - und dies habe der Beschwerdeführer auch mehrmals dargelegt - , dass er zu Umschulungen bereit gewesen wäre und er habe aus eigener Erfahrung berichten können, dass mehrfach bestimmte Bürotätigkeiten für ihn in Frage gekommen wären, die noch nach Evidentwerden des gegenständlichen Problems mit jungen Mitarbeitern ausgefüllt worden seien. Es bestehe aber nach wie vor Bedarf. Das Personalamt selbst gebe in der Begründung zu, dass der Beschwerdeführer jedenfalls als Bürobote geeignet sei. Er fühle sich in der Lage, auch gehobene Bürotätigkeiten durchführen zu können und wäre zu einer Umschulung bereit. In diesem Zusammenhang liege auch ein Begründungsfehler vor. Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche konkreten Aufgaben in Betracht kämen und aus welchen Gründen konkrete Aufgaben bzw. Posten nicht durch den Beschwerdeführer besetzt werden könnten. Da im Ergebnis die Voraussetzungen nach § 47 Abs. 1 DO Graz nicht erfüllt seien, sei die Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig.

Im Übrigen bemängelte der Beschwerdeführer die Ermittlung des Ruhegenusses als unrichtig.

Das Präsidialamt des Magistrates holte ein berufskundliches Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage ein, ob für den Beschwerdeführer ausschließlich Dienstunfähigkeit als Kanalarbeiter oder auch Erwerbsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben sei, ein. Der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Arbeitstechnik und Berufskunde, C H, führte in seinem berufskundlichen Sachverständigengutachten vom 6. Oktober 2009 u.a. aus (Schreibungen im Original, Anonym. durch den VwGH - dies auch im Folgenden):

" Medizinisches Leistungskalkül des (Beschwerdeführers):

Nach Ansicht des ärztlichen Sachverständigen sind Herrn B im Freien sowie in geschlossenen Räumen zwar keine schweren, jedoch weiterhin leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten und ebensolche Hebe- und Tragearbeiten zumutbar.

Die Tätigkeiten können im Sitzen, Stehen und Gehen ausgeführt werden. Arbeiten in und aus gebückter sowie vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung sind - bei gleichmäßiger Verteilung - auf ein Drittel eines Arbeitstages zu beschränken. Im Übrigen ist das Leistungskalkül offensichtlich unabhängig von der Beschaffenheit des Bodens und der Örtlichkeit. Der Anmarschweg zur Arbeit ist außer Acht zu lassen.

Die Fingergeschicklichkeit und das Feingefühl der Hände sind

offensichtlich erhalten.

Zur Frage der Verweisbarkeit:

Kann von dem Obg. die Verrichtung von seinem medizinischen Restleistungsvermögen entsprechenden Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwartet werden?

Ja. (Dem Beschwerdeführer) wäre aus berufskundlicher Sicht trotz seines eingeschränkten Leistungskalküls in der Lage Tätigkeiten als Parkraumüberwacher, Wächter, Aufsehers, Bürohilfskraft, Tankwart, Zustellers, Botengänger im innerbetrieblichen Bereich u.ä.m. auszuüben.

Solche Arbeitsplätze existieren in ausreichender Anzahl (je > 100) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wobei die konkrete Vermittelbarkeit auf einen solchen Arbeitsplatz nach der ständigen Rechtsprechung außer Betracht zu bleiben hat.

…"

Mit Erledigung vom 12. Oktober 2009 räumte das Präsidialamt dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers hiezu Gehör ein, der in seiner Stellungnahme, datiert mit 4. Oktober (richtig wohl November) d.J. vorbrachte, das Gutachten sei insofern widersprüchlich, als der Sachverständige nach der Überschrift "Medizinisches Leistungskalkül" von einem Herrn B spreche. Anscheinend habe der Sachverstände ein anderes Gutachten in das gegenständliche "reinkopiert". Es sei daher nicht klar, wann in weiterer Folge der Sachverständige vom Beschwerdeführer oder von einem Herrn B spreche. Dieser Missstand sei aufzuklären. Weiters verwechsle der Sachverständige den gegenständlichen Fall mit einem sozialversicherungsrechtlichen Prozess. Fragen der Verweisung auf ein anderes Berufsfeld stellten sich im gegenständlichen Verfahren nicht. Sehr wohl gehe aus dem Kontext des Gutachtens hervor, dass - sollte damit der Beschwerdeführer gemeint sein - dieser durchaus in der Lage sei, ein breites Feld an Berufen abzudecken, die sicherlich auch innerhalb des Magistrates der Landeshauptstadt Graz angeboten würden. Es sei nicht nur das berufliche Leistungskalkül des Beschwerdeführers auszuleiten, sondern insbesondere auch zu prüfen, inwieweit innerhalb des Magistrates andere Berufsfelder für den Beschwerdeführer in Frage kämen. Damit habe sich der Sachverständige in keiner Weise auseinandergesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde wie folgt ab:

"Der Berufung ... gegen den Bescheid des Stadtsenates der

Landeshauptstadt Graz vom 3.8.2009 … wird gem. § 66 Abs. 4 … AVG iVm § 1 … DVG und § 47 Abs. 1 und 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl Nr. 30/1957 idF LGBl Nr. 38/2009

stattgegeben.

Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass (der Beschwerdeführer) gem. § 47 Abs. 1 und 2 DO mit Ablauf des 31. Jänner 2010 in den Ruhestand versetzt wird und der Stadtsenat entsprechend des Termins der Zustellung dieses Bescheides die Höhe des Ruhegenusses neu festsetzen wird."

In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensganges folgende Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes:

"Der (Beschwerdeführer), geb. am 7.4.1960, ist im Kanalbauamt im Kanalreinigungsdienst als Spezialfacharbeiter auf einem Dienstposten I/2/III beschäftigt.

Aus der Stellungnahme des Kanalbauamtes vom 30.1.2009 geht hervor, dass bei den Tätigkeiten im Kanalreinigungsdienst das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie das Arbeiten in gebückter Haltung zum regelmäßigen Tätigkeitsbereich zählt und dass es sich bei Arbeiten im Kanalreinigungsbereich um gefährliche Arbeiten handelt.

In medizinischer Hinsicht wird ausgeführt:

Beim (Beschwerdeführer) besteht ein unteres Cervikalsyndrom geringen Grades ohne manifeste Neurologie, ein Ellennerven-Engpass-Syndrom rechts mit kraftgeminderten Faustschluss und Gefühlsstörung am vierten und fünftes Finger der rechten Hand, eine beginnende Dupuytren'sche Kontraktur III. und IV: Finger rechts beziehungsweise II. und III. Finger links - ohne Funktionseinbuße, eine flache Seitverbiegung der Wirbelsäule, geringe Aufbrauch- und Abnützungserscheinungen der Lendenwirbelsäule, chronische Lendenwirbelbeschwerden - ohne Hinweis auf segmentale Nervenwurzelirritation beziehungsweise Kompression und ein mäßiger Senk-Spreizfuß beidseits, der keine belastungsabhängigen Beschwerden erzeugt. Dem (Beschwerdeführer) sind aus fachorthopädischer Sicht daher nur mehr Arbeiten leichten und mittelschweren Charakters im Gehen, Sitzen oder Stehen zumutbar.

Arbeiten im und aus gebückter Körperhaltung sowie vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung müssen bei gerechter Verteilung auf ein Drittel eines Arbeitstages beschränkt werden.

Das Heben und Tragen leichter und mittelschwerer Lasten ist im vollen Umfang möglich, schwere Lasten scheiden aber aus.

Die belastungsabhängigen Beschwerden der Lendenwirbelsäule beruhen auf degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates und können durch konsequente medikamentöse und ambulante physikalische Maßnahmen in ihrer Schmerzintensität gelindert und gebessert werden. Eine vollkommene Wiederherstellung ist aber auf Grund der Ätiologie der Erkrankung nicht zu erwarten.

Auch wenn die bestehenden Leiden ursächlich auf degenerative Veränderungen zurückzuführen sind, ist davon auszugehen, dass die vorgeneigte und gebückte Arbeitshaltung, wie sie typisch für Kanalbauarbeiten ist, so wie ruckartiges Anheben schwerer Lasten, das bestehende Leiden verstärkt haben.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde im Schreiben vom 30.3.2009 ausgeführt, dass der (Beschwerdeführer) sehr wohl gesundheitlich in der Lage wäre, seinen dienstlichen Tätigkeiten nachzugehen. Auch im Schreiben vom 16.6.2009 bestätigte er, dass er medizinischerseits seine dienstlichen Aufgaben erfüllen könne.

Dazu ist auszuführen, dass für die medizinischen Feststellungen ausschließlich ein entsprechendes Sachverständigengutachten heranzuziehen ist, da hiefür eine entsprechende objektive Fachkunde erforderlich ist, subjektive Einschätzungen über den Gesundheitszustand vermögen diese medizinische Fachkunde nicht zu ersetzen; ein anderslautendes privates medizinisches Gutachten wurde nicht vorgelegt.

Die getroffenen Feststellungen gründen daher in dem präzisen, schlüssigen und umfassenden Gutachten des bereits von der Behörde erster Instanz bestellten Facharztes für Orthopädie und gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. H vom 28.12.2008.

Die Feststellungen waren auch Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides, dem Parteiengehör ist damit entsprochen.

Das allgemeine Anforderungsprofil im Kanalreinigungsdienst gründet auf die Stellungnahme der im Verfahren zur Objektivität verpflichteten und sachkundigen Amtsleitung des Kanalbauamtes vom 30.1.2009. Dieser Stellungnahme wird im Rahmen des Beweisverfahrens volle Beweiskraft zuerkannt. Sie wurde in der Berufung nicht angezweifelt. Da diese Stellungnahme der Amtsleitung im erstinstanzlichen Bescheid in die Feststellungen übernommen wurde, wurde dem Parteiengehör entsprochen.

Zur Frage eines Verweisungsarbeitsplatzes wird ausgeführt:

Das Personalamt hat bei allen Ämtern, in denen Bedienstete der Verwendungsgruppe 2 (entsprechend der Einstufung des (Beschwerdeführers)) verwendet werden, Erhebungen durchgeführt.

Dies ergab folgendes:

Zentralküche: Soll-Stand 2, Ist-Stand 1, der freie Dienstposten wird aber amtsintern eingespart.

Amt für Jugend und Familie: Soll-Stand 15, Ist-Stand 14, im Falle einer Nachbesetzung würde ein gesundheitlich voll belastbarer Mensch benötigt.

Liegenschaftsverwaltung: Soll-Stand 4, Ist-Stand 3, der freie Dienstposten ist bereits für eine Mitarbeiterin aus dem Reinigungsbereich vorgesehen.

Stadtmuseum: Soll-Stand 3, Ist-Stand 3, daher kein Dienstposten frei.

Stadtschulamt: Soll-Stand 1, Ist-Stand 1, daher kein Dienstposten frei.

Wirtschaftsbetriebe: Soll-Stand 16, Ist-Stand 16, daher kein Dienstposten frei.

Die Ergebnisse dieser Erhebungen wurden dem (Beschwerdeführer) im erstinstanzlichen Verfahren mit Schreiben vom 12.5.2009 und 17.4.2009 im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt.

In berufskundlicher Hinsicht wurde für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im ergänzenden Ermittlungsverfahren ein sachverständiges Gutachten eingeholt. Daraus ergibt sich, dass für den (Beschwerdeführer) auf Grund seines medizinischen Leistungskalküls noch die beruflichen Tätigkeiten als Parkraumüberwacher, Wächter, Aufseher, Bürohilfskraft, Tankwart, Zusteller und Botengänger im innerbetrieblichen Bereich möglich sind. Solche Arbeitsplätze existieren in ausreichender Anzahl (je über 100) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die konkrete Vermittelbarkeit auf einen solchen Arbeitsplatz ist bei der Frage der Erwerbsfähigkeit nicht zu prüfen."

Diese Feststellungen - so die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides - beruhten auf dem berufskundlichen Sachverständigengutachten vom 6. Oktober 2009, welches dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt worden sei. Zur Stellungnahme werde ausgeführt, dass der erwähnte Mangel eines falschen Namens im Gutachten eine bloße Namensverwechslung darstelle. Ansonsten werde im Gutachten immer der richtige Name des Beschwerdeführers verwendet. Alle Elemente des Gutachtens, wie z. B. das medizinische Restleistungskalkül oder die bisherige berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, entsprächen den maßgeblichen Feststellungen im Verfahren, der einmal falsch zitierte Name sei als bloßer Schreibfehler zu werten. Das Gutachten sei daher schlüssig und vollständig, es erlange volle Beweiskraft. Weiters werde in der Stellungnahme ausgeführt, dass es im gegenständlichen Verfahren nicht relevant wäre, ob Verweisungsberufe am allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden wären. Das sei aber zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nach § 52 DO Graz erforderlich.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Zitierung des § 47 Abs. 1 und 2 DO Graz sowie von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Dienstunfähigkeit aus, aus den Feststellungen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer seine dienstlichen Aufgaben als Kanalfacharbeiter in medizinischer Hinsicht dauerhaft nicht mehr erfüllen könne, weil mit diesen Tätigkeiten das Heben schwerer Lasten und Arbeiten in gebückter Körperhaltung verbunden sei, sodass er entsprechend seinem medizinischen Rechtsleistungskalkül diesen Anforderungen nicht mehr in vollem Umfang und ohne Gefährdung seiner Gesundheit gewachsen sei.

Aus den Feststellungen ergebe sich weiters, dass genügend Berufe am freien Arbeitsmarkt für ihn in Frage kämen, sodass - wie bereits erstinstanzlich festgestellt - keine Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Zum Berufungsvorbringen hinsichtlich eines Verweisungsarbeitsplatzes werde weiters ausgeführt, entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nach § 37 und § 39 Abs. 2 AVG iVm § 8 DVG von Amts wegen zu klären, ob unter Zugrundelegung der Restarbeitsfähigkeit des Beamten überhaupt Arbeitsplätze der gleichwertigen Verwendungsgruppe im Bereich der Dienstbehörde vorhanden seien, die nach ihrem Anforderungsprofil noch wahrgenommen werden könnten (Prüfen der Verweisungstauglichkeit). Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich aber auch, dass kein Recht eines Bediensteten darauf bestehe, eventuell vorhandene Arbeitsplätze freizuhalten oder freizumachen. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass die in Frage kommenden Arbeitsplätze bereits besetzt seien oder im Falle des Dienstpostens in der Liegenschaftsverwaltung dafür bereits eine weibliche Mitarbeiterin aus dem Reinigungsbereich entsprechend dem Anforderungsprofil (inklusive Bewerbung und Eignung der Mitarbeiterin) vorgesehen sei. Es bestehe daher im Rahmen des medizinischen Restleistungskalküls keine Verweisungsmöglichkeit im Magistrat der Landeshauptstadt Graz.

Zu den Ausführungen der Berufung, der Beschwerdeführer wäre zu Umschulungen bereit gewesen oder auch als Bürobote geeignet und bereit, diese Tätigkeiten auszuüben, werde ausgeführt, dass gemäß § 20 Abs. 2 DO Graz Versetzungen aus Dienstes Rücksichten zulässig seien. Ein subjektives Recht auf eine Versetzung bestehe jedoch nicht, eine eventuelle Versetzung sei im gegenständlichen Zusammenhang im Rahmen der Überprüfung eines möglichen Verweisungsarbeitsplatzes geprüft worden.

Nach weiterer Billigung der im erstinstanzlichen Bescheid erfolgten Berechnung des Ruhegenusses schließt die Begründung des angefochtenen Bescheides damit, auf Grund des § 48 Abs. 2 DO Graz gelte der Beamte als beurlaubt, solange über eine zulässige und rechtzeitige Berufung gegen eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht entschieden sei. Diese Bestimmung sei auf den Beschwerdeführer anzuwenden, sodass er sich derzeit im Aktivstand bzw. auf Urlaub befinde. Gemäß § 48 Abs. 1 DO Graz werde die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des in diesem Bescheid festgesetzten Monatsletzten wirksam. Liege dieser Termin vor der Zustellung des Bescheides, werde die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des der Zustellung folgenden Monatsletzten wirksam. Es sei daher der von der Behörde erster Instanz festgesetzte Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung zu ändern und die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Jänner 2010 neu festzulegen gewesen, wobei der Stadtsenat entsprechend der Zustellung des angefochtenen Bescheides die Höhe des Ruhegenusses neu festsetzen werde. Da sich dadurch der erstinstanzliche Spruch ändere, sei der Berufung stattzugeben gewesen.

Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte am 3. Februar 2010.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachte sich durch den angefochtenen Bescheid erkennbar in seinem Recht verletzt, nicht in den Ruhestand versetzt zu werden. Er sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, das Verfahren habe ergeben, dass sowohl in der Zentralküche als auch im Amt für Jugend und Familie wie auch in der Liegenschaftsverwaltung Arbeitskräfte benötigt würden, die der Verwendungsgruppe 2 (entsprechend der Einstufung des Beschwerdeführers) zuzuordnen seien. Dennoch sei die belangte Behörde zum unrichtigen Schluss gekommen, dass eine Versetzung des Beschwerdeführers nicht in Frage komme und die Voraussetzung für eine "Zwangspensionierung" gegeben seien. Die Voraussetzungen seien nicht gegeben, vielmehr müsste der Beschwerdeführer auf einen freien Posten versetzt und eingeschult werden.

Weiters moniert die Beschwerde, dass das Leistungskalkül im berufskundlichen Sachverständigengutachten auf einen Herrn B abstelle, nicht jedoch auf den Beschwerdeführer.

Die §§ 46 bis 48 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 - DO Graz 1956, § 46 Abs. 1 idF der Novelle LGBl. Nr. 1/2003, § 46 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 2 sowie § 48 idF der Novelle LGBl. Nr. 46/1996, § 48 Abs. 1 und 2 idF der Novelle LGBl. Nr. 65/2000, § 48 Abs. 5 idF der Novelle LGBl. Nr. 1/2003, lauten:

"§ 46

Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen

(1) Beamte, die den 738. Lebensmonat überschritten haben, können von Amts wegen in den Ruhestand versetzt werden.

(2) Der Beamte ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat. Falls das Verbleiben des Beamten im Dienststand im dienstlichen Interesse liegt, kann die Versetzung in den Ruhestand vom Stadtsenat aufgeschoben werden. Ein Aufschub über den 31. Dezember des Jahres, in dem der Beamte das 70. Lebensjahr vollendet, ist nicht zulässig.

§ 47

Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

(1) Der Beamte ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) …

§ 48

Verfahren bei der Versetzung in den Ruhestand

(1) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des im Bescheid festgesetzten Monatsletzten wirksam. Liegt dieser Termin vor der Zustellung des Bescheides, wird die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des der Zustellung folgenden Monatsletzten wirksam.

(2) Solange über eine zulässige und rechtzeitige Berufung gegen eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht entschieden ist, gilt der Beamte als beurlaubt.

(3) ...

(4) Eine amtswegige Versetzung in den Ruhestand ist erst auszusprechen, wenn der Beamte innerhalb Monatsfrist nach Aufforderung seine Versetzung in den Ruhestand nicht beantragt hat.

(5) Bis zur Vollendung des 738. Lebensmonats obliegen dem Beamten des Ruhestandes die im § 23 Abs. 3, 4 und 7 genannten Pflichten."

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2002/12/0301 = Slg. 16.042/A, ausführte, setzt Dienstunfähigkeit die Unfähigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben des Beamten an seinem aktuellen Arbeitsplatz infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung und die Unmöglichkeit der Zuweisung eines den Kriterien der zitierten Gesetzesbestimmung entsprechenden mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes voraus. Beide Voraussetzungen für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit müssen kumulativ und auf Dauer, also für einen nicht absehbaren Zeitraum, vorliegen, damit von einer "Dienstunfähigkeit" ausgegangen werden kann. Hieraus folgt wiederum, dass die Versetzung in den Ruhestand nicht bloß die Prüfung voraussetzt, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Ruhestandsversetzungsbescheides gerade alle in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze besetzt sind, sondern auch, ob dieser Zustand für einen unabsehbaren Zeitraum anhält, also mit einem Freiwerden solcher Arbeitsplätze, etwa im Hinblick auf Pensionierungen, in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2007, Zl. 2004/12/0116, vom 31. Jänner 2007, Zl. 2006/12/0035 und Zl. 2006/12/0079, vom 20. Dezember 2005, Zl. 2005/12/0058, vom 30. Mai 2006, Zl. 2005/12/0202, und vom 16. März 2005, Zl. 2004/12/0132).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem weiteren Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2002/12/0338 = Slg. 16.043/A, ausführte, komme neben bereits existierenden freien oder in absehbarer Zeit frei werdenden Arbeitsplätzen als Verweisungsarbeitsplatz aber auch ein solcher in Betracht, welcher seitens der Dienstbehörde durch Umgestaltung bestehender Geschäftseinteilungen von Dienststellen in absehbarer Zeit zu schaffen beabsichtigt sei (vgl. demgegenüber zum Fehlen einer Verpflichtung der Dienstbehörde, solche Arbeitsplätze zur Vermeidung einer von Beamten nicht gewünschten Ruhestandsversetzung einzurichten, das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/12/0237; vgl. zur insofern übertragbaren Rechtslage nach dem NÖ GBDO 1976 das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2007/12/0058).

Nach der wiedergegeben Rechtsprechung, die auf § 47 Abs. 1 und 2 DO Graz übertragbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2004, Zl. 2001/12/0026), fordert der Verweisungsaspekt nicht bloß die Beantwortung der Frage, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Versetzungsbescheides gerade alle in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze besetzt sind, sondern auch die jener, ob dieser Zustand für einen unabsehbaren Zeitraum anhält, also mit einem Freiwerden solcher Arbeitsplätze in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

Die vorliegende Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass der Beschwerdeführer ob seines eingeschränkten Leistungskalküles, d.h. ob seiner körperlichen Verfassung nicht mehr im Stande ist, seine dienstlichen Aufgaben als Spezialfacharbeiter im Kanalreinigungsdienst zu versehen. Sie sieht jedoch die Dienstunfähigkeit deshalb als nicht gegeben, weil für den Beschwerdeführer Verweisungsarbeitsplätze im Bereich des Magistrates bestünden.

Schon nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides war im Zeitpunkt der Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand ein Dienstposten frei, der "freie Dienstposten" sei aber bereits für eine Mitarbeiterin aus dem Reinigungsbereich "vorgesehen".

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann daher im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, dass im Zeitpunkt der Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand (auch unter Berücksichtigung des § 48 Abs. 1 DO Graz) alle in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze besetzt waren, weil allein der Umstand, dass für einen freien Dienstposten eine andere Mitarbeiterin "vorgesehen" sei, der Dienstbehörde noch nicht die Verfügbarkeit über diesen Dienstposten nahm. Eine solche Verfügbarkeit wäre grundsätzlich erst dann genommen, wenn der Dienstposten durch einen konstitutiven Rechtsakt auch besetzt wäre.

Wenn allerdings der Beschwerdeführer eine Verweisungsmöglichkeit auch auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz - mit seinem Einverständnis - für gegeben sieht, findet das in § 47 Abs. 2 DO Graz keine Deckung, sodass ein Anspruch des Beamten auf Verweisung auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz, um eine (amtswegige) Ruhestandsversetzung abzuwenden, nicht besteht.

Da die belangte Behörde die Frage des Verweisungsaspektes unrichtig beurteilte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 30. März 2011

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