VwGH 2004/12/0132

VwGH2004/12/013216.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der T in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, dieser vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Juni 2004, Zl. FA6B-05.03-1001/8-2004, betreffend Versagung der Versetzung in den Ruhestand nach § 12 LDG 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820 impl;
BDG 1979 §14 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs3 impl;
LDG 1984 §12 Abs1 idF 1996/201;
LDG 1984 §12 Abs3;
PG 1965 §9 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820 impl;
BDG 1979 §14 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs3 impl;
LDG 1984 §12 Abs1 idF 1996/201;
LDG 1984 §12 Abs3;
PG 1965 §9 Abs1 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahre 1951 geborene Beschwerdeführerin steht als Sonderschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Mit Erledigung vom 4. März 1999 versetzte der Landesschulrat für Steiermark die Beschwerdeführerin auf ihr Ansuchen hin mit Wirksamkeit vom

8. d.M. gemäß § 19 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) an die Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder G.

Am 16. Jänner 2003 erlitt sie einen Bruch der rechten Kniescheibe.

Mit Eingabe vom 17. November 2003 ersuchte die Beschwerdeführerin um Versetzung in den Ruhestand nach § 12 LDG 1984. Begründend führte sie aus, auf Grund ihres Gesundheitszustandes sehe sie sich nicht mehr in der Lage, den Dienst weiter zu versehen. Hierauf holte der Landesschulrat für Steiermark von Dr. R, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, ein Gutachten ein, in dem er zu folgender Diagnose und Schlussfolgerung gelangt:

"Diagnose:

Belastungsschmerzen am rechten Kniegelenk bei Zustand nach Kniescheibenbruch mit Knorpelschaden, Chondropathia patellae beidseits.

Endgradiger Armhebeschmerz links bei Zustand nach Akromioplastik wegen Engpasssyndrom des linken Schultergelenkes mit Läsion der Rotatorensehnen.

Reaktive Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung und mäßigen Abnützungserscheinungen, keine Nervenwurzelsymptomatik.

Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung:

Die Untersuchte ist demnach nicht dauernd dienstunfähig.

Voraussichtliche Dauer der Dienstunfähigkeit: 3 Monate.

Durch intensive physiotherapeutische Maßnahmen ist eine wesentliche Besserung der Beschwerden und die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit zu erwarten.

Ärztlich empfohlene besondere Maßnahmen: Fortsetzung der Physiotherapie, eventuell auch stationäre Rehabilitationsmaßnahmen."

Zum Gutachten nahm die Beschwerdeführerin in ihrer umfangreichen Eingabe vom 14. April 2004 zusammengefasst dahingehend Stellung, sie sehe sich auf Grund ihrer Beschwerden im Schulter- und Kniebereich außer Stande, ihren Dienst ordnungsgemäß zu versehen. Als klassenführende Lehrkraft würde sie sich kaum mehr trauen, die geforderte, enorme Verantwortung zu übernehmen. Aber auch als Assistenz, die an ihrer Schule für Schwerstbehinderte möglich sei, müsste sie jederzeit eine ganze Reihe von Eigenschaften besitzen, um als verantwortungsvoller, pflichtbewusster, verlässlicher und vertrauenswürdiger Lehrer zu gelten, um also jenen Anforderungen gerecht zu werden, die von den Schülern, Eltern und Behörden und nicht zuletzt von den mitunterrichtenden Lehrern erwartet würden. Sie müsste also:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Ruhestandsversetzung infolge dauernder krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit gemäß § 12 LDG 1984" verletzt. Einleitend stellt sie in der Beschwerde klar, dass aus ihren Schulterbeschwerden keine dauerhafte entscheidende Behinderung ihrer schulischen Tätigkeit resultiere. Wesentlich hiefür seien die Kniebeeinträchtigungen. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht sie darin, sie habe in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass ihr der Umgang mit behinderten Kindern vollen körperlichen Einsatz abverlange. Auf dieses Vorbringen habe die belangte Behörde in keiner Weise reagiert. Schon auf Grund der vorhandenen medizinischen Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde dem Pensionierungsantrag stattgeben müssen, weil hierin deutliche körperliche Beeinträchtigungen zum Ausdruck kämen, die offensichtlich mit den Anforderungen des Umganges mit schwerstbehinderten Kindern nicht vereinbar seien. Im Falle von Zweifeln daran wäre der Sachverständigenbeweis dafür zu ergänzen gewesen. In concreto gehe es um ganz spezifische Anforderungen in Krisensituationen. Bei gehöriger Vorgangsweise hätte die belangte Behörde dem medizinischen Sachverständigen die Erfordernisse der Art der Lehrtätigkeit zur Kenntnis zu bringen und ihn aufzufordern gehabt, eine Aussage darüber zu treffen, ob die Beschwerdeführerin bei Auftreten der besagten Krisensituationen die erforderliche uneingeschränkte Aktionsfähigkeit hätte oder nicht. Es hätte der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige hiebei wohl nur eine verneinende Antwort geben können. Davon ausgehend hätte sich die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens erübrigt, ansonsten wäre auch ein solches einzuholen gewesen. Ein weiterer Mangel liege auch darin, dass im fachärztlichen Befundbericht Dris. J vom 10. Mai 2004 ein in den Grenzen seines Inhaltes dem amtlich eingeholten Sachverständigengutachten gleichwertiges Beweismittel vorliege. In diesem Befundbericht werde ausgeführt, es bestünde die Gefahr, dass die Hilfestellung in Bezug auf behinderte Kinder nicht entsprechend erfolgen könnte.

Gemäß § 12 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302 - LDG 1984, in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Landeslehrer dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnissen billigerweise zugemutet werden kann.

§ 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984 ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979, weshalb die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung auf die Beantwortung der Frage der dauernden Dienstunfähigkeit eines Landeslehrers übertragen werden kann. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten (hier: Landeslehrers), seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist demnach alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgabe zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu beantworten hat. Aufgabe der ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Landeslehrers trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2003/12/0004, mwN).

Für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit verlangt § 12 Abs. 3 LDG 1984 - ebenso wie § 14 Abs. 3 BDG 1979 - das kumulative Vorliegen zweier Voraussetzungen, nämlich die Unfähigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben am aktuellen Arbeitsplatz infolge der körperlichen oder geistigen Verfassung und die Unmöglichkeit der Zuweisung eines den Kriterien der zitierten Gesetzesbestimmung entsprechenden mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes. Beide Voraussetzungen für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit müssen kumulativ und auf Dauer, also für einen nicht absehbaren Zeitraum, vorliegen, damit von einer "dauernden Dienstunfähigkeit" ausgegangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2002/12/0301). Die Frage der Dienstunfähigkeit ist unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am (zuletzt innegehabten) Arbeitsplatz bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 2004, Zl. 2003/12/0229, mwN).

Die belangte Behörde schloss die (dauernde) Dienstunfähigkeit deshalb aus, weil - unter Zugrundelegung des Leistungskalküls im Gutachten Dris. P - eine unterrichtende Tätigkeit nicht als schwere körperliche Arbeit im Verständnis dieses Gutachtens zu bewerten sei und, soweit das Leistungskalkül der Beschwerdeführerin eingeschränkt sei, sie dies in ihrer Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen habe.

Die Beschwerde hebt dem gegenüber - wie schon im Dienstrechtsverfahren - eine besondere (auch) körperliche Beanspruchung einer Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder hervor. Die Beschwerde zeigt damit zutreffend auf, dass die belangte Behörde der sie nach § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 58 und § 60 AVG treffenden Begründungspflicht nicht Genüge tat, wenn sie - ohne nähere Begründung - die von der Beschwerdeführerin als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder zu erfüllenden Aufgaben allgemein als "unterrichtende Tätigkeit" umschrieb und von daher nicht als schwere körperliche Arbeit im Sinne des Gutachtens Dris. P zu bewerten vermochte, zudem ist nicht erkennbar, dass den beigezogenen Amtssachverständigen die konkreten Aufgaben (das konkrete Tätigkeitsbild) der Beschwerdeführerin als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder bekannt gewesen wären und der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. P insbesondere nicht auf die im fachärztlichen Befund Dris. J vom 10. Mai 2004 geäußerten Bedenken - wonach die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Behinderungen in ihrer Arbeitstätigkeit massivst eingeschränkt sei und diese nicht erfüllen könne, sie arbeite mit schwerstbehinderten Kindern, müsse diese stützen bzw. Hilfestellung geben - einging und zu entkräften vermochte.

Damit verschließen sich die Erwägungen dieses Amtssachverständigen und letztlich auch jene der belangten Behörde einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher vorerst begründete Feststellungen über die konkreten Aufgaben der Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder zu treffen haben, um dem medizinischen Sachverständigen eine nachvollziehbare Beurteilung des medizinischen Leistungskalküls anhand dieser konkreten Aufgaben zu ermöglichen. Sollte der belangten Behörde das Wissen über die konkreten Aufgaben eines Lehrers an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder fehlen, wäre diesfalls gemäß § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 52 AVG die Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen geboten. Sodann wird der medizinische Sachverständige unter Bezugnahme auf die konkreten Aufgaben am aktuellen Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin sein Gutachten darüber abzugeben haben, ob diese Aufgaben innerhalb des Leistungskalküls der Beschwerdeführerin liegen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2004/12/0076).

Sollte das medizinische Gutachten unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben der Beschwerdeführerin ergeben, dass diese Aufgaben das Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin übersteigen, hätte die belangte Behörde sodann im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem weiteren Schritt die Frage des Verweisungsaspektes im Sinn des § 12 Abs. 3 LDG 1984 zu beantworten.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 16. März 2005

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