VwGH 2001/12/0026

VwGH2001/12/00261.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der W in G, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 30. November 2000, Zl. Präs. K - 119/2000-3, betreffend Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 47 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO Graz 1956), zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
DGO Graz 1957 §47 Abs1 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §47 Abs2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §48 Abs4 idF 1996/046;
DVG 1984 §8 Abs1;
DVG 1984 §8;
VwRallg;
AHG 1949;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
DGO Graz 1957 §47 Abs1 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §47 Abs2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §48 Abs4 idF 1996/046;
DVG 1984 §8 Abs1;
DVG 1984 §8;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1947 geborene Beschwerdeführerin stand als "Sekretär" (Beamtin der handwerklichen Verwendung, Verwendungsgruppe 2) seit 1. März 1974 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Sie war als Fensterputzerin beim Stadtschulamt beschäftigt.

Am 6. Juli 1999 erstattete Dr. P, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, unter Bezugnahme auf einen (aus den Akten ebenso wenig wie ein vorangehendes Verfahren ersichtlichen) Auftrag vom 23. Juni 1999 ein fachärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin. Nach den Ergebnissen ihrer Untersuchung vom 5. Juli 1999 beschrieb er ihre Vorerkrankungen und den körperlichen Zustand. Daraus leitete er zusammenfassend ab, bei den Leidenszuständen der Beschwerdeführerin handle es sich "um altersgemäße degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit daraus resultierendem Cervikalsyndrom, eine Deformierung des Mittelgelenks beider Mittelfinger ohne akute Entzündungszeichen, eine mäßiggradige Knorpelschädigung an beiden Kniegelenken, einen Knick-Senk-Spreiz-Fuß bds. sowie Hallux-valgus bds. Die Thrombose der Vena axillaris offenbar folgenlos ausgeheilt".

Auf Grund der erhobenen Befunde seien der Patientin leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen uneingeschränkt zumutbar. Hiebei komme es auf eine Reihenfolge der Körperhaltung bzw. eine zeitliche Dauer derselben nicht an. Schweren Arbeiten sei sie nicht gewachsen. Arbeiten mit beiden Armen über Kopf seien um die Hälfte des Arbeitstages zu reduzieren, der Rest gleichmäßig über die Arbeitszeit zu verteilen. Arbeiten in gebückter Körperhaltung seien zumutbar, Steighilfen könnten verwendet werden. Arbeiten in Kälte und Nässe schieden aus. Krankenstände seien mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit für die Dauer von einer Woche festzusetzen. Üblich gewährte Arbeitspausen seien ausreichend. Vor Witterungseinflüssen könne sie sich durch geeignete Kleidung schützen. Auf einen Fußanmarschweg zur Arbeitsstelle sei nicht Bedacht zu nehmen.

Der Leidenszustand sei als dauernd anzusehen. Eine Linderung der Beschwerden sei durch entsprechende physikalische Behandlungen zu erwarten, jedoch würde es das Leistungskalkül nicht beeinflussen.

Auf dem Gutachten sind handschriftlich zwei Aktenvermerke vom 3. November 1999 und danach ein undatierter Aktenvermerk angebracht. Diese haben folgenden Inhalt:

1.) "Fr. W wird zur Kenntnis gebracht, dass sie aufgrund der Gegenüberstellung von med. Leistungskalkül und Tätigkeitsbeschreibung df. ist.

Eine Frist zur Stellungnahme wurde gewährt, da Fr. W eine ärztl. Bescheinigung vorlegen wird, dass sich ihr Zustand seit dem fachärztl. GA verschlechtert hat."

2.) "Lt. tel. Rspr. mit (dem Gutachter) Dr. P. handelt es sich bei Steighilfen um 3 Stufen (maximal) (= kleine Treppe). Auch bei Gericht Bezeichnung der Steighilfe (3 Stufen). Eine höhere Leiter kann nicht mehr bestiegen werden lt. FA."

3.) "Da lt. Dr. P. Leitern nicht mehr bestiegen werden können, lt. Tätigkeitsbeschreibung jedoch auf relativ hohe Leitern und Gerüste gestiegen werden muß, ist Frau W.

(= Beschwerdeführerin) gem § 47 (1) iVm. (2) DO zu pensionieren. Erwerbsunfähigkeit besteht nicht, da andere Tätigkeiten, die dem medizin. Leistungskalkül entsprechen, - wie z.B. Bürobote - durchaus zumutbar sind."

Mit Eingabe vom 21. September 1999 ersuchte die Beschwerdeführerin um Versetzung in den dauernden Ruhestand mit 31. Jänner 2000.

Am 11. Oktober 1999 fasste das Personalamt das Gutachten des Dr. P. zusammen und ersuchte die Direktion des Stadtschulamtes um Übermittlung einer genauen Tätigkeitsbeschreibung der Beschwerdeführerin und um Bekanntgabe, ob für sie eine Beschäftigungsmöglichkeit - entsprechend dem bestehenden Leistungskalkül - im Bereich des gesamten Stadtschulamtes (Hervorhebung im Original) gegeben sei.

Im Antwortschreiben vom 18. Oktober 1999 wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei im Stadtschulamt als Fensterputzerin eingesetzt. Ihre Arbeiten als solche seien "ständiges Heben und Tragen von Leitern (bis zu 16 Sprossen) sowie Aus- und Einhängen von Fensteroberlichten (Arbeiten über Kopf ca. 4 Stunden pro Tag)". Weiters müsse sie "mindestens die halbe Arbeitszeit in exponierten Stellen auf Leitern ihre Tätigkeit ausüben". Eine Beschäftigungsmöglichkeit entsprechend dem bestehenden Leistungskalkül sei im gesamten Stadtschulamt nicht gegeben.

Am 10. Dezember 1999 erging folgender Bescheid des Stadtsenates:

"Auf Grund des Beschlusses des Stadtsenates vom 3.12.1999 wird Sekretär W. (Beschwerdeführerin) ... gemäß § 47 Abs. 1 und 2 des Landesgesetzes betreffend die Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der geltenden Fassung, über eigenes Ersuchen, mit Ablauf des 31.12.1999 in den Ruhestand versetzt. Mit dem gleichen Zeitpunkt wird die Auszahlung der Aktivbezüge eingestellt."

Vor Zustellung dieses Bescheides zog die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 13. Dezember 1999 ihr Ansuchen vom 21. September 1999 um Versetzung in den dauernden Ruhestand zurück.

Nach Zustellung des Bescheides vom 10. Dezember 1999 (am 16. Dezember 1999) erhob die Beschwerdeführerin am 27. Dezember 1999 Berufung. Unter Hinweis auf die Zurückziehung ihres Antrages ersuchte sie, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zusätzlich führte sie aus, die Versetzung in den Ruhestand hätte auf Grund ihrer familiären und finanziellen Situation aus Gründen der Billigkeit nicht vorgenommen werden dürfen. Nach ihrer durchgehenden fast drei Jahrzehnte umfassenden Tätigkeit bei den Fensterputzern des Stadtschulamtes haben sie gesundheitliche Probleme immer öfter gezwungen, Krankenstand zu beanspruchen. Das jahrelange Arbeiten in Kälte und Nässe habe degenerative Veränderungen an ihren Fingern und Handgelenken verursacht. Der Höhepunkt sei ein dreiwöchiger Krankenhausaufenthalt im Jahr 1998 gewesen. Von da an sei es ihr nur noch möglich gewesen, die körperliche Belastung des Fensterputzens, teilweise auf hohen Leitern, unter Erduldung starker körperlicher Beschwerden zu ertragen.

Mit Bescheid vom 16. März 2000 behob die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 10. Dezember 1999 ersatzlos. Die Zurückziehung des Antrages zwischen Beschlussfassung durch das Kollegialorgan Stadtsenat und Zustellung des Bescheides sei zu berücksichtigen. Auf das ergänzende Vorbringen werde somit nicht mehr eingegangen.

In einem Aktenvermerk vom 6. April 2000 hielt das Personalamt - nach Hinweis auf diese Berufungsentscheidung vom 16. März 2000 - fest, der Beschwerdeführerin sei im Rahmen ihrer oftmaligen telefonischen Anrufe mitgeteilt worden, dass sie nunmehr auf Grund des vorliegenden Sachverständigengutachtens von Dr. P. vom 6. Juli 1999 wegen Dienstunfähigkeit von Amts wegen mit Ablauf des 31. Mai 2000 in den Ruhestand versetzt werde. Sie habe diesen Sachverhalt auch zur Kenntnis genommen. Der Genannten sei über Anfrage weiters mitgeteilt worden, dass sie nach Erhalt der Berufungsentscheidung ihren Dienst im Stadtschulamt wieder anzutreten habe.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2000 versetzte der Stadtsenat Graz die Beschwerdeführerin wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 47 Abs. 1 und 2 der DO Graz 1956 von Amts wegen mit Ablauf des 31. Mai 2000 in den Ruhestand.

Aus dem (zusammenfassend dargestellten) Gutachten des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. P. und dem Tätigkeitsprofil folge, dass die Beschwerdeführerin ihre dienstlichen Aufgaben auf Grund ihrer körperlichen Verfassung nicht erfüllen könne. Da ihr "im Bereich des Magistrates der Stadt Graz" derzeit auch kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, dessen Aufgaben sie auf Grund ihrer körperlichen Verfassung zu erfüllen im Stande sei und der ihr mit Rücksicht auf ihre persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne, sei sie dienstunfähig im Sinn des § 47 Abs. 2 leg. cit. und daher in den Ruhestand zu versetzen. Im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie jedoch nicht erwerbsunfähig, seien doch Tätigkeiten wie die eines Portiers oder Büroboten durchaus zumutbar. Die Voraussetzungen für die Zurechnung von Jahren nach § 52 Abs. 3 DO Graz 1956 lägen somit nicht vor. Ebenso fehlten die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Jahren gemäß § 52 Abs. 2 leg. cit., weil die Beschwerdeführerin an keiner der in dieser Bestimmung angeführten Krankheiten leide.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 25. Mai 2000 Berufung. Sie führte aus, am 16. Mai 2000 den bekämpften Bescheid erhalten zu haben, ohne dass ihr davor je eine Mitteilung zugekommen sei, dass ihre amtswegige Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt gewesen wäre. Auch sei ihr der Inhalt des von Dr. P. abgegebenen Gutachtens nie vorgelegt worden. Dr. P. habe mit ihr nie ein aufklärendes Arzt-Patienten-Gespräch geführt oder ihr ihren genauen körperlichen Zustand erklärt. Der Inhalt des Gutachtens sei auch nie besprochen worden. Ebenso sei ihr nicht bekannt, ob Dr. P. die Voraussetzungen eines berufskundigen Sachverständigen erfülle. Ob ein solcher dem Verfahren beigezogen worden sei, sei ihr nicht bekannt. Es sei ihr daher auch nicht möglich gewesen, ein etwaiges Gegengutachten vorzulegen.

Sie sei auch nach dem Gutachten des Dr. P. nicht erwerbsunfähig. Tätigkeiten, die dem medizinischen Leistungskalkül entsprächen, etwa Bürobote oder Portier, seien ihr zumutbar. Erst im angefochtenen Bescheid sei ihr mitgeteilt worden, dass es im Bereich des Magistrates Graz für sie keine mindestens gleichwertige Arbeitsstelle gebe. Zu diesem Thema sei sie nie befragt worden. Auch sei mit ihr kein einziges Gespräch über eine etwaige andere Verwendung geführt worden (wird näher dargestellt). Wenn ihr am allgemeinen Arbeitsmarkt ein zumutbarer Erwerb möglich sei, so müsse dies auch für gleichwertige Arbeitsplätze im Bereich des Magistrates der Stadt Graz gelten, wozu sie zumindest anzuhören gewesen wäre. Da sie selbstverständlich gerne bereit sei, ihrer bestehenden Erwerbsfähigkeit entsprechend weiterhin ganztags für die Stadt Graz zu arbeiten, ersuche sie, ihre Versetzung in den Ruhestand aufzuheben.

In einem Aktenvermerk vom 5. Juni 2000 hielt das Personalamt fest, die Beschwerdeführerin habe anlässlich einer telefonischen Rücksprache bestätigt, dass ihr sehr wohl mitgeteilt worden sei, dass sie nach der Berufungsentscheidung vom 16. März 2000 von Amts wegen gemäß § 47 Abs. 1 und 2 DO Graz 1956 in den Ruhestand versetzt werde.

Am 1. August 2000 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin - unter Bezugnahme auf die Berufung - das Gutachten des Dr. P. (samt den drei dargestellten handschriftlich darauf angebrachten Aktenvermerken) zur Stellungnahme.

Die Beschwerdeführerin wiederholte in einer daraufhin erfolgten Eingabe vom 14. August 2000 die in der Berufung erhobenen Vorwürfe, ein Arzt-Patienten-Gespräch mit dem medizinischen Gutachter sei nicht erfolgt. Es müsse ein weiteres medizinisches Gutachten und das eines berufskundigen Sachverständigen eingeholt werden. Die handschriftlichen Notizen seien nicht zuordenbar und könnten nicht entziffert werden. Sie ersuche, über die weitere Vorgangsweise informiert zu werden, insbesondere darüber, inwieweit sie zur Lösung der angeführten Probleme beitragen könne.

Daraufhin holte die belangte Behörde ein berufskundiges Gutachten des Sachverständigen H. (abgegeben am 22. Oktober 2000) ein. Dieser bezog sich auf den Akteninhalt und führte aus, weitere Angaben zur Sozialanamnese - insbesondere zur Ausbildung der Beschwerdeführerin - lägen nicht vor. Im Hinblick auf ihre Verwendung sei "davon auszugehen", dass sie die Volksschule und Hauptschule und allenfalls auch eine Berufsschule mit Erfolg besucht habe. Sie sei jedoch "in im Sinn des ASVG ungelernter Verwendung" gestanden. Zum Besitz eines Führerscheines würden "keine Angaben gemacht", auch nicht zur allfälligen Verweisungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht im Sinn von Anlernbarkeit, Anweisbarkeit oder Umschulbarkeit und auch nicht zur weiteren Zumutbarkeit von Kontaktberufen. Auch zur Frage der Zumutbarkeit von Akkord- bzw. Fließbandarbeit oder forciertem Arbeitstempo bzw. zur zumutbaren Arbeitsplatzmobilität fänden sich derzeit keine Stellungnahmen.

Unter Bedachtnahme auf das aus dem Gutachten des Dr. P. folgende Restleistungskalkül werde aus berufskundlicher Sicht festgestellt, dass für die Beschwerdeführerin - "allenfalls vorbehaltlich einer psychiatrischen Beurteilung hinsichtlich Verweisungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit bzw. zumutbarem Arbeitstempo" - "eine Reihe von Verweisungstätigkeiten genannt werden könnten, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt repräsentiert und mit dem medizinischen Leistungskalkül sowie dem sozialen Status vereinbar wären". Genannt werden Verweisungstätigkeiten einer Serviererin, Portierin, Aufseherin, Telefonistin, Ladnerin, Sitzkassierin, Bürobotin, Verpackerin, Sortiererin oder Versandarbeiterin, einer Lagerhilfskraft im (Textil-)versandhandel und andere mehr. Die Beschwerdeführerin sei auf Basis des aktuellen - wenn auch nicht vollständigen - Restleistungskalküls jedenfalls nicht als erwerbsunfähig anzusehen.

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme zum Gutachten vom 16. November 2000 vor, sie nehme zur Kenntnis, dass ihr im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (Hervorhebung im Original) keine Erwerbsunfähigkeit attestiert werde. Es würden auch eine Reihe von Verweisungstätigkeiten genannt. Einer im Gutachten erwähnten psychiatrischen Beurteilung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit im Rahmen ihres Restleistungskalküls stimme sie zu.

Die vom Sachverständigen gewünschten Informationen stelle sie wie folgt bereit: Sie habe Volksschule, Hauptschule und Lehre mit erfolgreicher Lehrabschlussprüfung (Kürschner) absolviert und verfüge über eine Lenkerberechtigung der Klasse B. Im Übrigen blieben die in der Berufung dargestellten Einwände aufrecht.

Am 13. November 2000 ersuchte die belangte Behörde den "Dienstpostenplanreferenten" um Mitteilung, ob und gegebenenfalls welche Arbeitsplätze unter Beachtung des medizinischen Leistungskalküls der Beschwerdeführerin zugewiesen werden könnten. Dies führte zur Auskunft, dass derzeit keine entsprechende Verwendungsmöglichkeit bestehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides werde dahin abgeändert, dass sie "gem. § 47 Abs. 1 und 2 DO mit Ablauf des 31.12.2000 in den Ruhestand versetzt wird und gem. § 64 Abs. 1 DO der Anspruch auf Ruhegenuss im Ausmaß von S 15.338,69 brutto - unter Berücksichtigung der vom Gemeinderat beschlossenen Vorschussanordnung - ab 1.1.2001 zusteht, ansonsten bestätigt".

Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens und der Rechtslage führte die belangte Behörde zur Frage der Versetzung in den Ruhestand aus, unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes und Leistungskalküls der Beschwerdeführerin könne ihr im Bereich des Magistrates der Stadt Graz derzeit kein entsprechender Arbeitsplatz zugewiesen werden. Da sie infolge ihrer körperlichen Verfassung ihre dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, dessen Aufgaben sie nach ihrer körperlichen Verfassung zu erfüllen im Stande sei, seien die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 DO gegeben. In der Folge begründete die belangte Behörde unter Hinweis auf das medizinische Gutachten Dris. P. und das berufskundliche Gutachten von H. näher, weshalb die Beschwerdeführerin noch zu einem zumutbaren Erwerb fähig sei, weshalb die von ihr begehrte Zurechnung von Jahren nach § 52 Abs. 3 DO Graz 1956 nicht in Betracht komme. Abschließend folgt eine ausführliche Begründung der Höhe des Ruhegenusses.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und daher die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Sie macht (u.a.) auch geltend, dass die Ruhestandsversetzung nicht hätte ergehen dürfen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 46 bis 48 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, § 46, § 47 Abs. 1 und 2 sowie § 48 Abs. 3 bis 5 idF der Novelle LGBl. Nr. 46/1996, § 47 Abs. 3 sowie § 48 Abs. 1 und 2 idF LGBl. Nr. 65/2000, lauten:

"§ 46

Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen

(1) Beamte, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, können von Amts wegen in den Ruhestand versetzt werden.

(2) Der Beamte ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat. Falls das Verbleiben des Beamten im Dienststand im dienstlichen Interesse liegt, kann die Versetzung in den Ruhestand vom Stadtsenat aufgeschoben werden. Ein Aufschub über den 31. Dezember des Jahres, in dem der Beamte das 70. Lebensjahr vollendet, ist nicht zulässig.

§ 47

Versetzung in den Ruhestand wegen

Dienstunfähigkeit

(1) Der Beamte ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist während einer (vorläufigen) Suspendierung gemäß §§ 100 ff. nicht zulässig.

§ 48

Verfahren bei der Versetzung in den Ruhestand

(1) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des im Bescheid festgesetzten Monatsletzten wirksam. Liegt dieser Termin vor der Zustellung des Bescheides, wird die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des der Zustellung folgenden Monatsletzten wirksam.

(2) Solange über eine zulässige und rechtzeitige Berufung gegen eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht entschieden ist, gilt der Beamte als beurlaubt.

(3) Eine Versetzung in den Ruhestand gemäß den §§ 46 und 47 ist während einer (vorläufigen) Enthebung vom Dienst gemäß den §§ 100 ff. nicht zulässig.

(4) Eine amtswegige Versetzung in den Ruhestand ist erst auszusprechen, wenn der Beamte innerhalb Monatsfrist nach Aufforderung seine Versetzung in den Ruhestand nicht beantragt hat.

(5) Bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres obliegen dem Beamten des Ruhestandes die im § 23 Abs. 3, 4 und 7 genannten Pflichten."

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die amtswegige Verfügung einer Ruhestandsversetzung nach § 47 DO Graz 1956 ohne die zwingend nach § 48 Abs. 4 leg. cit. vorgesehene Aufforderung unzulässig sei. Eine solche sei im Beschwerdefall niemals erfolgt; die im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf einen Aktenvermerk vom 5. Juni 2000 behauptete Information über die amtswegige Einleitung stelle keine Aufforderung im Sinn des § 48 Abs. 4 leg. cit. dar. Nach der Stattgebung ihrer Berufung (wegen der erfolgten Zurückziehung ihres Ruhestandsversetzungsantrags vom 21. September 1999) und der ersatzlosen Aufhebung der ersten Ruhestandsversetzung durch den Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2000 sei sie davon ausgegangen, dass das Pensionierungsverfahren beendet sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich dem Gesetz keinesfalls entnehmen lässt, dass die Unterlassung einer Aufforderung nach § 48 Abs. 4 DO Graz 1956 die amtswegige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 47 leg. cit. (nur dieser Fall interessiert hier) für sich allein unzulässig macht. Zweck der Aufforderung nach § 48 Abs. 4 DO Graz 1956 ist es offenkundig nur vor der Dienstbehörde erster Instanz zu klären, ob eine von Amts wegen in Aussicht genommene Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit gegen den Willen des Beschwerdeführers auszusprechen sein wird oder ob der Beamte durch eine Antragstellung nach § 47 Abs. 1 DO Graz 1956 in diesem Stadium zu erkennen gibt, dass er nunmehr selbst (durch die Dienstbehörde gleichsam ermuntert) eine solche Verfügung anstrebt. Die Art der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens hat bei positivem Abschluss (Verfügung der Ruhestandsversetzung nach § 47 DO Graz 1956) bloß verfahrensrechtliche Auswirkungen wie die Möglichkeit des Entfalls einer Begründung bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung der Dienstbehörde; sie wird sich im Regelfall (bei divergierender Interessenslage) auch auf die Dauer des Verfahrens auswirken. Davon abgesehen ist es aber für die mit einer nach § 47 DO Graz 1956 ausgesprochenen Ruhestandsversetzung verbundenen Rechtsfolgen bedeutungslos, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag des Beamten erfolgte. Vor diesem Hintergrund bewirkte selbst die Unterlassung einer Aufforderung nach § 48 Abs. 4 DO Graz 1956 nicht die Unzulässigkeit einer dennoch von der Dienstbehörde erster Instanz von Amts wegen verfügten Ruhestandsversetzung nach § 47 Abs. 1 leg. cit. Zwar ist in diesem Fall die in § 48 Abs. 4 DO Graz 1956 eröffnete Alternative zur Amtswegigkeit (formell) nicht mehr gegeben; der Beamte befindet sich aber in diesem Fall durch die Möglichkeit, sich für oder gegen die Erhebung einer Berufung gegen die amtswegige Ruhestandsversetzung zu entscheiden, in einer vergleichbaren Ausgangssituation wie im Fall des § 48 Abs. 4 DO Graz 1956, die ihn auch gegen die Nachteile einer "überfallsartigen" amtswegigen Ruhestandsversetzung hinreichend schützt (zumal in krassen Fällen auch noch Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz bestehen könnten). Bei dieser Rechtslage kann es im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob sich die belangte Behörde überhaupt auf eine Aufforderung nach § 48 Abs. 4 DO Graz 1956 berufen konnte oder ob die (von der Beschwerdeführerin allerdings bestrittene) von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides allein herangezogene "Bestätigung" hiefür ausreichte.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei in ihrem "Recht auf aktive Teilnahme am Verfahren" verletzt worden, weil sie mit Ausnahme der beiden Stellungnahmen keine Gelegenheit gehabt habe, ihren Standpunkt vorzubringen und keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu den von der Behörde "vorgebrachten Beweisen" zu äußern, ist vorab festzuhalten, dass sich dies jedenfalls nicht auf die beiden Gutachten bezieht, zu denen ihr im Berufungsverfahren Parteiengehör gewährt wurde. Soweit sie in diesem Zusammenhang rügt, es sei ihr nicht die Qualifikation des ärztlichen Sachverständigen Dr. P. als berufskundlicher Sachverständiger dargelegt worden, ist sie auf die Einholung eines solchen Gutachtens durch den berufskundlichen Sachverständigen H. zu verweisen. Im Übrigen ist sie im Verwaltungsverfahren dem ärztlichen Gutachten Dris. P. nicht auf gleicher Ebene entgegengetreten; ihr (allgemeines) Vorbringen, die "Interpretation des medizinischen Gutachtens durch die bescheiderstellende Behörde ist zu extensiv", wurde in der Beschwerde nicht weiter ausgeführt und geht daher schon deshalb ins Leere.

Die Beschwerdeführerin bringt aber auch vor, dass die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes im Sinne des § 47 Abs. 2 DO Graz 1956 nur unzureichend geprüft worden sei. In diesem Zusammenhang rügt sie auch, dass die im berufskundlichen Gutachten als wesentlich bezeichneten Informationen (psychiatrische Untersuchung betreffend Kontaktfähigkeit und Schreibtempo, schulische und sonstige Ausbildung) bislang fehlten, so dass es nicht schlüssig und mängelfrei erstellt worden sei. Ohne diese Information könne auch nicht entschieden werden, ob ein zuweisbarer Arbeitsplatz im Sinn des § 47 Abs. 2 DO Graz 1956 vorhanden sei oder nicht, zumal sie auch zu diesem Thema nie angehört oder befragt worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin auf, dass der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt in wesentlichen Punkten bereits zur Lösung der Frage der Zulässigkeit einer amtswegigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 47 DO Graz 1956 einer Ergänzung bedarf:

Die Dienstunfähigkeit setzt nach dieser Bestimmung voraus, dass der Beamte infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann. Die Bestimmung setzt somit an der objektiven Dienstfähigkeit an. Allein die - noch in der Beschwerde hervorgehobene - subjektive Bereitschaft zu arbeiten könnte das Fehlen einer objektiven Eignung nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1997, Zl. 94/12/0297).

Das hat die belangte Behörde zwar erkannt, die notwendige Prüfung des Vorliegens eines Verweisungsarbeitsplatzes für die Beschwerdeführerin aber nicht mängelfrei vorgenommen. Eine solche Prüfung erfordert es, nach § 37 und § 39 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 8 DVG von Amts wegen zu klären, ob unter Zugrundelegung der Restarbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin Arbeitsplätze einer gleichwertigen Verwendungsgruppe vorhanden sind, die nach dem Anforderungsprofil von ihr noch wahrgenommen werden können. Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, ob diese Arbeitsplätze frei sind (Prüfung der Verweisungstauglichkeit). Nur eine derartige Vorprüfung, deren Ergebnis dem betroffenen Beamten mit einer nachvollziehbaren Begründung mitzuteilen ist, versetzt diesen im Regelfall überhaupt erst in die Lage ansatzweise beurteilen zu können, ob in seinem Fall ein solcher Verweisungsarbeitsplatz in Betracht kommt, insbesondere, ob die Dienstbehörde im richtigen Verweisungsbereich gesucht hat oder nicht und den behördlichen Äußerungen entsprechend konkretisierte Einwendungen zur Wahrung seiner Rechtsposition entgegenzusetzen. Ergibt die Prüfung der Verweisungstauglichkeit, dass Arbeitsplätze, auf die der Beamte verwiesen werden kann, im Bereich der Dienstbehörde vorhanden sind, reicht dies für sich allein nicht aus, von der geplanten Ruhestandsversetzung Abstand zu nehmen. Dies ist nur zulässig, wenn ein solcher Arbeitsplatz dem Beamten auch tatsächlich konkret zugewiesen werden kann. Diese Zuweisungsprüfung in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz (2. Phase) setzt aber jedenfalls voraus, dass eine derartige Planstelle vorhanden ist, über die die Dienstbehörde frei verfügen kann. Weder besteht eine Verpflichtung des Dienstgebers, ad hoc eine Planstelle für einen tauglichen Verweisungsarbeitsplatz zu schaffen, noch eine solche, eine bestehende geeignete, aber besetzte Planstelle durch eine Personalmaßnahme "frei" zu machen, um sie mit einem Beamten besetzen zu können, dessen Ruhestandsversetzung im Raum steht (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/12/0237, und vom 9. Juni 2004, Zl. 2003/12/0229, mwN der Vorjudikatur).

Die der Entscheidung der belangten Behörde zu Grunde liegende Auskunft des Personalamtes hat sich zwar richtig auf den Bereich der Grazer Stadtverwaltung bezogen. Ihr begründender Inhalt, wonach "in diesem Bereich keine Verwendungsmöglichkeit besteht", genügt den in der vorgenannten Judikatur dargestellten Anforderungen jedoch nicht. Die nach deren Grundsätzen gebotene zweiphasige Zuweisungsprüfung wird somit im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Anzumerken ist dabei, dass zwar das Gutachten des berufskundigen Sachverständigen primär für die Frage nach § 52 Abs. 3 DO Graz 1956 relevant ist und auch unter diesem Gesichtspunkt eingeholt wurde, dass es aber auch zum Teil für den Verweisungs-Arbeitsplatz nach § 47 Abs. 2 leg. cit. von Bedeutung ist (nicht allerdings, was die Berufsausbildung betrifft, weil die Verwendungsgruppe entscheidend ist).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Aufhebung der Ruhestandsversetzung hat auch die Aufhebung der Ruhegenussbemessung zur Folge.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Umrechnung des für die Gebühr noch verzeichneten Schillingbetrages gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Wien, am 1. Oktober 2004

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