VwGH 2008/18/0389

VwGH2008/18/038920.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S I, vertreten durch Mag. Dr. Thomas Nirk, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 56/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Februar 2008, Zl. E1/32349/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §24 Abs3;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §33 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §24 Abs3;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §33 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Dieser Maßnahme legte sie im Wesentlichen zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit März 2004 über Aufenthaltsbewilligungen für den Zweck "Student" verfügt habe. Der letzte darauf gerichtete Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 19. Oktober 2007 sei von der Aufenthaltsbehörde nicht mehr bewilligt worden, weil der Beschwerdeführer den erforderlichen Studienerfolg nicht habe nachweisen können. Anlässlich des Verlängerungsantrages habe die Niederlassungsbehörde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass die Aufenthaltsbeendigung veranlasst werde.

Der Beschwerdeführer sei mit Bescheid "der Technischen Universität" vom 1. Dezember 2003 ab dem Sommersemester 2004 bzw. dem Wintersemester 2004/2005 unter der Voraussetzung der Kenntnis der deutschen Sprache zum ordentlichen Studium der Studienrichtung "Informatik-Bakkalaureat" zugelassen worden. Die Deutschkenntnis habe er durch Vorlage des Zeugnisses der Universität Wien, Wiener internationale Hochschulkurse, vom 24. Juni 2005 dokumentiert. Er habe zwei Prüfungsnachweise für das Bakkalaureatstudium vorgelegt, und zwar vom 22. Juni 2006 im Fach "Mathematik 2 für ET" über zwei Wochenstunden mit 2,5 ETCS-Punkten und vom 24. Jänner 2007 im Gegenstand "Demonstrationen zu Chemie für technische Physiker" über ebenfalls zwei Wochenstunden und mit 3 ETCS-Punkten.

Die in seiner Berufung gegen den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid geltend gemachten persönlichen Probleme, Streitigkeiten mit seinen Eltern und eine einmonatige Bettlägrigkeit nach einer Sportverletzung sah die belangte Behörde nicht als ausreichend an, um die Aufenthaltsbewilligung trotz fehlenden Studienerfolges zu verlängern. Angesichts der strengen Zweckbindung der zu erteilenden Aufenthaltstitel könne wohl kein Zweifel bestehen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers, der im letzten Studienjahr den Studienerfolg "weit (!) verfehlt" habe, den im § 11 Abs. 2 Z 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG genannten öffentlichen Interessen in erheblichem Ausmaß widerstreite.

Die Ausweisung des ledigen Beschwerdeführers, der weder berufliche noch familiäre Bindungen zum Bundesgebiet aufweise, sei zulässig, weil sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (etwa der Aufrechterhaltung der Ordnung und eines intakten Fremdenwesens) dringend geboten sei und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die persönlichen und privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich bei weitem überwögen. Da der Beschwerdeführer nur für den vorübergehenden Zweck des Studiums zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei, würden die aus dessen Dauer ableitbaren Interessen mangels ausreichenden Studienerfolgs entscheidend gemindert.

Besondere Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers könnten weder erkannt werden noch seien solche dargelegt worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Trotz Abschiebung des Beschwerdeführers am 14. Mai 2008 in sein Heimatland und unterbliebener Stellungnahme zur Frage, ob und inwieweit der Beschwerdeführer noch ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über seine Beschwerde aufweise, greift der angefochtene Bescheid über die Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG in die Rechtssphäre des Fremden ein, weil das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung gemäß § 25 Abs. 2 NAG auf Antrag fortzusetzen ist, und nach § 24 Abs. 3 NAG der Aufenthaltstitel zu erteilen ist, wenn eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist. Daher kommt der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde nicht nur abstrakttheoretische Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 98/21/0273).

2. Der Beschwerdeführer verfügte unstrittig bisher ausschließlich über Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums, nach der Aktenlage zuletzt mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 20. Oktober 2007.

Da sich der Beschwerdeführer infolge des am 19. Oktober 2007 gestellten Verlängerungsantrages während eines Verlängerungsverfahrens (vgl. dazu auch § 24 NAG) im Bundesgebiet aufhielt, kann er gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund im Sinn des § 11 Abs. 1 NAG entgegensteht oder eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 NAG fehlt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2008/18/0610, mwN). Nach § 11 Abs. 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel (u.a.) nur erteilt werden, wenn (Z 1) der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet, was gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG zutrifft, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Fehlt es hingegen an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung, so ist der Verlängerungsantrag von der Niederlassungsbehörde abzuweisen und nicht die Vorgangsweise nach § 25 Abs. 1 NAG (Verständigung der Fremdenpolizeibehörde zur allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) einzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0608, mwN).

Die belangte Behörde kam nun zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG, wonach der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreiten dürfe, nicht erfülle, weil der Beschwerdeführer, der sich seit März 2004 ausschließlich zum Zweck des Studiums im Bundesgebiet befinde, im letzten Studienjahr den Studienerfolg weit verfehlt habe.

Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, verweist doch die Beschwerde selbst auf keine weiteren Prüfungserfolge als sie im angefochtenen Bescheid ohnedies genannt sind. Den nach § 64 Abs. 3 NAG iVm § 8 Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (BGBl. II Nr. 451/2005) erforderlichen Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002, wofür im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) erforderlich sind, vermochte der Beschwerdeführer nicht zu erbringen.

Ein Fremder, der sich - wie der Beschwerdeführer - seit März 2004 zum Zweck eines Studiums im Bundesgebiet aufhielt und bis zur Erlassung des Ausweisungsbescheides vom 7. Februar 2008 in keinem der vorangegangenen Studienjahre den geforderten Studienerfolgsnachweis erbringen konnte, beeinträchtigt durch seinen Aufenthalt das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, 2007/18/0089, mwN). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erlangung von "Kenntnissen eines freiheitlichen demokratischen Staates", welche nach seiner Rückkehr dem Gemeinwohl seines Heimatlandes zu Gute kämen, vermag nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Die in der Beschwerde geforderte Erteilung von Auflagen zu Gewährleistung eines zügigen Studienerfolges sind im Gesetz nicht vorgesehen und es kann deren Unterbleiben nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Der Beschwerdeführer legte keine Gründe, die seiner Einflusssphäre entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar gewesen wären, für das Fehlen des Studienerfolges über mehrere Jahre im Sinn des § 64 Abs. 3 zweiter Satz dar. Die in der Berufung vom 13. Jänner 2008 gegen den erstinstanzlichen Bescheid genannten Streitigkeiten mit seinen Eltern führte er auf deren Ablehnung seines Hobbys, das Kickboxen, zurück. Auch wenn sein Sportverband um die Einräumung ausreichender Zeit für das Training und "sein Studentenvisa zu verlängern" ersuchte, stellt diese Freizeitbeschäftigung keinen Grund dar, der der Einflusssphäre des Beschwerdeführers entzogen gewesen wäre. Mit der Einschränkung oder Einstellung dieser Tätigkeit wäre auch der - von ihm selbst vorgebrachte - Grund für die Auseinandersetzungen mit seinen Eltern weggefallen. Inwiefern eine einmonatige Bettlägrigkeit - entgegen den Annahmen im angefochtenen Bescheid - den Beschwerdeführer außer Stande gesetzt hätte, sich theoretische Kenntnisse aus Büchern und Skripten anzueignen, und den Studienerfolg beeinträchtigt hätte, bleibt die Beschwerde ebenso darzustellen schuldig wie die verlangte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall und die begehrten präzisen Sachverhaltsfeststellungen. Der geltend gemachte Begründungsmangel liegt sohin nicht vor. Im Übrigen geht schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hervor, inwieweit selbst bei Zutreffen die Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, er hätte jenen Aufenthaltszweck, für den ihm der Aufenthaltstitel erteilt wurde, tatsächlich verfolgt.

4. Die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens über Streitigkeiten mit seinen Eltern nicht ab, sodass deren Vernehmung nicht erforderlich war und eine Anleitungspflicht, sie als Zeugen namhaft zu machen, nicht begründet werden konnte. Eine darüber hinausgehende Pflicht der belangten Behörde, eine Präzisierung des Vorbringens des Beschwerdeführers herbeizuführen, erweist sich bereits deshalb als verfehlt, weil sich die Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG nach ständiger hg. Rechtsprechung nur auf verfahrensrechtliche Vorschriften, nicht jedoch auf die Sache selbst bezieht; die Behörde hat daher die Partei insbesondere nicht anzuleiten, welche Behauptungen sie aufzustellen habe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2007/18/0451, mwN).

5. Im Hinblick auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG macht der Beschwerdeführer keine relevanten Umstände geltend, auf Grund derer die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Angesichts der Feststellungen stellt sich das Ergebnis der Abwägung als unbedenklich dar.

6. Der Verwaltungsgerichtshof kann schließlich die Auffassung des Beschwerdeführers nicht teilen, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Ausweisung hätte Abstand nehmen müssen; besondere Umstände, die eine solche Abstandnahme geboten hätten, liegen nach dem Gesagten nicht vor.

7. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Oktober 2011

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