VwGH 2007/17/0168

VwGH2007/17/016814.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache 1. der GI AG, 2. des DI Mag. WK, beide in G, und 3. des HB in W, alle vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 11. Juli 2007, Zl. FMA-W00446/0006-WAW/2007, betreffend Auftrag gemäß § 24 Abs 3 WAG iVm § 70 Abs. 4 BWG, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kosten werden keine zugesprochen.

Begründung

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin war ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer waren im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Geschäftsleiter der Erstbeschwerdeführerin.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen an die Erstbeschwerdeführerin adressierten Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli 2007, mit dem der Erstbeschwerdeführerin drei Aufträge gemäß § 24 Abs 3 WAG in Verbindung mit § 70 Abs. 4 BWG erteilt wurden.

Unter Spruchpunkt 1) wurde der Auftrag erteilt, zwei neue Geschäftsleiter (an Stelle des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers) zu bestellen, unter Spruchpunkt 2) wurde die Übermittlung von Unterlagen aufgetragen und unter Spruchpunkt 3) die Erbringung des Nachweises verlangt, dass "die Einflussnahme des DI Mag. W (d.i. der Drittbeschwerdeführer) als Mehrheitsgesellschafter nicht fortbestehen kann".

1.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

1.3. Mit Schreiben vom 9. März 2011 teilte die belangte Behörde sodann mit, dass mit Bescheid vom 8. Jänner 2010, Zl. FMA-W00446/0005-WAW/2009, festgestellt worden sei, dass die Konzession der Erstbeschwerdeführerin infolge Zurücklegung mit Wirkung vom 31. Dezember 2009 erloschen sei. Der genannte Bescheid wurde in Kopie vorgelegt.

Eine Abfrage im Firmenbuch ergab, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Liquidation befindet, aber noch nicht gelöscht ist.

1.4. Mit Verfügung vom 20. September 2011 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, mitzuteilen, inwieweit sie sich durch den angefochtenen Bescheid noch beschwert erachten.

1.5. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 teilten die Beschwerdeführer mit, dass die Maßnahmen der Behörde der Gesellschaft (der Erstbeschwerdeführerin) einen erheblichen Schaden verursacht hätten. Dieser werde gemäß § 11 Abs. 1 AHG "an die FMA heranzutragen sein".

Der Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer seien nach wie vor im Bankgeschäft bzw. im Bereich der Vermögensverwaltung tätig. Sollte der angefochtene Bescheid bestätigt werden, sei dies kreditschädigend für den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer. Beide müssten, wenn sie sich etwa um die Bestellung zum Geschäftsleiter bei einem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder bei einer Bank bemühten, wohl die beschwerdegegenständlichen Vorfälle offenlegen. Dazu käme, dass der Markt relativ klein sei, es sei daher einer Vielzahl von potenziellen Dienstgebern des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers durchaus bekannt, dass bei den Höchstgerichten Beschwerden gegen die Vorgangsweise der FMA eingebracht worden seien.

Die Erwerbschancen der beiden Beschwerdeführer im Bereich des Bankwesens bzw. der Vermögensverwaltung seien bedeutend besser, wenn die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen der Finanzmarktaufsicht festgestellt werde.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 24 Abs. 3 WAG, BGBl. Nr. 753/1996 in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001, in Verbindung mit § 70 Abs. 4 BWG.

§ 24 Abs. 3 WAG lautete in der genannten Fassung:

"(3) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 20 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat die FMA die in § 70 Abs. 4 Z 1 bis 3 BWG genannten Maßnahmen in bezug auf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu ergreifen."

Gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 BWG, BGBl. Nr. 639/1993 in der im Jahre 2007 geltenden Fassung nach BGBl. I Nr. 141/2006, hatte die FMA unter den dort genannten Voraussetzungen

"1. dem Kreditinstitut unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;"

2.2. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0143, vom 22. Oktober 1991, Zl. 90/08/0115, oder vom 29. Jänner 2009, Zl. 2005/10/0084).

Die gesetzlichen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren einer Partei nämlich nicht den Anspruch auf die Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden, sondern den Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die - im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin - in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 3. November 2008, Zl. 2005/10/0214, mit weiteren Nachweisen).

2.3. Im vorliegenden Fall kann die Erstbeschwerdeführerin nach der Zurücklegung ihrer Konzession durch einen Bescheid, mit dem Aufträge nach § 24 Abs. 3 WAG erteilt wurden, nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein.

Auch der Umstand, dass in einem allfälligen künftigen Verfahren nach dem Amtshaftungsgesetz die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides präjudiziell sein könnte, vermag daran nichts zu ändern. Gemäß § 11 Abs. 1 AHG hat das ordentliche Gericht im Amtshaftungsprozess das Verfahren zu unterbrechen und die Frage der Rechtmäßigkeit eines für seine Entscheidung präjudiziellen Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es den Bescheid für rechtswidrig hält. Aus diesem Grund steht auch die Absicht, Amtshaftungsansprüche gegen eine Gebietskörperschaft geltend zu machen, der Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit nicht entgegen (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0054).

2.4. Hinsichtlich des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers kann dahin gestellt bleiben, ob diese durch den angefochtenen Bescheid in Rechten berührt werden und somit beschwerdelegitimiert sind (vgl. verneinend Johler in: Dellinger (Hrsg.), BWG, § 70 BWG Rz 2 und § 70 BWG Rz 88). Auch hinsichtlich dieser Beschwerdeführer ist, wie im Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2007/17/0177, näher dargelegt wird und auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen werden kann, nach der Zurücklegung der Konzession durch die Erstbeschwerdeführerin jedenfalls eine sonstige Gegenstandslosigkeit eingetreten. Auf die Frage, ob der Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer durch den hier in Rede stehenden Auftrag in ihren subjektiven Rechten betroffen sind, war daher im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen.

2.5. Daher war das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Fällt bei einer Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hierbei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Da im vorliegenden Fall ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht gesagt werden kann, ob die Beschwerde Erfolg gehabt hätte, waren keine Kosten zuzusprechen.

Wien, am 14. Dezember 2011

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