VwGH 2007/07/0128

VwGH2007/07/012826.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, in der Beschwerdesache der Stadtgemeinde M, vertreten durch NH Niederhuber Hager Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 14. August 2007, Zl. BMLFUW-UW.2.1.2/0378- VI/1/2007-Ki, betreffend abfallrechtliche Genehmigung (mitbeteiligte Partei: G Deponieerrichtungs- und Betriebsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 22), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs2;
AWG 1990 §29 Abs5 Z4;
AWG 1990 §29;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs2;
AWG 1990 §29 Abs5 Z4;
AWG 1990 §29;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Jänner 2006 wurde der mitbeteiligten Gesellschaft gemäß §§ 29 ff AWG 1990 iVm § 77 Abs. 3 Z 3 AWG 2002 die abfallrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Abfalldeponie sowie einer Konditionier- und Kompostieranlage in der (im Gemeindegebiet M. gelegenen) Katastralgemeinde K. gemäß der im Punkt A) vorgenommenen Projektkonkretisierung und unter Vorschreibung der im Punkt B) angeführten Auflagen und Bedingungen erteilt.

Dagegen erhob die (nunmehr beschwerdeführende) Stadtgemeinde M. eine Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (der belangten Behörde) vom 14. August 2007 keine Folge gegeben wurde. Unter einem wurden die in der Berufung gestellten Anträge auf ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides, in eventu auf dessen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Erstbehörde zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung sowie auf Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G ausdrücklich abgewiesen.

In der Begründung fasste die belangte Behörde den Inhalt der Berufung (den Überschriften der einzelnen Abschnitte folgend) dahin zusammen, dass die Beschwerdeführerin unter dem Berufungsgrund der Rechtswidrigkeit des Inhalts die fehlenden Zustimmungserklärungen der Grundeigentümer, die mangelnde Berücksichtigung bestimmter öffentlicher Interessen, die unterlassene Bedachtnahme auf mittlerweile geänderte Verkehrsverhältnisse und auf die daraus resultierende Lärm- und Umweltbelastung sowie die fehlende Berücksichtigung des "Windparks K./M." geltend gemacht habe. Weiters seien die mangelnde Bedachtnahme auf die EU-Hygieneverordnung und auf die Kompostverordnung, ein "rechtswidriger Bescheidaufbau" sowie die Nichtigkeit wegen Genehmigung ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und der unterlassene ausdrückliche Abspruch über die Einwendungen der Parteien gerügt worden. Schließlich habe die Beschwerdeführerin in der Berufung noch die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und der Beweiswürdigung sowie Begründungsmängel behauptet.

Dazu führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, gemäß § 29 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 idF BGBl. I Nr. 108/2001, unterlägen unter anderem die Errichtung und die Inbetriebnahme von näher beschriebenen Behandlungsanlagen und Deponien einer Genehmigung des Landeshauptmannes. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung hätten in diesem Verfahren neben dem Antragsteller (Z 1) unter anderem die betroffenen Grundeigentümer (Z 2), die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar angrenzenden Gemeinden der Behandlungsanlage (Z 4) und die Nachbarn (Z 6) Parteistellung.

Die Beschwerdeführerin sei nicht "betroffener Grundeigentümer", weil von § 29 Abs. 5 Z 2 AWG nur jene Liegenschaftseigentümer erfasst seien, auf deren Grundstücken die Anlage errichtet und betrieben werden solle (Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 11. September 1997, Zl. 97/07/0051). Hinsichtlich der Standortgemeinden habe der Verwaltungsgerichtshof aber schon mehrfach ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG - abgesehen von prozessualen Rechten - keine subjektiv öffentlichen Rechte vermittle (Hinweis auf das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 96/07/0055). Die im § 29 Abs. 5 Z 4 AWG der Gemeinde des Standortes und den unmittelbar angrenzenden Gemeinden der Behandlungsanlage zuerkannte Parteistellung allein gewähre kein subjektives Recht (Hinweis auf den Beschluss des VwGH vom 28. Februar 1996, Zl. 95/07/0098). Soweit sich die Beschwerdeführerin daher auf die aus § 29 Abs. 5 Z 4 AWG erfließenden Rechte berufe, sei die Berufung zurückzuweisen. Allerdings sei die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Stellung als Formalpartei befugt, die Verletzung prozessualer Rechte geltend zu machen (Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 25. April 1996, Zl. 95/07/0172), weshalb sie sich "auf eine Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen" könne. Die Beschwerdeführerin lasse "jedoch offen, was am Ermittlungsverfahren mangelhaft ist."

Aufgrund der im Berufungsverfahren von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Zustimmungserklärungen in Bezug auf die vom Projekt betroffenen Grundstücke und wegen der (aus näher angeführten Gründen) mit Sicherheit zu erreichenden Zustimmung "im Rahmen der Straßenbauverwaltung" betreffend das für den Einmündungstrichter der Zu- und Abfahrt zum Deponiegelände benötigte Grundstück sei dem diesbezüglichen Einwand der Beschwerdeführerin der Boden entzogen. Dazu sei noch anzumerken, dass über die vom Einmündungstrichter betroffene Grundstücksfläche in einem eigenen (getrennten) Verfahren nach § 21 BStG zu verhandeln sei und im Sinn des § 26 BStG der Bund als Eigentümer zuzustimmen habe, wenn die in diesem Gesetz geforderten Voraussetzungen bzw. keine Versagungsgründe vorlägen. Es entspreche auch der "gängigen" Vorgangsweise bei vergleichbaren Projekten, die Details der Ausgestaltung von Einmündungstrichtern für Zufahrten erst nach Vorliegen aller rechtskräftigen Bewilligungen zur Errichtung der (Deponie-)Anlage einzuholen. Eine Ablehnung der Möglichkeit zur Errichtung eines Einmündungstrichters in die bestehende Wegführung und damit praktisch eine Verhinderung des gesamten bewilligten Deponieprojektes sei unmöglich bzw. würde bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zuwider laufen.

Beim Einwand in der Berufung, die Erstbehörde habe das Ermittlungsverfahren im Wesentlichen im Jahre 2003 beendet und danach erfolgte Änderungen der Sach- und Rechtslage weitgehend unbeachtet gelassen, werde - so begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weiter - die Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 3 AWG 2002 übersehen, wonach anhängige Verfahren betreffend Behandlungsanlagen nach den vor In-Kraft-Treten des AWG 2002 geltenden Vorschriften abzuschließen seien.

"Unbeachtlich" seien auch die von der Beschwerdeführerin - unter "Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens im Einzelnen" - geltend gemachten Einwände der unterbliebenen Ermittlung der Auswirkungen einer (genehmigten und in unmittelbarer Nähe der Deponie zu errichtenden) Windanlage und der (im Genehmigungsstadium befindlichen) Autobahn A 5 sowie die Änderung der Deponieverordnung per 1. Jänner 2004 und von sonstigen Änderungen der Rechtslage. Es könne dahin gestellt bleiben, "ob bzw. inwieweit diese Einwände überhaupt ein 'Verfahrensmangel' sind" oder inhaltliche Mängel darstellten, deren Geltendmachung mangels Zukommen subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin verwehrt sei. Selbst wenn diese Einwände als "Verfahrensmangel" qualifiziert werden könnten, habe die Beschwerdeführerin nämlich nicht deren Wesentlichkeit aufgezeigt. Die bloße Behauptung in der Berufung, dass dieser Verfahrensmangel wesentlich sei, "da nicht auszuschließen ist, dass ein zum Entscheidungszeitpunkt, d.h. zum 31.1.2006 durchgeführtes Ermittlungsverfahren, das auch Änderungen des Rechts- und Sachverhaltes in den vergangenen 2 Jahren umfassend berücksichtigt, zu einem anderen Ergebnis geführt hätte", sei lediglich "plakativ und inhaltsleer". Insbesondere werde damit nichts darüber gesagt, welche Änderungen zu berücksichtigen gewesen wären und was - bei Berücksichtigung dieser Änderungen - das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gewesen wäre.

Im Übrigen habe sich die Erstbehörde ausführlich mit der Eignung der Anlage auseinandergesetzt und hierbei im Zuge des umfassenden Ermittlungsverfahrens Gutachten von Sachverständigen eingeholt, die zusammenfassend das Ergebnis erbracht hätten, dass das Vorhaben - unter der Voraussetzung der Einhaltung der vorgeschlagenen und in den Bewilligungsbescheid aufgenommenen Auflagen und Bedingungen - genehmigungsfähig sei.

Was den Einwand der mangelhaften Beweiswürdigung anlange, sei der Beschwerdeführerin zu erwidern, dass das von ihr beauftragte Gutachten von Dr. W. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens einer fachlichen Beurteilung durch den Amtssachverständigen unterzogen worden sei. Der geohydrologische Amtssachverständige komme hierbei nach eingehender Prüfung zu dem schlüssigen Ergebnis, dass mit diesem Gutachten des Dr. W. "keine berechtigten Bedenken gegen die Erteilung einer Bewilligung für das gegenständliche Projekt aufgezeigt" worden seien. Daher gehe der Vorwurf mangelhafter Beweiswürdigung ins Leere.

Schließlich könne der Beschwerdeführerin auch nicht im Zusammenhang mit den eingewendeten Begründungsmängeln gefolgt werden. Im Gegenteil: Wie sich aus dem Akt ergebe, sei die Erstbehörde im Verwaltungsverfahren umfassend auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin (und auch der übrigen Parteien) eingegangen. Daran könne auch der substanzlose Vorwurf in der Berufung eines "Ignorierens von Parteivorbringen" nichts ändern; auch das "bloße Zitieren von - aus dem Zusammenhang gerissener - Rechtsprechung" reiche nicht aus, das rechtmäßige Verhalten der Erstbehörde "mit Willkür zu belasten".

Hinsichtlich der "UVP-Pflicht" erwog die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 46 Abs. 3 und 5 UVP-G, der Antrag auf Genehmigung der gegenständlichen Abfalldeponie sei bereits am 30. Juni 1994 eingebracht worden. Im Hinblick auf nachträgliche Projektsänderungen sei dann ohnehin ein Bürgerbeteiligungsverfahren entsprechend dem 5. Abschnitt des UVP-G durchgeführt worden. Auch eine mögliche Beeinträchtigung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union sei geprüft, aber aufgrund der geografischen Lage des Projektes ausgeschlossen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Stadtgemeinde M., über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen hat:

1.1. Gemäß der Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 3 Z 3 des am 2. November 2002 in Kraft getretenen AWG 2002 war das gegenständliche, damals noch anhängige Verfahren auf Erteilung der Bewilligung für eine - unbestritten - nach § 29 Abs. 1 AWG 1990 und auch nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 genehmigungspflichtige Behandlungsanlage nach den vor In-Kraft-Treten des AWG 2002 geltenden Vorschriften abzuschließen. Das wird auch in der Beschwerde zugestanden.

1.2. Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall noch § 29 AWG 1990 anzuwenden war. Gemäß § 29 Abs. 2 AWG 1990 hatte der Landeshauptmann bei der Erteilung einer Genehmigung gemäß Abs. 1 nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes alle materiell-rechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Luftfahrts-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Rohrleitungs- und Eisenbahnrechtes für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Vorhabens anzuwenden sind. § 29 Abs. 5 AWG betreffend die Parteistellung lautete:

"(5) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren für eine Abfallbehandlungsanlage gemäß Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 haben

  1. 1. der Antragsteller,
  2. 2. die betroffenen Grundeigentümer,
  3. 3. die Inhaber rechtmäßig geübter Wassernutzungen gemäß § 12 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959,

    4. die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar an die Liegenschaft der Behandlungsanlage angrenzende Gemeinde,

    5. das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, BGBl. Nr. 27/1993,

    6. Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1994)."

2.1. Der Auffassung der belangten Behörde, die beschwerdeführende Gemeinde sei nicht "betroffener Grundeigentümer" im Sinne der Z 2 der zitierten Bestimmung, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Die Beschwerdeführerin beruft sich auch nicht darauf, dass ihr Parteistellung als "Nachbar" im Sinne des § 29 Abs. 5 Z 6 AWG 1990 zugekommen sei.

2.2. Vielmehr führte sie schon in der Berufung unter der Überschrift "Berufungsrecht der Standortgemeinde" aus, die Stadtgemeinde M. genieße gemäß § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 die Stellung einer Formalpartei (Legalpartei), die zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und zur Wahrung der im Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegenen Rechte Rechtsmittel erheben und dabei auch die Verletzung prozessualer Recht geltend machen könne.

2.3. Die in der Berufung daran anschließende Ankündigung, es würden auch - in den im § 29 Abs. 2 AWG 1990 angeführten Rechtsvorschriften enthaltene - subjektive Rechte der Gemeinde geltend gemacht, findet im weiteren Berufungsinhalt jedoch keinen Niederschlag. Die Behauptung einer Verletzung derartiger subjektiver Rechte lässt sich der Berufung nicht entnehmen und wird auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

2.4. In der Beschwerde bezieht sich die Stadtgemeinde M. nur auf ihre Parteistellung nach § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 und meint in diesem Zusammenhang (auf Seite 16), wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt werde, sei auch eine Formalpartei befugt, die Verletzung prozessualer Rechte geltend zu machen und sich auf eine Verletzung von Verfahrensvorschriften zu berufen. Dieser Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin als Formalpartei komme ihr auch gegenüber der belangten Behörde zu.

Als Beschwerdepunkt macht die beschwerdeführende Gemeinde geltend, sie sei in ihren subjektiv-öffentlichen einfachgesetzlichen Rechten auf:

"Einhaltung der materiell-rechtlichen Bestimmungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides;

Einhaltung der materiell-rechtlichen Bestimmungen bei Erteilung der bekämpften Deponiegenehmigung;

gesetzmäßige Führung des Ermittlungsverfahrens, insbesondere durch unterbliebene Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes; sowie

Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften, verletzt".

In den weiteren Beschwerdeausführungen behauptet sie sodann - auf das Wesentliche zusammengefasst - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhalts eine unrichtige Beurteilung der behördlichen Ermittlungspflicht, weil das Ermittlungsverfahren vier Jahre vor der Bescheiderlassung beendet und nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung abgestellt worden sei, und eine unrichtige Beurteilung der "Wesentlichkeit" bei Verfahrensmängeln. Dazu führte die Beschwerdeführerin näher aus, dass sie ihrer Auffassung nach in Bezug auf das Ergebnis von notwendig erachteten Ermittlungen zu den Auswirkungen im Zusammenhang mit der Autobahn A 5 und mit der Errichtung der genehmigten Windenergieanlage, in Bezug auf die EU-Hygieneverordnung und die Kompostverordnung sowie im Zusammenhang mit den gelten gemachten öffentlichen Interessen (betreffend das Orts- und Landschaftsbild, die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen sowie die Bedachtnahme auf den Abfallwirtschaftsplan) in der Berufung die Relevanz ausreichend dargelegt habe. Auf diese Ausführungen wird sodann auch im Rahmen des Beschwerdevorbringens unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften Bezug genommen und die diesbezügliche Unterlassung von ergänzenden Ermittlungen gerügt.

3.1. Im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren kommt der Standortgemeinde gemäß § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 nur die Stellung als sogenannte "Formal-(Legal-)partei" zu; sei es zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sei es zur Wahrung der im Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegenen Rechte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 94/05/0152, mit dem Hinweis auf den hg. Beschluss vom 28. Februar 1996, Zl. 95/07/0098). Insoweit kommt ihr - wie die Beschwerdeführerin in der Berufungsschrift zutreffend ausführte - auch das Recht zu, Berufung zu erheben. Die Berufungsbehörde ist somit verpflichtet, die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen. Aus der Parteistellung der Gemeinde erfließt nämlich das Recht auf Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides im Wege einer Sachentscheidung der Berufungsbehörde, ohne dass sich die Formalpartei auf ein darüber hinausgehendes subjektives Recht berufen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl. 2000/03/0211, mwN).

3.2. Der Standortgemeinde als "Formal-(Legal-)partei" fehlt, was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der im Verfahren nach § 29 AWG 1990 anzuwendenden relevanten materiellrechtlichen Bestimmungen anlangt, grundsätzlich ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könnte. Ausnahmen bestehen nur im Hinblick auf die Verletzung von subjektiven Rechten der Gemeinde, die sich aus den im § 29 Abs. 2 AWG 1990 genannten Vorschriften ergeben, und in Bezug auf die Verletzung der prozessualen Befugnisse der Gemeinde. Fehlt es aber an der Behauptung, in einer eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer Beschwerdeführung im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG enthält aber das AWG nicht (vgl. zum Ganzen den schon erwähnten hg. Beschluss vom 28. Februar 1996, Zl. 95/07/0098, mwN). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Beschwerdelegitimation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 der Standortgemeinde - abgesehen von prozessualen Rechten - kein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt; beruft sich die beschwerdeführende Standortgemeinde im Falle einer meritorisch abweislichen Erledigung ihrer vorgetragenen Einwendungen durch die Behörde auf ihre aus § 29 Abs. 5 Z 4 AWG erfließenden Rechte, ist ihre Beschwerde zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 96/07/0055, mwN).

4.1. Die belangte Behörde meinte in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Standortgemeinde sei auf Grund ihrer Stellung als Formalpartei lediglich befugt, im Administrativverfahren die Verletzung prozessualer Rechte geltend zu machen, und deren Berufung sei, soweit sie sich auf die "aus § 29 Abs. 5 Z 4 AWG erfließenden Rechte" berufe, zurückzuweisen. Dem liegt, wie sich aus den in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, offenbar zugrunde, dass ein für die Frage der Zulässigkeit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof in der Judikatur entwickelter Rechtssatz auf die Frage der Zulässigkeit der Berufung einer Standortgemeinde im Administrativverfahren übertragen wurde. Diese Fragen sind - wie sich aus Punkt 3.1. und 3.2. ergibt - aber strikt voneinander zu trennen.

4.2. Durch diese verfehlte Begründung des angefochtenen Bescheides wurde die Beschwerdeführerin jedoch in ihren prozessualen Rechten nicht verletzt, weil die belangte Behörde die in der Berufung von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwendungen nicht als unzulässig behandelt, sondern sich mit diesen im bekämpften Bescheid - wie sich schon aus der oben vorgenommenen Wiedergabe der Begründung ersehen lässt - inhaltlich auseinandergesetzt hat. Die belangte Behörde befasste sich nämlich mit allen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften in der Berufung vorgetragenen Einwänden, die der Sache nach auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wurden. Sie hat somit im Ergebnis die Sachauseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen inhaltlich nicht verweigert. Ob die diesbezügliche Beurteilung durch die belangten Behörde und die in diesem Zusammenhang vertretenen Rechtsauffassungen zutreffend sind oder nicht, entzieht sich aber im Hinblick auf die eingeschränkte Beschwerdelegitimation der Standortgemeinde der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. den auch das gegenständliche Projekt betreffenden hg. Beschluss vom 26. Juni 1995, Zl. 95/10/0064, mit dem die Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Gemeinde infolge der ihr nach § 14a NÖ NSchG zukommenden bloßen Stellung als Formalpartei zurückgewiesen wurde.).

4.3. Dass die Beschwerdeführerin jedoch von der belangten Behörde an der Wahrung ihrer durch die Parteistellung im Sinne des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 gewährten prozessualen Befugnisse gehindert worden wäre, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht (vgl. oben Punkt 2.4.). Vielmehr wird in der Beschwerde die Auffassung der belangten Behörde über die eingeschränkte Berufungslegitimation der Formalpartei ausdrücklich für zutreffend erachtet. Der Beschwerdeführerin käme aber - wie im Punkt 3.2. dargestellt wurde - nur in Bezug auf die Verletzung dieser prozessualen Rechte ein Beschwerderecht vor dem Verwaltungsgerichtshof zu.

5.1. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

5.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Jänner 2011

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