VwGH 2009/13/0239

VwGH2009/13/023928.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über den Antrag des MS als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 5. Oktober 2009, GZ. RV/0155-K/07, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2001 bis 2003, und in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der zur hg. Zl. 2009/13/0239 protokollierten Beschwerde bekämpfte der Beschwerdeführer den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 2009. Die Beschwerde ist mit 25. November 2009 datiert, wurde an diesem Tag zur Post gegeben und langte am 27. November 2009 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Zur Rechtzeitigkeit enthielt die Beschwerde die Angabe, dass der angefochtene Bescheid am 15. Oktober 2009 zugestellt worden sei.

Mit Berichterverfügung vom 15. Dezember 2009 wurde über die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet.

In der am 17. Februar 2010 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Gegenschrift wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Beschwerde offensichtlich verspätet sei. Der angefochtene Bescheid sei nämlich nicht am 15. Oktober 2009, sondern laut Zustellnachweis am 7. Oktober 2009 zugestellt worden. Die sechswöchige Beschwerdefrist habe damit am 18. November 2009 geendet. Die Beschwerde sei hingegen erst am 27. November 2009 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt. Auf der der Beschwerde angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides befänden sich zwei Stempelaufdrucke jeweils mit dem Vermerk "Eingegangen" und dem Datum 15. Oktober 2009. Diese Stempelvermerke stimmten nicht mit dem Zustellnachweis überein. Ein weiterer Stempel auf der Berufungsentscheidung laute "Eingelangt ... 2009 - (th.-w.- sch.)", wobei beim Datum der Tag und das Monat unleserlich seien.

Am 9. März 2010 langte ein am 8. März 2010 zur Post gegebener Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgerichtshof ein (protokolliert zur hg. Zahl 2010/13/0055 WE). In diesem wurde auch die Beschwerde wiederholt.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird ausgeführt, dass die Gegenschrift am 22. Februar 2010 zugestellt worden sei. Das darin enthaltene Vorbringen zur verspäteten Einbringung der Beschwerde habe der Beschwerdeführer zum Anlass genommen, den "Fristverlauf in der gegenständlichen Beschwerdesache zu überprüfen, wobei sich tatsächlich ergab, dass auf Grund eines Irrtums in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters, sohin auf Grund eines unabwendbaren und unvorhersehbaren Ereignisses, die 6-wöchige Beschwerdefrist unrichtig vorgemerkt wurde". Der angefochtene Bescheid vom 5. Oktober 2009 sei dem als Beschwerdeführer im Konkurs der B GmbH einschreitenden Masseverwalter am 7. Oktober 2009 zugestellt worden. Da sich der Masseverwalter im gegenständlichen Verfahren wiederum vom "ständig rechtsfreundlichen" Vertreter der B. GmbH habe vertreten lassen, habe der Masseverwalter die Berufungsentscheidung an die Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdevertreters weitergeleitet. Darüber hinaus habe sich der Masseverwalter auch telefonisch mit dem Beschwerdevertreter in Verbindung gesetzt und diesem die Zustellung des angefochtenen Bescheides mitgeteilt. Es sei besprochen worden, dass "eben der Bescheid am 7.10.2009 eingelangt sei, dieser Bescheid an die Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdeführervertreters weitergeleitet und von diesem die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werde". Am 15. Oktober 2009 "- siehe Eingangsstempel -" sei dann die Berufungsentscheidung in der Kanzlei des Beschwerdevertreters eingelangt. Dieser Posteingang sei vom zuständigen Personal dem in der Kanzlei geführten Akt zugeteilt worden. Im Rahmen der täglich am frühen Nachmittag stattfindenden Postbesprechung habe die Kanzleileiterin Margit U. dem Beschwerdevertreter den gegenständlichen Akt samt der Berufungsentscheidung vorgelegt. Der Beschwerdevertreter habe die Kanzleileiterin angewiesen, die Frist für die einzubringende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom Tag des Einlangens der Berufungsentscheidung beim Masseverwalter und "somit vom 7. 10. 2009 vorzumerken, weshalb der letzte Tag der Frist der 18. 11. 2009 sei". Margit U. "als zuständige und zuverlässige" mit den Fristenvormerken beauftragte Kanzleileiterin habe in weiterer Folge den Akt - wie auch andere Akten, in denen Fristen vorzumerken gewesen seien - wiederum an sich genommen und "merkte in weiterer Folge die Frist vor". Wie sich "ganz offensichtlich" ergebe, sei Margit U. dabei - "im mitunter durchaus stressigen Kanzleialltag - im Zuge des Fristvormerkens dann der Irrtum unterlaufen, indem sie die ausdrückliche Anweisung des (Beschwerdevertreters) vergessen hatte und irrtümlich die 6- wöchige Frist vom 15.10.2009 an, sohin den 26.11.2009 als letzten Tag dieser Frist vormerkte". In weiterer Folge sei die Ausarbeitung der Beschwerde erfolgt, wobei sich diese auf die Übernahme eines bereits ausgearbeiteten Beschwerdetextes der inhaltsgleichen Beschwerde "des Verhandlungsaktes Zl. 2009/13/0076- 9 beschränkte". Da diese inhaltsgleiche Beschwerde bereits im Akt eingelegen sei, sei keine weitere intensive juristische Beschäftigung mit dem Akt erforderlich gewesen. Es sei zum ersten Mal passiert, dass der seit mehreren Jahren ursprünglich bei der Justiz und nunmehr beim Beschwerdevertreter beschäftigten Kanzleileiterin, die seit langem auch mit der Vormerkung von Fristen betraut sei, ein derartiger Fehler unterlaufen sei.

In einer dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen "eidesstättigen Erklärung" der Kanzleileiterin stellte diese dar, dass sie von September 2002 bis März 2009 bei der Justiz beschäftigt gewesen sei. Seit 1. April 2009 sei sie in der Rechtsanwaltskanzlei tätig und als Kanzleileiterin auch mit dem Fristvormerk beauftragt. Sie könne sich daran erinnern, dass ihr der Beschwerdevertreter im Rahmen der täglichen Postbesprechung den Auftrag erteilt habe, in der gegenständlichen Beschwerdesache den Fristablauf vom Tag des Poststempels der Kanzlei "(th.-w.- sch.)" an vorzumerken, weshalb "eben als letzter Tag der 18.11.2009 genannt wurde". Es sei für sie "im Nachhinein vollkommen unerklärlich", dass sie bei Durchführung des tatsächlichen Fristvormerkes dann irrtümlich den Eingangsstempel "unserer Kanzlei" zur Berechnung herangezogen und völlig vergessen habe, dass der Beschwerdevertreter "ja ausdrücklich darauf verwiesen hat, dass hier der Eingang in der Kanzlei (th.-w.-sch.) zu beachten sei". Ein derartiges Missgeschick sei ihr bisher noch nie passiert.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 24. September 2008, 2008/15/0186, 0187).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleimitarbeiterin eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Mitarbeiterin verletzt hat. Zu den Aufgaben des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Wahrung einer Frist gehört es, die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042 und 0071, und vom 29. September 2004, 99/13/0248). Er hat Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er z.B. eine andere geschulte und verlässliche Mitarbeiterin mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt. Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleimitarbeiters seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. März 2000, 2000/16/0057, 2000/16/0112 WE).

Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird zwar vorgebracht, der Kanzleileiterin sei - "im mitunter durchaus stressigen Kanzleialltag" - offensichtlich im Zuge der Eintragung der Fristvormerkung ein Fehler unterlaufen. Es wird aber in keiner Weise geschildert, inwieweit in der Kanzlei des Beschwerdevertreters ein Kontrollsystem eingerichtet gewesen wäre, um derartige Fehlleistungen zu verhindern oder rechtzeitig zu erkennen. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die auf die fehlerhafte Fristeintragung zurückzuführende verspätete Einbringung der Beschwerde bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen ist. Außerdem lag gerade im gegenständlichen Fall, in dem die Beschwerdefrist abweichend vom Datum des Eingangsstempels der Kanzlei des Beschwerdevertreters zu berechnen war, eine Kontrolle der richtigen Eintragung der Beschwerdefrist nahe.

Dem Wiedereinsetzungsantrag konnte damit bereits deshalb keine Folge gegeben werden. Bei diesem Ergebnis bedarf es auch keiner weiteren Untersuchung der Frage, ob der Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht bereits bei der Ausarbeitung der mit 25. November 2009 datierten Beschwerde erkannt werden konnte und musste (vgl. für viele etwa die hg. Beschlüsse vom 24. Juni 1999, 99/15/0084, und vom 15. Februar 2006, 2005/13/0155, 2006/13/0009 WE), sodass mit diesem Zeitpunkt das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG aufhörte und die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages entgegen der Annahme im vorliegenden, am 8. März 2010 zur Post gegebenen, Wiedereinsetzungsantrag nicht erst mit der Zustellung der Gegenschrift der belangten Behörde am 22. Februar 2010 zu laufen begann.

Ausgehend von der am 7. Oktober 2009 erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides war die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist mit Beschluss zurückzuweisen (§ 34 Abs. 1 und 3 VwGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. April 2010

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