VwGH 99/15/0084

VwGH99/15/008424.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über den Antrag des E in K, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger, Dr. Jörg Herzog, Dr. Michael Nierhaus, Dr. Ralph Forcher, Dr. Georg Eisenberger und Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwälte in Graz, Hilmgasse 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 21. Oktober 1998, Zl. RV-067.97/1-8/97, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1993 bis 1995, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss vom 18. Februar 1999, 99/15/0009-3, (zugestellt am 22. April 1999) hat der Verwaltungsgerichtshof eine mit 15. Jänner 1999 datierte und an diesem Tag zur Post gegebene Beschwerde gegen einen nach dem Beschwerdevorbringen am 1. Dezember 1988 zugestellten Bescheid wegen Versäumung der am 12. Jänner 1999 abgelaufenen Beschwerdefrist zurückgewiesen.

Mit dem am 5. Mai 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde. Darin wird ausgeführt, üblicherweise würden Fristen in der Kanzlei der Anwälte des Beschwerdeführers so erfasst, dass von der Kanzleileiterin, die seit 24 Jahren in der Kanzlei der Anwälte beschäftigt sei und die Funktion einer Kanzleileiterin seit gut 20 Jahren ausübe, seit dieser Zeit eine "BU" habe und in derartigen Angelegenheiten stets äußerst sorgsam vorgehe, die Fristen in das Fristenbuch der Kanzlei eingetragen würden. Der Eintrag werde so vorgenommen, dass nicht der allerletzte Tag der Frist, sondern die Frist zwei volle Werktage vor Fristablauf im Fristenbuch eingetragen werde. Der Eintrag im Fristenbuch selbst werde datumsgleich auf demjenigen Poststück, mit dem die diese Frist betreffende Unterlage in der Kanzlei eingelangt sei, von der Kanzleileiterin vermerkt und mit ihrer Paraphe abgezeichnet. Nach Fristeintrag würden die gegenständlichen Akten zum Fristenbuch gelegt, dort vom jeweils dienstältesten Konzipienten mit "großer LU" auf ihre Richtigkeit geprüft, und dann von diesem auf dem im Akt liegenden Schriftstück mit seiner Paraphe gegengezeichnet.

Im vorliegenden Fall - so die weiteren Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag - sei am 28. Dezember 1998 ein mit 23. Dezember 1998 datiertes Auftragsschreiben des Rechtsschutzversicherers des Beschwerdeführers in der Kanzlei der Anwälte eingelangt. Seitens der Kanzleileitern sei ein Fristeintrag mit 13. Jänner 1999 vorgenommen worden, sodass den oben beschriebenen Usancen in der Kanzlei davon auszugehen gewesen sei, dass der 15. Jänner 1999 der "allerletzte Tag" ist. Dass es zu dem unrichtigen Fristeintrag habe kommen können, sei auf ein Versehen der in derartigen Angelegenheiten an sich stets äußerst sorgsam vorgehenden Kanzleileiterin zurückzuführen. Auf der dem gegenständlichen Auftragsschreiben beigeschlossenen Kopie des angefochtenen Bescheides sei auf Höhe des mit 1. Dezember 1998 lautenden Eingangsstempels mit Hand: "Termin - 15.01.1999" vermerkt. Dieser Terminvermerk stamme nicht von der Kanzlei der Anwälte. Er habe sich bereits auf der vom Rechtsschutzversicherer übermittelten Kopie befunden. Die Kanzleileiterin sei durch diesen handschriftlichen Vermerk in die Irre geführt worden, habe demnach tatsächlich den 15. Jänner 1999 als letzten Tag "übernommen und deswegen auch ihrerseits gemäß den Usancen der Kanzlei einen Fristeintrag mit 13.01.1999 vorgenommen". Gleiches sei dem die Gegenzeichnung der Frist vornehmenden Konzipienten (ReAA Dr. W) passiert, wobei für beide Fälle zu sagen sei, dass es sich um eine absolute Ausnahmeerscheinung im Sinne eines einmaligen Versehens handle.

Nachdem der für die Beschwerdesache in der Kanzlei zuständige RA Dr. F Anfang Jänner 1999 von einem mehrtägigen Urlaub zurückgekehrt gewesen sei, habe er den gegenständlichen Akt "ihm vorgelegt" vorgefunden. Im Hinblick darauf, dass sich auf dem Berufungsbescheid ein Eingangsstempel "1. Dezember 1998", ohne Beisatz, von wem dieser Eingangsstempel angebracht worden sei, befunden habe, habe er sofort mit der im Berufungsbescheid genannten Steuerberatungskanzlei des Beschwerdeführers mit Fax vom 4. Jänner 1999 Kontakt aufgenommen und um Bestätigung des Umstandes, dass der Eingangsstempel "1. Dezember 1998" von dieser Kanzlei stamme, ersucht. Eine entsprechende Bestätigung sei am 5. Jänner 1999 fernmündlich erteilt worden. Rechtsanwalt Dr. F sei von der Richtigkeit des Fristeintrages seiner Kanzleileiterin und der Gegenzeichung durch Dr. W ausgegangen, zumal er aus seinen Erfahrungen der letzten 15 Jahre wisse, dass es hinsichtlich der Richtigkeit der so vorgenommenen und gegenkontrollierten Fristeintragungen keine Probleme gebe. Nachdem am 12. Jänner 1999 die notwendige Kontaktaufnahme zwischen dem Beschwerdeführer und dem die Beschwerde verfassenden Anwalt erfolgt sei, sei die Beschwerde vom Rechtsanwalt verfasst und dann (nach Vornahme der Korrekturen eines ersten Ausdruckes) am 15. Jänner 1999, dem vermeintlich letzten Tag der Frist, von der Kanzlei der Anwälte zur Post gegeben worden. Gegenständliche Situation sei ein in der Kanzlei der Anwälte einmaliges Ereignis; trotz der seit Jahrzehnten bewährten Vorgangsweise beim Eintragen von Fristen und Kontrollieren von Fristeinträgen sei in einer für die Kanzlei der Anwälte unvorhersehbaren und unabwendbaren Weise ein Irrtum beim Fristeintrag entstanden, der seine Ursache letztlich in einem minderen Grad des Versehens habe. Für den Beschwerdeführer selbst sei dieses Ereignis ebenfalls unvorhersehbar und unabwendbar. Er habe - ebenso wie der die Kanzlei der Anwälte beauftragende Rechtsschutzversicherer - auf den ordnungsgemäßen Fristeintrag vertrauen können.

Als Bescheinigungsmittel für das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wurden "Eidesstättige Erklärungen" der Kanzleileiterin und des Konzipienten, das Auftragsschreiben des Rechtsschutzversicherers sowie die Anfrage an die Rechtsanwaltskanzlei betreffend Bescheidzustellung vorgelegt.

Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller durch ein Ereignis iSd § 46 Abs. 1 VwGG ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Keinesfalls kann nämlich davon ausgegangen werden, dass die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt wurde.

Diese Frist beginnt laut Gesetz mit dem "Aufhören des Hindernisses". Als "Hindernis" ist dabei jenes Ereignis iSd § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Nach den Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrages bestand es in einem durch das Verhalten der Kanzleileiterin des Rechtsanwaltes des Antragstellers verursachten Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. In dem Zeitpunkt, in dem dieser Tatsachenirrtum als solcher erkannt werden konnte und musste, hörte aber auch iSd § 46 Abs. 3 VwGG das Hindernis auf. Der Irrtum über den Ablauf der Beschwerdefrist hätte bei nur geringer Aufmerksamkeit in Anbetracht des eigenen Vorbringens zur Rechtzeitigkeit der zur hg. Zl.99/15/0009 protokollierten Beschwerde (die nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag erst nach der am 12. Jänner 1999 erfolgten Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer verfasst worden ist) spätestens bei Unterfertigung und Versendung dieser Beschwerde am 15. Jänner 1999 bemerkt werden müssen, in welcher als Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides "01. Dezember 1998" angegeben worden war.

Bei dieser aktenkundigen Sachlage ist von einem "Aufhören des Hindernisses" nicht erst mit der am 22. April 1999 erfolgten Zustellung des hg. Zurückweisungsbeschlusses vom 18. Februar 1999, sondern (spätestens) bereits in dem Zeitpunkt auszugehen, in dem die Beschwerde zur Zl. 99/15/0009 unter richtiger Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides verfasst bzw. unterfertigt worden ist. Spätestens an diesem Tag, dem 15. Jänner 1999, begann die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 46 Abs. 3 VwGG zu laufen. Der am 5. Mai 1999 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag erweist sich demnach als verspätet (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1984, 84/13/0223, 0224, 2. Juni 1992, 92/14/0045, 0046, und 10. Februar 1999, 98/09/0303, 0304).

Der Antrag war somit als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juni 1999

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