VwGH 2007/08/0174

VwGH2007/08/017424.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R L in G, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 15. Juni 2007, Zl. BMSK-325174/0002-II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

BSVG §2 Abs1 Z1;
UmgrStG 1991 §12;
UmgrStG 1991 §13 Abs1;
UmgrStG 1991 §14 Abs2;
BSVG §2 Abs1 Z1;
UmgrStG 1991 §12;
UmgrStG 1991 §13 Abs1;
UmgrStG 1991 §14 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer nach § 2 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG in der Pensionsversicherung vom 1. Jänner bis 30. September 2006 und in der Kranken- und Unfallversicherung vom 1. Jänner bis 25. September 2006 pflichtversichert sei.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der im Spruch genannten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, maßgeblich sei, ob jene Person, deren Versicherungs- oder Beitragspflicht zu beurteilen sei, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet werde.

Der Beschwerdeführer habe als Alleininhaber seines über den Einheitswertgrenzen liegenden land(forst)wirtschaftlichen Betriebs am 26. September 2006 mit der L GmbH einen Einbringungsvertrag geschlossen. Dabei seien mit Ablauf des Einbringungsstichtags, dem 31. Dezember 2005, alle Aktiven und Passiven sowie alle Rechte und Pflichten des "eingebrachten Unternehmens" mit steuerlicher Wirkung auf die "aufnehmende Gesellschaft" übergegangen.

Der im Vertrag genannte Einbringungsstichtag habe somit nach dem klaren Vertragswortlaut ausschließlich steuerrechtliche Rückwirkung nach den Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes. Abgesehen von dieser steuerlichen Rückwirkung entfalte er jedoch seine Rechtswirkungen mit Vertragsschluss. Der vom Beschwerdeführer angeführte Punkt "Sechstens" des Einbringungsvertrags beziehe sich anders als Punkt "Fünftens" dieses Vertrags nicht auf den Einbringungsstichtag, und die darin geregelten Rechte und Pflichten entfalteten daher keine Rückwirkung.

Für das Ende der Pflichtversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung sei somit der Tag des Vertragsabschlusses, der 26. September 2006, das maßgebliche Datum; das Ende der Pensionsversicherung richte sich nach § 7 Abs. 3 BSVG (folglich 30. September 2006).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 2 BSVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 67/2001 lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. (...)"

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem grundlegenden Erkenntnis vom 11. Oktober 1961, 761/61, VwSlg 5644 A/1961, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, maßgeblich ist, ob jene Person, deren Versicherungs- oder Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinne berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die nicht nach bloß tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten, und zwar primär dem Eigentum bzw. dem Miteigentum am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, beantwortet werden kann.

Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung dieser sich primär aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung setzt rechtswirksame (und rechtswirksam bleibende) dingliche (zB durch Einräumung eines Fruchtgenussrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (zB durch Abschluss eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahe kommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) mit der Wirkung voraus, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (bzw. bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein) aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2007/08/0114 mwN).

2. Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die - für die Jahre 2004 und 2005 mit insoweit rechtskräftig gewordenem erstinstanzlichen Bescheid festgestellte - Pflichtversicherung des Beschwerdeführers auch nach dem 31. Dezember 2005, dem Einbringungsstichtag laut Einbringungsvertrag, bis zum 27. September 2006 (in der Kranken- und Unfallversicherung) bzw. bis zum 30. September 2006 (in der Pensionsversicherung) fortbestand.

3. Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer bewirtschafte seit 1. Jänner 2006 keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mehr. Im Einbringungsvertrag vom 26. September 2006 sei der Einbringungsstichtag 31. Dezember 2005 vereinbart worden, dies sei auch der maßgebliche Stichtag für den Übergang von Nutzen und Lasten und damit auch der Rechnung und Gefahr. Die belangte Behörde vermeine zu Unrecht, dass der Einbringungsstichtag ausschließlich steuerrechtliche Wirkung habe. Die aufnehmende Gesellschaft trete gemäß Punkt Sechstens des Einbringungsvertrags anstelle des Beschwerdeführers in alle Rechtsverhältnisse ein, die zwischen diesem und Dritten bestünden.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Dezember 1972, Zl. 0285/72, zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 2 BKVG 1965 ausgesprochen hat, können die für die Pflichtversicherung maßgebenden Umstände der Führung eines Betriebs auf eigene Rechnung und Gefahr nachträglich und rückwirkend durch einen Vertrag (dort durch die Auflösung eines Pachtverhältnisses) als gegeben gewesene Tatbestände der Versicherungspflicht nicht mehr aus der Welt geschafft werden.

Im Erkenntnis vom 26. Jänner 1993, Zl. 91/08/0058, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Einbringung eines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft nach dem damals in Kraft befindlichen Strukturverbesserungsgesetz dargelegt, dass die Vornahme der entsprechenden sachenrechtlichen Verfügungen frühestens mit Datum des Abschlusses des Einbringungsvertrags angenommen werden kann. Dem Stichtag der Einbringungsbilanz kommt keine über den Bereich des Abgabenrechts hinausgehende Wirkung auf Rechtsverhältnisse zu Dritten zu. Eine zivilrechtliche Rückwirkung der Einbringung auf den Stichtag der Einbringungsbilanz gibt es somit für Vertragsverhältnisse mit Dritten und mit dinglicher Wirkung nicht.

Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2001/08/0034, in einem Fall der Einbringung eines Betriebs im Wege eines Zusammenschlusses nach Art. IV UmgrStG weitergeführt. In diesem Erkenntnis wurde begründend ausgeführt:

"In der Einbringung des Betriebes des Beschwerdeführers in eine GesmbH & Co KEG liegt somit kein schon in der (hier strittigen) Zeit vor der Vornahme der erforderlichen Verfügungsgeschäfte ('Übertragungsakte') wirksamer Rechtsvorgang, der für die Zurechnung der aus der Betriebsführung erwachsenden Rechte und Pflichten maßgeblich sein könnte. Eine solche 'Rückwirkung' folgt auch nicht aus anderen Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes, wie insbesondere auch die gemäß § 24 (UmgrStG) auf Zusammenschlüsse anzuwendende (rein steuerrechtliche) Fiktion des § 14 Abs. 2 leg. cit. zeigt, wonach die Einkünfte des Einbringenden hinsichtlich des einzubringenden Vermögens so zu ermitteln sind, 'als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Einbringungsstichtages erfolgt wäre'."

Der Beschwerdeführer hat seinen landwirtschaftlichen Betrieb durch den am 26. September 2006 abgeschlossenen Einbringungsvertrag gemäß der §§ 12ff UmgrStG in die übernehmende GmbH eingebracht. Gemäß § 13 Abs. 1 UmgrStG kann dabei der Einbringungsstichtag auch auf einen Zeitpunkt vor Unterfertigung des Einbringungsvertrages rückbezogen werden, wobei gemäß § 14 Abs. 2 UmgrStG die Einkünfte des Einbringenden hinsichtlich des eingebrachten Vermögens dann so zu ermitteln sind, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Einbringungsstichtages erfolgt wäre. Eine solche Rückwirkung des zugerechneten Einkommens hat jedoch nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine über den Bereich des Abgabenrechts hinausgehende Wirkung auf Rechtsverhältnisse zu Dritten.

So konnten durch den Einbringungsvertrag insbesondere keine dinglichen Rechte (wie das Eigentum oder ein Fruchtgenussrecht an dem landwirtschaftlichen Betrieb) rückwirkend der übernehmenden GmbH zugeordnet werden. Auch ein obligatorisches Rechtsverhältnis, das die übernehmende GmbH zur Betriebsführung im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet hätte (etwa ein Pachtverhältnis), konnte durch den Einbringungsvertrag rückwirkend nicht begründet werden.

4. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde übersehe Punkt Dreizehntens des Einbringungsvertrags, wonach das eingebrachte Vermögen der übernehmenden Gesellschaft mit Ablauf des Einbringungsstichtags zur Nutzung überlassen werde. Somit liege eine obligatorische Vereinbarung mit der Wirkung vor, dass die übernehmende Gesellschaft bereits ab dem 1. Jänner 2006 aus der Führung des Betriebs berechtigt und verpflichtet worden sei.

Die vom Beschwerdeführer angesprochene Vertragsbestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Dreizehntens: Das eingebrachte Vermögen wird der 'aufnehmenden Gesellschaft' mit Ablauf des Einbringungsstichtages bis zur tatsächlichen Vermögensübertragung zur Nutzung überlassen. Die 'aufnehmende Gesellschaft' erklärt, das eingebrachte Vermögen zur Nutzung übernommen zu haben. Die tatsächliche Vermögensübertragung erfolgt am Tag der fristgerechten Meldung bei der zuständigen Behörde. Die steuerliche Rückwirkung auf den Einbringungsstichtag im Falle einer fristgerechten Meldung bei der zuständigen Behörde bleibt davon unberührt. Erfolgt keine fristgerechte Meldung bei der zuständigen Behörde, findet keine Vermögensübertragung statt und die in diesem Vertrag geschlossenen Vereinbarungen bleiben unwirksam. Die vertragsgegenständliche Umgründung verfolgt die in der Präambel festgelegten Ziele. Diese können nur erreicht werden, wenn die geplanten steuerlichen Wirkungen (Buchwertfortführung, Gebührenbefreiung, Umsatzsteuerbefreiung, etc.) durch Erfüllung sämtlicher Anwendungsvoraussetzungen des § 12 (Paragraf zwölf) UmGrStG (Umgründungssteuergesetz) tatsächlich eintreten. Da im Falle der Nichterfüllung sämtlicher Anwendungsvoraussetzungen des § 12 (Paragraf zwölf) UmGrStG (Umgründungssteuergesetz) und der damit verbundenen steuerlichen Folgen der Vertragszweck einer wirtschaftlich ungefährdeten Unternehmensfortführung nicht erreicht wird, gilt der gegenständliche Vertrag diesfalls als widerrufen."

Nach dieser Vertragsbestimmung wäre demnach - selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass eine rückwirkende Rechteeinräumung im hier angesprochenen Sinne möglich wäre - lediglich die Nutzung des eingebrachten Vermögens an die übernehmende Gesellschaft überlassen, ihr aber nicht die Betriebsführung - mit der Konsequenz, dass sie daraus im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet worden wäre - übertragen worden.

5. Nach Ansicht des Beschwerdeführers missachte die belangte Behörde die ständige Rechtsprechung zur Auslegung von Willenserklärungen, da die Vertragsparteien des Einbringungsvertrags davon ausgingen, dass der Einbringungsstichtag 31. Dezember 2005 nicht bloß steuerrechtliche Wirkungen habe, sondern auch für die tatsächliche Vermögensübertragung und den Übergang von Rechnung und Gefahr des landwirtschaftlichen Betriebs maßgeblich sei.

Auch dieses Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Denn zum einen fehlt schon jeder Anhaltspunkt für den behaupteten Parteiwillen, wonach sich die Wirkungen des Einbringungsvertrags auf den rückwirkenden Übergang von Rechnung und Gefahr aus der Führung des landwirtschaftlichen Betriebes erstrecken sollten, da im schriftlichen Vertrag lediglich eine Überlassung "zur Nutzung" erwähnt ist. Zum anderen aber könnten selbst bei einem dahingehenden Parteiwillen durch einen Einbringungsvertrag gemäß §§ 12ff UmgrStG zwar bestimmte Rechtsfolgen, in tatsächlicher Hinsicht jedoch weder eine rückwirkende Änderung der Zuordnung dinglicher Rechte noch eine rückwirkende Begründung eines zur Betriebsführung im Außenverhältnis berechtigenden und verpflichtenden obligatorischen Rechtsverhältnisses bewirkt werden, da es sich bei der Führung eines Betriebs auch um ein Element des Tatsächlichen handelt, welches zeitraumbezogen zu beurteilen ist, aber rückwirkend nicht ungeschehen gemacht werden kann. Selbst wenn man den vom Beschwerdeführer behaupteten Parteiwillen der Vertragspartner annähme, konnte der am 26. September 2006 geschlossene Einbringungsvertrag daher die - auf Grund der Führung des landwirtschaftlichen Betriebs auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers auch nach dem 31. Dezember 2005 bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eingetretene - Pflichtversicherung nach dem BSVG nicht rückwirkend vernichten.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. November 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte