VwGH 2008/22/0766

VwGH2008/22/076622.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. September 2007, Zl. 314.879/3-III/4/2006, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art6;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §3 Abs1;
NAG 2005 §3 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §74;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwRallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art6;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §3 Abs1;
NAG 2005 §3 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §74;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 12. September 2007 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, vom 21. Dezember 2004 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Der Antrag der Beschwerdeführerin sei nach dem Tod ihres Ehemannes an die zuständige Magistratsabteilung der Wiener Landesregierung weitergeleitet und vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 abgewiesen worden.

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 82 Abs. 1, 81 Abs. 1, 21 Abs. 1, 72 und 74 NAG ab und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist sei und sich seit Ablauf desselben nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Da ihr bisher noch nie ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, handle es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag. Dieser sei gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten.

Das "Bundesministerium für Inneres" habe dem Ersuchen des "Amtes der Wiener Landesregierung" vom 27. Juni 2005 um Zustimmung zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen nicht zugestimmt. Die in der Berufung vorgebrachten humanitären Gründe stellten nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein ebenfalls keinen besonders berücksichtigungswürdigen Fall dar.

Eine Abwägung nach Art. 8 EMRK sei auf Grund der "absoluten Geltung des § 21 Abs. 1 NAG als Erfolgsvoraussetzung" entbehrlich.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 18. Juni 2008, B 2058/07, abgelehnt und die Beschwerde samt Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde erwogen:

Vorausgeschickt sei, dass die belangte Behörde den vorliegenden, am 21. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Recht gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) beurteilt hat.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr nach der Aktenlage seit 9. Dezember 2004 mit ihr verheirateter österreichischer Ehemann nach Einbringen des gegenständlichen Antrages vom 21. Dezember 2004 am 23. Dezember 2004 verstarb. Jedenfalls nach dessen Tod stand der Beschwerdeführerin die in § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG den Familienangehörigen von Österreichern (und damit auch deren Ehegatten; vgl. § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG) eröffnete Möglichkeit, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über einen Erstantrag unter der Voraussetzung des § 21 Abs. 4 NAG im Inland abzuwarten, nicht mehr offen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0640).

Auf Grund des in § 21 Abs. 1 NAG verankerten Grundsatzes der Auslandsantragstellung hätte die Beschwerdeführerin somit die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland abwarten müssen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008).

Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. § 72 NAG stellt insbesondere auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen; weiters liegt ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn dieser Bestimmung auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht.

Die belangte Behörde führt diesbezüglich aus, die in der Berufung vorgebrachten humanitären Gründe stellten keinen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dar.

Soweit die Beschwerde - offenbar mit Blick auf § 72 NAG - geltend macht, der angefochtene Bescheid enthalte keine ausreichende Begründung, zeigt sie damit keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Ein Begründungsmangel würde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die Behörde bei rechtmäßigem Vorgehen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies ist anzunehmen, wenn der Begründungsmangel entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 60 Rz 35 zitierte hg. Judikatur). In der Berufung wurde lediglich vorgebracht, die Beschwerdeführerin beziehe eine monatliche Witwenpension, setze das Mietverhältnis ihres verstorbenen Ehegatten fort, sei im Besitz einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung und arbeite bei einem näher genannten Unternehmen in Wien. Weiters lebten ihre beiden Kinder im Bundesgebiet und besuchten die Schule. Angesichts dieser Umstände kann der belangten Behörde - selbst bei der gebotenen Gesamtbetrachtung - nicht entgegengetreten werden, wenn sie von keinem besonders berücksichtigungswürdigen Fall, auf Grund dessen der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen gewesen wäre, ausgegangen ist.

Zu der Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen Ermittlungen hinsichtlich der humanitären Gründe durchzuführen, ist anzumerken, dass auch aus der Beschwerde nicht hervorgeht, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb dem behaupteten Verfahrensmangel die Relevanz fehlt.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, der angefochtene Bescheid entspreche nicht den Anforderungen des Art. 6 EMRK, so ist sie darauf hinzuweisen, dass die Wahrnehmung der behaupteten Verletzung des genannten verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts als Angelegenheit im Sinn des Art. 133 Z. 1 B-VG der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes entzogen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, 2007/18/0776). Laut Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 2. Juli 1994, B 1911/93, Slg. 13836) berührt ein Bescheid, mit dem ein Aufenthaltstitel versagt wird, aber ohnedies kein "civil right" im Sinn des Art. 6 EMRK und stellt auch nicht die Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, 2006/18/0114).

Auch das Beschwerdevorbringen hinsichtlich einer behaupteten Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter dadurch, dass der Bundesministerin für Inneres "bereits in erster Instanz im Fall von humanitären Aufenthaltsberechtigungen ein Entscheidungsrecht" zukomme, sie aber auch über Berufungen gegen die Entscheidungen des Landeshauptmannes entscheide, ist nicht zielführend.

Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246, 247/07, davon aus, der Bundesministerin für Inneres komme bei einem Antrag eines Fremden auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nur die (gesetzlich gebundene) Ausübung des Zustimmungsrechts zu, während "die Behörde" (vgl. § 72 Abs. 1 NAG) zur Erlassung eines (anfechtbaren) Bescheides zuständig sei. Diese Auffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof.

Gemäß § 3 Abs. 1 NAG ist "Behörde nach diesem Bundesgesetz" der örtlich zuständige Landeshauptmann. Die Bundesministerin für Inneres entscheidet nur über Berufungen gegen Entscheidungen des Landeshauptmannes (§ 3 Abs. 2 NAG). Ein "Entscheidungsrecht" der Bundesministerin für Inneres bereits in erster Instanz im Fall von humanitären Aufenthaltsberechtigungen ist - entgegen der Beschwerdeansicht - dem NAG nicht zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 2008, 2008/21/0463). Dass der Beschwerdeführerin keinerlei Möglichkeit offen stehe, die Entscheidung über das Vorliegen humanitärer Gründe im Rahmen einer Berufung anzufechten, ist unzutreffend.

Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 22. September 2009

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