VwGH 2007/05/0206

VwGH2007/05/020610.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der G eingetragene Genossenschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Gabler Gibel & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Juli 2007, Zl. RU1-BR-92/002-2006, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. W J und

2. W J, beide in 3002 Purkersdorf, vertreten durch Gruber & Partner Rechtsanwalts-KEG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §18 Abs1 Z1 lita;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §38;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §18 Abs1 Z1 lita;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Stadtgemeinde Purkersdorf vom 23. Jänner 2001, berichtigt mit Bescheid vom 29. Jänner 2001, wurde der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf ihrem Grundstück Nr. 612/3 der Liegenschaft EZ 644, KG Purkersdorf, erteilt. Das Bauvorhaben soll plangemäß an der östlichen Grundstücksgrenze errichtet werden.

Das Baugrundstück grenzt im Osten an das Grundstück Nr. 612/5 der Liegenschaft EZ 645, KG Purkersdorf, der mitbeteiligten Parteien.

Auf Grund der Mappenberichtigung des Dipl. Ing. K. K. vom 1. Februar 2002, GZ 4284A/00, ist das Grundstück Nr. 612/3 der Beschwerdeführerin im Grenzkataster eingetragen.

Mit Eingabe vom 29. September 2003 beantragten die mitbeteiligten Parteien, der Beschwerdeführerin aufzutragen, das auf dem Grundstück Nr. 612/3 errichtete Wohnhaus abzubrechen, in eventu der Beschwerdeführerin aufzutragen, die festgestellten Baugebrechen zu beseitigen, und zwar die Außenmauer des Hauses zur Grundgrenze der Mitbeteiligten derart zurück zu versetzen, dass die Grenze zum Grundstück Nr. 612/5 eingehalten wird. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass nach grundsätzlicher Fertigstellung des Bauvorhabens durch die Beschwerdeführerin hervorgekommen sei, dass diese Wohnhausanlage nicht konsensgemäß errichtet worden sei. Die Grundstücksgrenze zum Grundstück der mitbeteiligten Parteien sei nicht beachtet worden. Es sei eine Überbauung des Wohnhauses bis zu mehr als 10 cm erfolgt. Eine nachträgliche Bewilligung sei wegen der Nichteinhaltung des Grenzverlaufes nicht möglich.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Purkersdorf vom 24. Februar 2004 wurde der Antrag der mitbeteiligten Parteien abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, dass auf Basis der Mappenberichtigung vom Sachverständigen Dipl. Ing. K. K. der Lageplan betreffend die Fassade des strittigen Bauwerks im Maßstab 1:50/50 ausgearbeitet worden sei. Dieser Sachverständige komme zur Auffassung, dass die Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer durch die Fassade an 18 Punkten um 1 cm, an zehn Punkten um 2 cm und nur an zwei Punkten um 3 cm überschritten werde. Es habe sohin nur eine äußerst geringfügige Überschreitung der Grundgrenze stattgefunden, die jedoch nicht durch aufgehendes Bauwerk, sondern nur durch die angebrachte Blechfassade verursacht werde. Bei einer Überbauung der Grundgrenze von im Wesentlichen 1 cm bis 2 cm könne nicht von einer Schlechtgläubigkeit des Bauführers gesprochen werden, da derart geringe Abweichungen nur durch penible vermessungstechnische Überprüfungen feststellbar seien. Den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, dass am 17. Oktober 2002 anlässlich eines Ortsaugenscheines auf Grund der Behauptung der mitbeteiligten Parteien, die Grundgrenze würde durch die Blechfassade überbaut werden, festgehalten worden sei, dass der Sachverständige Dipl. Ing. K. K. die strittigen Punkte feststellen und darauf aufbauend ein Gutachten erstellen werde. Darauf sei die Ausarbeitung des bereits zitierten Lageplanes vom 22. November 2002 erfolgt. Nach Vorliegen desselben hätten - zumindest soweit aus den beim Bauakt erliegenden Unterlagen ersichtlich - die Beschwerdeführer gegen die Überbauung zunächst keine Schritte gesetzt und auch in der zum Bauakt vorgelegten Korrespondenz primär bzw. fast ausschließlich Fragen der Fassadengestaltung der Feuermauer und Schadenersatzansprüche angesprochen. Das nach Vorliegen des Lageplanes abgefertigte Schreiben der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Parteien vom 5. Dezember 2002 befasse sich mit der Art der Sanierung der Fassade. Im Schreiben vom 17. Jänner 2003 werde eine Antwort hierauf urgiert. Mit Eingabe vom 24. April 2003 seien die Vertreter der mitbeteiligten Parteien neuerlich nur auf die technischen Fragen der Sanierung eingegangen. Diese Äußerungen zeigten, dass die mitbeteiligten Parteien trotz der von ihnen behaupteten Überbauung weiterhin nur Sanierungsvarianten erörtert und sich nur die Geltendmachung von Ansprüchen vorbehalten hätten. Nach § 418 Abs. 3 ABGB könne dies nicht anders ausgelegt werden, als dass die Antragsteller die Inanspruchnahme ihres Grundes nicht sogleich untersagt hätten, sondern sich nur vorbehalten hätten, den gemeinen Wert für den Grund zu fordern. Mit Schreiben vom 3. Juli 2003 hätten die mitbeteiligten Parteien ihre finanziellen Ansprüche gestellt und festgehalten, dass in diesen die Risse und Sprünge bei den Fenstern vorne im Schwimmbecken, der kaputte Gehsteig, die gesprungenen Terrassen und Balkone und vor allem die aus ihrer Sicht erhebliche Grenzüberschreitung nicht enthalten seien. Auch daraus könne abgeleitet werden, dass die mitbeteiligten Parteien nur die finanzielle Abgeltung der von ihnen behaupteten Grundinanspruchnahme gemäß § 418 letzter Satz ABGB im Auge gehabt hätten. Auch mit Schreiben vom 22. September 2003 hätten die mitbeteiligten Parteien nur auf die ihrer Meinung nach erfolgte Inanspruchnahme ihres Grundes verwiesen ohne aber diese zu untersagen. Sie hätten ein Anbot unterbreitet, dass gegen Bezahlung des genannten Betrages sämtliche wechselseitigen Ansprüche als bereinigt und verglichen gelten könnten, was wiederum nicht anders verstanden werde könne, als dass die Antragsteller sich nicht gegen die Inanspruchnahme ihres Grundes aussprechen, sondern hierfür im Rahmen der geforderten Gesamtentschädigung nur die nach § 418 letzter Satz ABGB vorgesehene Entschädigung für die Grundinanspruchnahme fordern wollten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch ohne grundbücherliche Durchführung im Umfang der Überbauung Eigentümerin der strittigen Grundfläche geworden sei. Der Baubehörde sei es daher untersagt, einen Abtragungsauftrag zu erlassen. Eine Klagsführung zur Beseitigung eines ganz unwesentlichen Nachteiles sei rechtsmissbräuchlich und stelle eine Schikane dar (Hinweis auf § 1295 Abs. 2 ABGB).

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führten die mitbeteiligten Parteien aus, dass sie mit dem Überbau nicht einverstanden gewesen seien. Kenntnis von der Inanspruchnahme ihres Grundes hätten sie erst durch die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. K. K. erlangt.

Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Purkersdorf vom 21. März 2006 wurde die Berufung der mitbeteiligten Parteien als unbegründet abgewiesen. Auf Grund des Umstandes, dass ein detaillierter Vermessungsplan eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen zur Frage einer allfälligen Überbauung der Grundstücksgrenze vorliege und die mitbeteiligten Parteien gegen diesen Plan kein detailliertes, auf gleicher fachlicher Ebene liegendes Vorbringen erstattet hätten, sei die Einholung eines neuerlichen Vermessungsgutachtens entbehrlich gewesen. Die Behauptung, die Fassade neige sich im oberen Bereich in Richtung Grundstück der mitbeteiligten Parteien, sei durch das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. K. K. widerlegt. Die Inanspruchnahme des Grundstückes der mitbeteiligten Parteien im Umfang von 3 cm sei lediglich im Bereich der beiden äußersten Punkte der Blechfassade (Punkte 28 und 30) gegeben. In den übrigen Bereichen rage die Blechfassade nur zwischen 1 und 2 cm in die Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien. Bedenken gegen die Inanspruchnahme des eigenen Grundes durch den Bau der Beschwerdeführerin hätten die mitbeteiligten Parteien schon anlässlich des Ortaugenscheines am 7. November 2001 vorgebacht, vom Ergebnis der Überprüfung durch den Sachverständigen Dipl. Ing. K. K. seien sie mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 verständigt worden. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt hätten die mitbeteiligten Parteien nachweislich Kenntnis von der gegebenen Situation gehabt. Ungeachtet dessen hätten sie vor ihrem Antrag nie die Beseitigung der behaupteten Bebauung verlangt, sondern immer über andere Lösungen und insbesondere auch eine finanzielle Abdeckung verhandelt. Mit ihrem Schreiben vom 24. April 2003 hätten die mitbeteiligten Parteien diverse Vorschläge zur Bereinigung der offenen Fragen unterbreitet und lediglich im letzten Absatz festgehalten, dass auf Grund der aus ihrer Sicht evidenten Überbauung der Liegenschaft jegliche Ansprüche vorbehalten blieben. Damit sei aber keineswegs unter Beweis gestellt, dass sie die Beseitigung dieser Überbauung verlangten. Auch in ihrer Berufung bezögen sie sich nur allgemein darauf, dass sie die Überbauung beanstandet hätten, ohne aber ein weiteres konkretes Beispiel für eine allfällige Forderung nach Beseitigung dieser Überbauung anzubieten. Die Baubehörde erster Instanz habe daher zu Recht angenommen, dass die mitbeteiligten Parteien die Überbauung nicht in der gemäß § 418 ABGB erforderlichen Weise untersagt hätten. Die Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin sei anzunehmen. Die Überbauung sei mit freiem Auge nicht feststellbar. Der Ausübung eines Rechtes, welches offenbar nur zu dem Zweck erfolge, einen anderen zu schädigen, sei der Einwand der Schikane entgegen zu halten. Die festgestellte geringfügige Überbauung der Grundgrenze durch die angebrachte Blechfassade beeinträchtige die mitbeteiligten Parteien überhaupt nicht.

In ihrer Vorstellung wiesen die mitbeteiligten Parteien darauf hin, dass sie von Anfang an bzw. nach Kenntnis der Überbauung diesen Umstand sofort gerügt und einen Antrag auf Erlassung eines Abbruchauftrages gestellt hätten. Die Baubehörden hätten, wie von ihnen beantragt, eine neuerliche Vermessung der Überbbauung vornehmen müssen. Die tatsächlich gegebene Überschreitung sei von der Behörde nicht objektiviert worden. Den mitbeteiligten Parteien könne nicht zugemutet werden, dass sie die Überbauung mit freiem Auge feststellen hätten können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Purkersdorf vom 21. März 2006 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Purkersdorf zurückverwiesen. Die belangte Behörde führte sachverhaltsmäßig aus, dass in einem Vermessungsplan des Dipl. Ing. Dr. Harald Meixner vom 7. Juli 2004 die Ergebnisse der Vermessung des Dipl. Ing. K. K. bestätigt worden seien. Demnach liege eine Grenzüberschreitung von 2 cm an der Nordseite sowie eine Überschreitung von 1 cm an der Südseite des Wohngebäudes vor. In der Mitte des Gebäudes entlang der Grundgrenze beim nördlichen Ende des Ziegelbaues der mitbeteiligten Parteien stehe das Wohnhaus 3 cm hinter der Grundgrenze. Die Angaben bezögen sich auf die äußerste Verkleidungskante.

Die belangte Behörde ging in ihrer rechtlichen Beurteilung, gestützt auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0072, davon aus, dass die Nichteinhaltung der Abstandsvorschrift jedenfalls eine wesentliche Änderung sei und daher auf Grund der festgestellten Überbauung von einem aliud und demnach nicht bewilligten Bauvorhaben auszugehen sei. Im gegenständlichen Fall liege unstrittig eine Grenzüberschreitung im Ausmaß von bis zu 3 cm vor. Jede Abweichung vom genehmigten Plan, wodurch sich die Nichteinhaltung von Abstandsvorschriften ergebe, sei als wesentliche Änderung und somit als aliud zu qualifizieren; dies müsse umso mehr für die Verletzung von Grundstücksgrenzen gelten. Für das gegenständliche Bauvorhaben in seiner tatsächlich ausgeführten Form liege demnach kein Konsens vor, da es in seiner Lage von dem bewilligten Objekte derart abweiche, dass eine Verletzung einer Grundstücksgrenze betroffen sei. Da das Gebäude durch keine Baubewilligung gedeckt sei, sei die Erlassung eines Abbruchauftrages (von Gebäudeteilen) nicht auszuschließen. Wenn die Baubewilligung nachträglich erteilt werde, werde jedoch der Abbruchauftrag dadurch gegenstandslos, zuvor sei für die nachträgliche Baubewilligung die zivilrechtliche Vorfrage des Eigentumserwerbs gemäß § 418 ABGB zu klären.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Antrag der dem Grundstück der Beschwerdeführerin benachbarten mitbeteiligten Parteien auf Erlassung eines Abbruchauftrages zugrunde.

Der Eigentümer des Baugrundstücks hat im Baubewilligungsverfahren und auch im baupolizeilichen Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 2, 34 Abs. 2 und § 35 gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) Parteistellung.

Im Baubewilligungsverfahren ist die Zustimmung des Grundeigentümers gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 lit. a BO erforderlich. Der vom Bauwerber verschiedene Grundeigentümer nimmt jedoch am Baubewilligungsverfahren regelmäßig nur hinsichtlich der Frage teil, ob seine erforderliche Zustimmung vorliegt oder nicht. Ergibt sich im Verfahren, dass die Zustimmung des Eigentümers zu Bauführungen zum Zeitpunkt des Ansuchens nicht vorgelegen oder später weggefallen ist, wird die Zustimmung des Grundeigentümers zu einer Vorraussetzung für eine aufrechte Erledigung des Bauansuchens (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2005/05/0332).

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 und 4 BO haben Nachbarn im Baubewilligungsverfahren und auch im baupolizeilichen Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 2, 34 Abs. 2 und § 35 Parteistellung. Sie sind jedoch nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechten berührt sind.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu festgehalten, dass dem Nachbarn im Bauauftragsverfahren nur dann Parteistellung zukommt, wenn er durch das bewilligungspflichtige vorschriftswidrige Bauwerk in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wird. Nur insoweit hat er einen Anspruch auf Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Antrages (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2004, Zl. 2004/05/0142, mwN).

Nach § 61 Abs. 1 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, derjenige, der durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Nach Abs. 4 dieses Paragraphen hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Aus dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0298, geschlossen, dass das aufsichtsbehördliche Vorstellungsverfahren nach der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 ebenso wie die Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Z. 1 B-VG ausschließlich der Prüfung der Frage dient, ob subjektive Rechte des Vorstellungswerbers bzw. Beschwerdeführers verletzt wurden. Nicht jede objektive Rechtswidrigkeit eines vor der Aufsichtsbehörde bzw. dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides führt daher zu dessen Aufhebung, vielmehr tritt diese Rechtsfolge nur im Fall der Verletzung von subjektiven Rechten des Vorstellungswerbers bzw. des Beschwerdeführers ein.

Für das gegenständliche Beschwerdeverfahren folgt daraus, dass die mitbeteiligten Parteien, im Hinblick auf ihr Vorbringen im gegenständlichen Auftragsverfahren nur insoweit in subjektivöffentlichen Rechten verletzt sein können, als durch den von der Beschwerdeführerin auf dem Grundstück Nr. 612/3, KG Purkersdorf, errichteten Gebäude eine Verletzung ihrer Rechte durch Überbauung der Grundstücksgrenze auf ihr Grundstück Nr. 612/5, KG Purkersdorf, erfolgt ist.

Das Vorliegen einer solchen Rechtsverletzung kann abschließend aber erst dann beurteilt werden, wenn feststeht, wer Eigentümer des vom Überbau betroffenen Grundstücksteiles ist. Diese Feststellung der Eigentumsverhältnisse ist eine bei Erlassung eines Bauauftrages zu beachtende zivilrechtliche Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. September 2002, Zl. 2000/05/0171).

Die Baubehörden haben in den Begründungsdarlegungen ihrer Bescheide diese Rechtsfrage erörtert und sind zur Rechtsauffassung gelangt, dass durch die festgestellte Grenzüberbauung die bauführende Beschwerdeführerin Eigentum am Grundstück der mitbeteiligten Parteien gemäß § 418 ABGB erworben hat. Gestützt auf diese Rechtsauffassung haben sie den Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Erlassung eines Bauauftrages abgewiesen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Frage der Eigentumsverhältnisse an dem überbauten Grundstücksteil jedoch zu unrecht unerörtert gelassen, weshalb aus den tragenden Aufhebungsgründen im angefochtenen Bescheid nicht hervorgeht, inwiefern die mitbeteiligten Parteien durch die Abweisung ihres Antrages auf Erlassung eines Bauauftrages in dem von ihnen allein geltend gemachten Recht auf unzulässige Überbauung der Grundstücksgrenze verletzt sein sollen. Ein im Hinblick auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der mitbeteiligten Parteien relevantes aliud könnte sachverhaltsbezogen nur dann vorliegen, wenn die Beschwerdeführerin nicht Eigentum erworben hat.

Die belangte Behörde belastete sohin den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Bei Beurteilung der Eigentumsverhältnisse am überbauten Grund wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Vorstellungsverfahren zu berücksichtigen haben, dass für einen Grenzüberbau, soweit er nur einen Teil des Bauwerkes auf fremdem Grund betrifft, die allgemeinen Regeln der §§ 415, 416 ABGB anzuwenden sind (vgl. hiezu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, Band 1, 13. Auflage. Seite 324). Treffen die Feststellungen der Baubehörden über das Ausmaß der Grenzüberbauung durch die Beschwerdeführerin zu, so ist davon auszugehen, dass die in Anspruch genommene Grundfläche der mitbeteiligten Parteien im Vergleich zum nicht überbauten Teil geringwertig ist. Diesfalls erwirbt selbst ein unredlicher Bauführer Eigentum an der überbauten Nachbargrundfläche. Selbst die Mappengrenze eines in den Grenzkataster eingetragenen Grundstücks ist in diesem Fall richtig zu stellen. Den betroffenen Nachbarn stehen insoweit keine (zivilrechtlichen) Beseitigungsansprüche zu (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. September 2005, 10 Ob 18/05b). Der zivilrechtliche Anspruch auf Beseitigung eines konsenslosen Grenzüberbaus ist auch durch Rechtsmissbrauch begrenzt, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (vgl. hiezu auch die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 27. November 2001, 1 Ob 265/01d, und vom 18. September 2002, 9 Ob 32/02z).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. September 2008

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