VwGH 2006/17/0064

VwGH2006/17/006428.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerden

  1. 1. der KGmbH in S (zu Zl.2006/17/0064),
  2. 2. des GS in S (zu Zl.2006/17/0065),
  3. 3. der SGmbH in B (zu Zl.2006/17/0066),
  4. 4. der WGmbHCoKG in S (zuZl.2006/17/0067),
  5. 5. der WGmbH in G (zuZl.2006/17/0068),
  6. 6. der SGes.m.b.H.CoKG in S (zuZl.2006/17/0069),
  7. 7. der MGmbH in U (zu Zl.2006/17/0070), und
  8. 8. der NGmbH in V (zu Zl.2006/17/0071),

    alle vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

    ad 1. vom 1. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0110-I/7/2006,

    ad 2. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0161-I/7/2006,

    ad 3. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0163-I/7/2006,

    ad 4. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0165-I/7/2006,

    ad 5. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0166-I/7/2006,

    ad 6. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0167-I/7/2006,

    ad 7. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0155-I/7/2006,

    ad 8. vom 16. Februar 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0154-I/7/2006, jeweils betreffend die Aussetzung von Verfahren betreffend

    die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen für (verschiedene) Zeiträume von November 1995 bis August 2002, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E087 EG Art87;
BAO §281;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2;
11997E087 EG Art87;
BAO §281;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden für gegenstandslos erklärt und die Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zuerkannt.

Begründung

1. Mit den in den einzelnen Verfahren angefochtenen Bescheiden wurden jeweils Verfahren über Berufungen gegen die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen für die Schlachtung von Rindern, Kälbern, Schweinen, Lämmern und Schafen gemäß § 281 BAO ausgesetzt.

Die Aussetzung betrifft jeweils mehrere Berufungsverfahren. Die beschwerdeführenden Parteien fechten mit den vorliegenden Beschwerden jeweils nur jene Aussetzung an, die sich auf Verfahren betreffend Bemessungszeiträume vor dem September 2002 beziehen.

2. Hintergrund der Verfahren bzw. der von der belangten Behörde vorgenommenen Aussetzung ist der Umstand, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (in der Folge: die Kommission) im Verfahren auf Grund von Anzeigen im Hinblick auf Art. 87 ff EG betreffend die Absatzförderung durch die Agrarmarkt Austria eine Zweiteilung des Verfahrens betreffend diese Maßnahmen vorgenommen hat. In der Entscheidung der Kommission vom 30. Juni 2004, C(2004)2037fin, betreffend die angemeldeten Maßnahmen im Bereich des Gütesiegels und Biozeichens (NN 34A/2000) hatte diese klargestellt, dass sich diese Entscheidung (zu NN 34A/2000) lediglich auf die Maßnahmen ab dem 26. September 2002 beziehe. Das Verfahren zu den vorher durchgeführten Maßnahmen war hingegen noch zur Zl. NN 34/00 anhängig.

Die belangte Behörde begründete die Aussetzung der Verfahren damit, dass die Entscheidung der Kommission im Verfahren NN 34/00 noch ausständig sei. Sie trug aber dem Hinweis der beschwerdeführenden Parteien in deren Stellungnahmen zur in Aussicht genommenen Aussetzung auf die mangelnde Präjudizialität des Verfahrens vor dem EuGH zur Zl. C-368/04 insoweit Rechnung, als sie die Aussetzung nur auf das oben erwähnte Verfahren vor der Kommission zur Zl. NN 34/00 stützte (dieses Verfahren vor dem EuGH zur Zl. C-368/04 , welches durch eine Vorlage des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 234 EG aus Anlass von Beschwerden gegen die Abweisung von Anträgen auf Erstattung von Energieabgaben nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz eingeleitet wurde, betraf die Frage, inwieweit eine Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt das Durchführungsverbot rückwirkend für Zeiträume vor der Entscheidung der Kommission beseitigen könnte; es wurde mittlerweile mit Urteil vom 5. Oktober 2006 abgeschlossen).

3. In der Folge erließ die belangte Behörde die Bescheide ad 1. vom 17. November 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1677-I/7/2006, ad 2. vom 22. November 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1717-I/7/2006, ad 3. vom 25. September 2006 Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1452-I/7/2006, ad 4. vom 21. November 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1714-I/7/2006, ad 5. vom 21. November 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1713-I/7/2006,

ad 6. vom 24. Mai 2007, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0655-I/7/2007,

ad 7. vom 24. Mai 2007, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0656-I/7/2007, und ad 8. vom 25. September 2006, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1453-

I/7/2006,

mit denen jeweils das mit den hier bekämpften Bescheiden ausgesetzte Verfahren abgeschlossen wurde (hinsichtlich der aus dem Jahr 2006 stammenden Bescheide vgl. die Erledigungen in den jeweiligen Bescheidbeschwerdeverfahren zu den Zlen. 2006/17/0368 (ad 1.), 2006/17/0365 (ad 2.), 2006/17/0279 (ad 3.), 2006/17/0377 (ad 4.), 2006/17/0376 (ad 5.) und 2006/17/0276 (ad 8.)).

4. Die beschwerdeführenden Parteien wurden vom Verwaltungsgerichtshof um Stellungnahme ersucht und haben mitgeteilt, dass in allen Verfahren eine Entscheidung in der Sache ergangen ist.

5. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. z.B. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10.092/A, oder die hg. Beschlüsse vom 16. Oktober 2006, Zl. 2003/10/0140, und vom 14. Dezember 2006, Zl. 2005/12/0103).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie in dem oben zitierten Beschluss vom 9. April 1980 dargelegt wurde, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 24. April 2002, Zl. 98/12/0264, oder vom 20. Mai 1998, Zl. 98/09/0116, und die dort genannte Vorjudikatur). Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann daher auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2006, Zl. 2003/10/0140).

6. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beschwerden richten sich gegen Bescheide, mit denen die Aussetzung von Berufungsverfahren verfügt wurde. Das Rechtsschutzziel, die bescheidmäßige Erledigung der gegenständlichen Berufungsverfahren, wurde durch die Erlassung des jeweiligen Berufungsbescheides erreicht. Die Beschwerdeführer haben daher kein rechtliches Interesse mehr an der Entscheidung über die gegen die Aussetzungsbescheide erhobenen Beschwerden.

7. Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Ein Zuspruch von Kosten nach § 58 Abs. 2 VwGG setzt voraus, dass bereits ohne unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eindeutig ist, also entweder der angefochtene Bescheid offenkundig als rechtswidrig zu erkennen oder die Beschwerde offenkundig unbegründet ist; im Übrigen ist die Kostenfrage nach freier Überzeugung zu beantworten. Im Beschwerdefall wäre zur Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, zu beurteilen, ob die Aussetzung der Verfahren zu Recht erfolgte. Hiezu wäre es erforderlich, die grundsätzliche Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen in Abgabenverfahren nach der BAO, in denen mehrschichtige gemeinschaftsrechtliche Rechtsfragen auftreten, wie hier die Frage nach dem Beihilfencharakter von Maßnahmen, die je nach sachverhaltsmäßiger, insbesondere zeitlicher Lagerung unterschiedlich zu beantworten sein könnten, sodass auch die Kommission ihre Entscheidung im Beihilfenverfahren zunächst auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt hat und daher noch keine Antwort der Kommission für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorliegt, das entsprechende Verfahren vor der Kommission aber noch anhängig ist, eine Aussetzung des Abgabenverfahrens gerechtfertigt ist, auch wenn allenfalls bei Anwendung einer durch den Verwaltungsgerichtshof entwickelten Rechtsprechung dieser gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfrage keine ausschlaggebende Bedeutung zukäme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2006, Zl. 2002/17/0054, welches nach Erlassung der angefochtenen Bescheide erging).

Da die Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, im vorliegenden Fall demnach mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, wird im Sinne der freien Überzeugung nach § 58 Abs. 2 VwGG kein Aufwandersatz zuerkannt.

Wien, am 28. August 2007

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