VwGH 2004/18/0081

VwGH2004/18/008130.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des WS in L, geboren 1947, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. Februar 2004, Zl. III-3/04, betreffend Entziehung des Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 lite;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 lite;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Februar 2004 wurde dem Beschwerdeführer der ihm am 12. November 1997 von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellte Reisepass Nr. B0079745 gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), entzogen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 2002 sei der Beschwerdeführer gemäß § 217 Abs. 1 zweiter Fall und § 15 StGB wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil sei vom Oberlandesgericht Wien am 7. August 2003 bestätigt worden. Der Beschwerdeführer habe im Zeitraum von Dezember 2001 bis 13. März 2002 gewerbsmäßig mehrere Frauen der Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besäßen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, zugeführt bzw. zuzuführen versucht. Bei den Frauen habe es sich um fünf näher bezeichnete litauische Staatsangehörige und zwei näher bezeichnete russische Staatsangehörige gehandelt, die teilweise bereits (in ihrem Heimatstaat) der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe diese (in Österreich) der Prostitution zugeführt und ihren Verdienst zur Hälfte bzw. zu einem Großteil übernommen.

Grundlage für die gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e PassG vorzunehmende Gefahrenprognose seien die im Gerichtsurteil "angenommenen Beschuldigungen" im Hinblick auf § 217 StGB. Es sei erwiesen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Dezember 2001 bis Februar (13. März 2002) in mehreren Fällen ausländische Frauen in Österreich der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt bzw. dies versucht habe. Maßgeblich sei, dass er diesen Frauen einen Großteil ihres Verdienstes abgenommen und ihnen teilweise Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen vorgegeben habe. Dieser Sachverhalt reiche aus, um § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e PassG als erfüllt anzusehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch in Zukunft Personen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat, als in jenem, dessen Staatsangehörigkeit sie besäßen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, zuführen werde. Bei dem von ihm gesetzten, gerichtlich strafbaren Verhalten handle es sich nicht um einen Einzelfall. Er sei in sechs Fällen beschuldigt (verurteilt) worden, Frauen gewerbsmäßig der Unzucht zugeführt bzw. dies versucht zu haben. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten weitergeführt hätte, wäre er nicht angezeigt und verurteilt worden. Daran ändere auch seine bisherige Unbescholtenheit nichts. Die von ihm vorgeschlagene Vorgangsweise, den Entzug des Reisepasses auf jene Länder einzuschränken, aus denen die angeworbenen Frauen stammten, sei in einem Entzugsverfahren gemäß § 15 PassG nicht vorgesehen. Die angenommenen Gefahren iSd § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e PassG bezögen sich zudem nicht nur auf Litauen und Russland. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer die kriminellen Taten auch auf andere Staaten ausdehnen würde. § 15 Abs. 1 PassG stelle keine Ermessensbestimmung dar. Gelange die Behörde bei ihrer Prüfung zur Ansicht, ein Reisepassentziehungsgrund liege vor, sei der Reisepass verpflichtend zu entziehen. Die geschäftlichen Interessen des Beschwerdeführers könnten insofern nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus bestehe gerade auf Grund seiner geschäftlichen Interessen im Ausland die Gefahr, dass die in der vorgenommenen Gefahrenprognose angenommenen Befürchtungen abermals eintreten würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. e) Personen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zuzuführen oder sie hiefür anzuwerben.

Gemäß § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, die eine Verurteilung würde nicht ausreichen, um die Annahme iSd § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e PassG zu rechtfertigen. Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bis zu seiner Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien und die Tatsache, dass er kein weiteres strafbares Verhalten gesetzt habe, würden die Ansicht der belangten Behörde, dass er den Reisepass benötigen würde, um (weitere) Tatbestände iSd § 14 Abs. 1 Z. 3 lit e PassG 1992 zu begehen, widerlegen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der VwGH ist an den Urteilsspruch eines Strafgerichts insoweit gebunden, als die materielle Rechtskraft des Schuldspruchs bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. August steht bindend fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Dezember 2001 bis 13. März 2002 Frauen litauischer und russischer Staatsangehörigkeit von ihrem Heimatstaat nach Österreich verbracht und sie in Österreich in verschiedenen Bordellbetrieben der Prostitution zugeführt hat bzw. dies versucht hat. Es steht weiters fest, dass der Beschwerdeführer dabei gewerbsmäßig, somit in der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB).

Der Beschwerdeführer stellt weder in Abrede, dass er wegen Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB verurteilt wurde, noch tritt er den maßgeblichen Feststellungen betreffend sein dieser Verurteilung zu Grunde liegendes Fehlverhalten entgegen. Angesichts der von ihm begangenen Straftaten kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Tatbestand des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. e PassG verwirklicht ist, zumal das von Dezember 2001 bis März 2002 wiederholt gesetzte Fehlverhalten des Beschwerdeführers noch nicht so lange zurückliegt, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde bei der vorliegenden Entscheidung nach dem PassG keine Interessenabwägung vorzunehmen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0307). Im Gegensatz zur Beschwerdemeinung ist der Behörde bei der Entscheidung über das Vorliegen eine Passversagungsgrundes auch kein Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 2001, Zl. 2001/18/0169).

3. Auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe das Ermittlungsverfahren einseitig gestaltet und habe sich mit den für den Beschwerdeführer "günstigen Sachverhaltsmomenten wenn überhaupt, dann nur teilweise und in nicht nachvollziehbarer Weise" beschäftigt, ist nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt, welche Umstände bei entsprechenden Ermittlungen hervorgekommen wären, die zu einer für ihn günstigen Entscheidung hätten führen können. Die Beschwerde hat demnach die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

4. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

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