VwGH 2006/18/0307

VwGH2006/18/03074.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des N F in W, geboren 1968, vertreten durch Mag. Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Juli 2006, Zl. SD 429/06, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §15 Abs1;
VwRallg;
PaßG 1992 §15 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. Juli 2006 wurden dem Beschwerdeführer der ihm von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellte, vom 15. Dezember 2000 bis 14. Dezember 2010 gültige Reisepass mit der Nummer H 0178753 gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995 (PassG), und der von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellte, vom 18. Dezember 2004 bis 17. Dezember 2010 gültige Personalausweis mit der Nummer 5554278 gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und § 15 Abs. 1 leg. cit. entzogen. Ferner wurden der im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Ausspruch, dass gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, und der weitere Ausspruch betreffend die Vorlagepflicht hinsichtlich des Reisepasses und des Personalausweises im Sinn des § 15 Abs. 5 PassG bestätigt.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Oktober 1996 vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Am 3. April 2002 sei seine zweite und weitaus schwerwiegendere Verurteilung im Zusammenhang mit Suchtmitteln durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, und zwar wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz - SMG und der Vergehen nach § 28 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall leg. cit., zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren erfolgt. Er sei für schuldig erkannt worden, in der Zeit von etwa Frühjahr 2001 bis 25. November 2001 zumindest 40 kg Cannabiskraut und zumindest 5 kg Cannabisharz aus den Niederlanden aus-, durch Deutschland durch- und über einen nicht mehr feststellbaren Grenzübergang nach Österreich eingeführt zu haben. In weiterer Folge habe er in der Zeit von etwa Frühjahr 2001 bis November 2001 insgesamt ca. 30 bis 40 kg Cannabiskraut und ca. 2 bis 3 kg Cannabisharz in Teilmengen an Suchtgiftabnehmer verkauft. Am 26. November 2001 habe er Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz besessen, es in Verkehr zu setzen, indem er in seinem Pkw 5,2 kg Cannabisharz und 1 kg Cannabiskraut für den bevorstehenden Verkauf aufbewahrt habe. Schließlich habe er in der Zeit von Frühjahr 1997 bis 23. November 2001 unbekannte Mengen an Cannabisharz, Cannabiskraut und Kokain wiederholt erworben und besessen.

Der Beschwerdeführer sei rechtskräftig verurteilt worden, weil er im Frühjahr 2001 begonnen habe, regelmäßig nach Holland zu fahren und dort Suchtgifte bzw. überwiegend Cannabiskraut in großem Stil einzukaufen und dieses in Österreich gewinnbringend weiterzuveräußern. Er habe rund zehn derartige Transportfahrten getätigt und insgesamt 45 kg Suchtgift nach Österreich geschmuggelt. Er habe sohin bezüglich der von ihm zu verantwortenden Suchtgiftmenge die sogenannte "Übermenge" bei weitem überschritten.

Der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überhaus hohe Wiederholungsgefahr an. Das wiederholte und schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers lasse den seit Begehung seiner Straftaten verstrichenen Zeitraum als zu kurz erscheinen, um davon ausgehen zu können, dass er hinreichend Gewähr dafür biete, den Reisepass bzw. den Personalausweis künftig nicht zu den in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG verpönten Handlungen zu missbrauchen. Die Entziehung eines Reisepasses bzw. Personalausweises stelle eine vorbeugende Sicherheitsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten wie etwa der Einfuhr bzw. des In-Verkehr-Setzens großer Mengen Suchtgift dar. Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände bestehe kein Zweifel, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg. cit. gegeben seien. Es werde noch einer relativ langen Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers bedürfen, um zu einer für ihn positiven Prognose gelangen zu können. Da sohin Tatsachen vorliegen, die die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg. cit. beschriebene Annahme rechtfertigten, seien sowohl der Reisepass als auch der Personalausweis zu Recht entzogen worden.

Wenn in der Berufung ausschließlich geltend gemacht werde, es könnte § 15 PassG nur so verstanden werden, dass eine Passentziehung nur für Reisepässe und Personalausweise möglich wäre, wenn vom Tag der Ausstellung bis zum Tag der rechtskräftigen Entziehung nicht länger als fünf Jahre vergangen wären, und es stellte ein abgelaufener Reisepass kein gültiges Reisedokument mehr dar, so verkenne der Beschwerdeführer, dass man in viele Länder auch mit einem abgelaufenen Reisedokument einreisen könne. Wie die Erstbehörde zutreffend ausgeführt habe, sei nach den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen mit dem fünfjährigen Zeitraum nach Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses die Zeitspanne ab Ausstellung eines Reisedokumentes bis fünf Jahre nach Ablauf desselben gemeint.

Umstände im Privat- bzw. Berufsleben des Beschwerdeführers seien bei der vorliegenden Entscheidung ohne Relevanz, komme der Behörde doch hiebei kein Ermessen zu.

Ebenso zutreffend habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser anhaftenden große Wiederholungsgefahr habe sich die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug als dringend geboten erwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind u.a. auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

2. In der Beschwerde werden die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten und seine Verurteilungen nicht bestritten. Danach hat er u.a. in der Zeit von etwa Frühjahr 2001 bis 25. November 2001 zumindest 40 kg Cannabiskraut und zumindest 5 kg Cannabisharz nach Österreich eingeführt und in weiterer Folge von etwa Frühjahr 2001 bis November 2001 insgesamt ca. 30 bis 40 kg Cannabiskraut und ca. 2 bis 3 kg Cannabisharz in Teilmengen an Suchtgiftabnehmer verkauft. Der Beschwerdeführer, der bereits am 23. Oktober 1996 nach dem Suchtgiftgesetz (§ 16 Abs. 1) rechtskräftig verurteilt worden war, hat im Frühjahr 2001 begonnen, regelmäßig nach Holland zu fahren und dort Suchtgifte bzw. überwiegend Cannabiskraut in großem Stil einzukaufen und dieses in Österreich gewinnbringend weiterzuveräußern, wobei er rund zehn derartige Transportfahrten getätigt hat. In Anbetracht dieses gravierenden Gesamtfehlverhaltens und der bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß bestehenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0232, mwN) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Angesichts dieses massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist der seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft verstrichene Zeitraum - die Beschwerde bringt vor, dass der am 3. April 2002 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilte Beschwerdeführer am 26. November 2003 aus der Haft entlassen worden sei - zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch ihn schließen zu können. (Vgl. zur ständigen hg. Judikatur, wonach die im Strafvollzug verbrachten Zeiten bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben haben, etwa das Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2004/18/0216, mwN.)

3.1. Die Beschwerde bringt vor, es sei dem Beschwerdeführer zwar bewusst, dass im gegenständlichen Fall öffentliche Interessen schwerer wögen als seine privaten Interessen, dies rechtfertige jedoch nicht die Argumentation der belangten Behörde, weil der Beschwerdeführer im gesamten EU-Raum ohne Reisepass reisen könne und die Bestimmung des § 15 PassG seit dem EU-Beitritt Österreichs nicht mehr wirklich sinnvoll anwendbar sei. Darüber hinaus könne diese Bestimmung im Hinblick darauf, dass gemäß § 11 leg. cit. gewöhnliche Reisepässe mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren auszustellen seien, nur so interpretiert werden, dass die Entziehung eines Reisepasses nach Ablauf einer fünfjährigen Gültigkeitsdauer nicht mehr möglich sei. Im Jahr 2002, der Verurteilung des Beschwerdeführers, sei die Gültigkeit des Reisepasses des Beschwerdeführers erst ein Jahr abgelaufen gewesen, und es hätte die Behörde (damals) die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig die Passentziehung zu verfügen.

3.2. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, der gegenständliche Reisepass mit Gültigkeit vom 15. Dezember 2000 bis 14. Dezember 2010 ausgestellt wurde. Die von ihr vertretene Ansicht, dass nach den ersten fünf Jahren der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses dieser nicht mehr entzogen werden dürfe, steht im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 erster Satz leg. cit., wonach eine Entziehung (erst dann) unzulässig ist, wenn die Gültigkeitsdauer des Reisepasses länger als fünf Jahre abgelaufen ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist eine befristete Gültigkeitsdauer abgelaufen, wenn der letzte Tag der Frist abgelaufen ist, sodass eine Passentziehung auch noch innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des letzten Tages der Gültigkeitsdauer des Reisepasses zulässig ist.

Mit dem weiteren Vorbringen, dass der Beschwerdeführer im gesamten EU-Raum ohne Reisepass reisen dürfe, übersieht die Beschwerde einerseits, dass gemäß § 2 Abs. 1 PassG ein österreichischer Staatsbürger grundsätzlich auch im EU-Raum ein gültiges Reisedokument (Reisepass oder Passersatz) benötigt, und andererseits, dass die gegenständlichen Entziehungsbestimmungen des PassG darauf abzielen, die Benützung des Reisepasses (u.a.) zum Zweck der (unerlaubten) Einfuhr oder Ausfuhr von Suchtgift in einer großen Menge - und zwar nicht nur aus einem oder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union - zu verhindern.

Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde bei der vorliegenden Entscheidung nach dem PassG keine Interessenabwägung vorzunehmen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0608).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 4. Oktober 2006

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte