Normen
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
GSVG 1978 §1;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z3;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §2 Abs1;
GSVG 1978 §4 Abs3 Z2 idF 1979/531;
GSVG 1978 §7 Abs4 Z3;
GSVG 1978 §7 Abs4;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
GSVG 1978 §1;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z3;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §2 Abs1;
GSVG 1978 §4 Abs3 Z2 idF 1979/531;
GSVG 1978 §7 Abs4 Z3;
GSVG 1978 §7 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch für den Zeitraum ab 1. November 2001 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Jänner 2001 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG unterliegt. Er sei bereits von 1979 bis 1997 als bildender Künstler in der Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert gewesen (Teilversicherung gemäß § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung BGBl. Nr. 295/1990). Seit dem 1. Mai 1997 sei der Beschwerdeführer Beamter (des Bundes). Mit 30. April 1997 sei die genannte Teilversicherung des Beschwerdeführers beendet worden, weil er mit Schreiben vom 2. September 1997 mitgeteilt habe, dass seine Tätigkeit als bildender Künstler nicht mehr seine Haupteinnahmequelle darstellen würde (vgl. § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG). Am 1. März 2001 habe der Beschwerdeführer eine Versicherungserklärung abgegeben, wonach er eine selbständige Tätigkeit als Baukünstler/Architekt ausübe und die Versicherungsgrenze S 48.912,-- überschreiten würde. Es sei kein Ausschlusstatbestand gegeben. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung ausgeführt, dass "das Schicksal der Pensionsansprüche ... seit dessen Eintritt in sein Beamtendienstverhältnis ungeklärt" sei. Ihm würde nicht zugemutet werden können, "neuerlich nach Abfindung wieder Pensionsbeiträge zu zahlen, wenn er aus diesen Pensionsbeiträgen für die Zukunft keine Versicherungsleistungen zu erwarten hätte". Diese Abfertigung würde "den Übergang der Versicherungsansprüche und Leistungspflichten an den neuen Arbeitgeber und damit das Ende der Pflichtversicherung zur Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG" bedeuten. Das rechtliche Schicksal der vom Beschwerdeführer zwischen 1979 und 1997 einbezahlten Beträgen würde "in Wahrheit eine wesentliche Vorfrage für das laufende Verfahren" darstellen. In der gesetzlichen Sozialversicherung - so die belangte Behörde weiter - müsse in Kauf genommen werden, dass es in manchen Fällen trotz bestehender Versicherungspflicht zu keinem Leistungsanfall komme. Weder im GSVG noch im B-KUVG finde sich eine Regelung, die den Beschwerdeführer prinzipiell von Leistungen aus der Pensionsversicherung nach einem dieser beiden Gesetze ausschließen würde. Der im österreichischen Sozialversicherungssystem immanente Grundsatz der Mehrversicherung habe zur Folge, dass für jedes "Beschäftigungsverhältnis" - abgesehen von eigens vorgesehenen "Subsidiaritäten" - eine eigene Versicherungspflicht ausgelöst werde. Diese Versicherungspflicht werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beschäftigte ihrer nicht bedarf. Das Solidaritätsprinzip der Sozialversicherung bringe es mit sich, dass es trotz Versicherungspflicht faktisch zu keinem Leistungsanfall komme. Der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass die Sozialversicherung von den Grundgedanken getragen werde, dass die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bilden würden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe, welcher den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdränge.
Verfassungsrechtlich verfehlt sei der Gedanke von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen in der Sozialversicherung. Das Wesen einer derartigen Versicherungsgemeinschaft sei es, dass die Gemeinschaftsinteressen vor den Individualinteressen stünden. Der Beschwerdeführer unterliege der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab (Beschluss vom 10. Juni 2003, B 579/03-4) und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 12. August 2003, B 579/03-6).
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und hat - ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei "anlässlich der Aufnahme seiner Lehrtätigkeit" davon ausgegangen, "dass er in Zukunft weder GSVG-pflichtig noch GSVG-berechtigt sein werde". Das hätte seiner Überzeugung nach auch so bleiben müssen. Alle Pensionsansprüche nach dem GSVG seien beseitigt worden, "indem seine Beitragsleistungen an die Beamtenversicherung übergeben wurden, ohne dass ihm daraus später ein höherer Pensionsanspruch erwachsen würde". Der Gesetzgeber könne nicht
"einen beliebigen Zickzackkurs fahren und jemanden, der Jahrzehnte versichert war, aus der Versicherung herausnehmen (und damit seine Ansprüche vernichten), um ein Jahr später genau diese Versicherungspflicht per Gesetzesänderung wieder aufleben zu lassen, obwohl absehbar ist, dass der Beitragszahler nie mehr in den Genuss der Leistungen (insbesondere in den Genuss von Pensionsleistungen) kommen wird (wäre er nicht nach vorangehender Rechtslage ausgesteuert worden, würde er dagegen mit Leichtigkeit die erforderlichen Versicherungszeiten erreichen)."
Dem ist entgegenzuhalten, dass die österreichische Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen wird, dass die Angehörigen eines Berufsstandes eine Risikengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdrängt. Es ist für die Pflichtversicherung ohne Belang, ob der Einzelne der Sozialversicherung bedarf, sie erwünscht oder ob er sie für sinnlos erachtet. Über den individuellen Sonderinteressen stehen die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen. Die Risikengemeinschaft ist eine Solidaritätsgemeinschaft. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist für die Sozialversicherung typisch und wesentlich. Gehört nun eine Person mehreren Berufsgruppen an, so entspricht es diesem Grundgedanken, sie auch sozialversicherungsrechtlich jeder dieser Berufsgruppen zuzuordnen. Eine sich hieraus ergebende Mehrfachversicherung ist somit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0206, mwN). Ob der Gesetzgeber bei Zusammentreffen zweier oder mehrerer versicherungspflichtiger Beschäftigungen eine Mehrfachversicherung vorsieht oder ob er nach dem Grundsatz der Subsidiarität bei Bestehen einer Pflichtversicherung in einem anderen Versicherungszweig die Ausnahme von der Pflichtversicherung normiert, liegt in seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2002/08/0191, mwN).
Bei der gleichzeitigen Beschäftigung als Beamter und "neuer Selbständiger" im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG gilt der Grundsatz der Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung. Der Beschwerdeführer muss deshalb Sozialversicherungsbeiträge in der Krankenversicherung für jede seiner beiden Tätigkeiten als selbständiger Künstler und als Universitätslehrer (nach GSVG und B-KUVG) bezahlen. Da der Beschwerdeführer als Beamter keiner Pensionsversicherung, sondern einer eigenen Pensionsversorgung unterliegt, ist neben dem Pensionsbeitrag zusätzlich noch der Pensionsversicherungsbeitrag nach GSVG bis zur Höchstbeitragsgrundlage zu entrichten. Im Prinzip stehen dem Beschwerdeführer daher auch zwei Pensionen zu, falls die jeweiligen Voraussetzungen hiefür erfüllt sein sollten. Dass der Beschwerdeführer im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Pension nach dem GSVG nicht erfüllen könnte, liegt seinem Vorbringen zu Folge an dem (nicht verfahrensgegenständlichen) Umstand, dass der Pensionsversicherungsträger nach dem GSVG dem öffentlichen Dienstgeber des Beschwerdeführers auf Antrag gemäß § 172 Abs. 1 GSVG einen Überweisungsbetrag bezahlt hat, womit alle Ansprüche aus der Pensionsversicherung nach dem GSVG erloschen sind (§ 174 GSVG). Die früheren Versicherungszeiten nach dem GSVG wären dem Beschwerdeführer demnach insofern nicht verloren gegangen, als sie vom öffentlichen Dienstgeber nach den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriften (§ 172 Abs. 1 GSVG) für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(versorgungs)genuss bedingt oder unbedingt angerechnet worden sind. Die Ursache für die nunmehr geringen Versicherungszeiten des Beschwerdeführers nach dem GSVG liegt sohin nicht in einem "Zickzackkurs" des Gesetzgebers, sondern in der freien Entscheidung des Beschwerdeführers, in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis einzutreten.
Soweit der Beschwerdeführer die Unsachlichkeit der Mehrfachversicherung (in der Krankenversicherung) für den hier vorliegenden Fall einer gleichzeitigen Beschäftigung als Beamter und Selbständiger behauptet, ist er auf die Begründung des Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers § 24b B-KUVG und § 36 GSVG (Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen) und § 57 B-KUVG und § 87 GSVG (Leistungsanspruch bei mehrfacher Krankenversicherung) nicht berücksichtigt habe.
Die Beschwerde ist allerdings aus folgenden, zwar nicht geltend gemachten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Gründen begründet:
Das System der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG besteht darin, dass der Versicherte entweder "ex ante" eine Erklärung abgibt, dass die maßgebliche Versicherungsgrenze im Beitragsjahr überschritten wird (dies mit der Konsequenz des unwiderruflichen Eintretens der Versicherung mit Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit bis zu deren Beendigung, dem Wegfall der berufsrechtlichen Berechtigung oder einem ausdrücklichen Widerruf der Versicherungserklärung gemäß § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG), oder dass er - bei Fehlen einer solchen Erklärung - erst im Nachhinein und nach Maßgabe des jeweiligen steuerlichen Ergebnisses der Erwerbstätigkeit in die Pflichtversicherung einbezogen wird. An den Widerruf der Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz GSVG dürfen keine überspitzten Anforderungen gestellt werden. Da auch die in § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG an sich geforderte Erklärung, dass die Versicherungsgrenze künftig nicht überschritten werde, einer inhaltlichen Überprüfung durch die Sozialversicherungsanstalt nicht unterliegt, reicht auch eine Erklärung aus, nicht mehr versichert sein zu wollen. Eine solche Willenserklärung, nicht mehr versichert sein zu wollen (im Sinne eines Widerrufs seiner Versicherungserklärung vom 1. März 2001), hat der Beschwerdeführer aber schon dadurch abgegeben, dass er gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 1. Oktober 2001 einen am 29. Oktober 2001 bei dieser einlangenden Einspruch erhoben und darin den Antrag gestellt hat, ihn nicht in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Diese Willenserklärung hätte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zum Anlass nehmen müssen, den Beschwerdeführer mit Ablauf des Monats des Einlangens der Erklärung aus der Pflichtversicherung (vorläufig) wieder auszuscheiden. Im Hinblick auf diesen Endigungsgrund hätte daher die Einspruchsbehörde die Pflichtversicherung nur für den Zeitraum vom 1. Jänner 2001 bis 31. Oktober 2001 feststellen dürfen.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Abspruch über die Versicherungspflicht ab 1. November 2001 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war auch unter dem Aspekt des Art. 6 EMRK nicht geboten, da die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente feststanden, eine Erörterung von Sachverhaltsfragen nicht erforderlich war und die Rechtsfragen durch die Vorjudikatur geklärt und keiner Erörterung bedürftig waren. Der Inhalt der Beschwerde und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens lassen erkennen, dass die Argumentation des Beschwerdeführers auf rechtlich unzutreffenden Prämissen beruht, weshalb auch eine mündliche Erörterung - vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage - eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 46 GSVG) nicht zuzusprechen.
Wien, am 29. März 2006
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