VwGH 2004/20/0216

VwGH2004/20/02164.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des K in W, geboren 1976, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 14, gegen den am 25. November 2003 verkündeten und am 23. Jänner 2004 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 213.234/16- II/04/03, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §10;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §43 Abs3;
AVG §43 Abs4;
AVG §44;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §10;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §43 Abs3;
AVG §43 Abs4;
AVG §44;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ergibt sich aus dem hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2000/20/0419, dessen Entscheidungsgründe im Wesentlichen wie folgt lauteten:

"Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, reiste am 4. April 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 7. April 1999 Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 30. September 1999 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid 'gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen'.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat zu seinem Asylantrag in erster Instanz im Wesentlichen vorgebracht, einer seiner Kunden habe unbekannte bewaffnete Männer in sein Geschäft gebracht, die ihn gezwungen hätten, sie dort übernachten zu lassen. Ende 1995 sei der Kunde des Beschwerdeführers verhaftet worden. Er habe vermutlich angenommen, dass der Beschwerdeführer ihn angezeigt habe, und deshalb zur Polizei gesagt, dass der Beschwerdeführer 'auch ein Mitglied von Extremisten' sei. Der Beschwerdeführer sei verhaftet und noch am selben Tag wieder freigelassen worden. 1996 sei er noch einmal für einen Tag festgenommen und einvernommen worden. Danach hätten 'mehrere Männer' beim Wohnhaus des Beschwerdeführers nach diesem gefragt. Aus Angst, von diesen Männern umgebracht zu werden, habe der Beschwerdeführer sich zunächst zu Verwandten nach Jalandhar begeben. Als er von seinen Eltern erfahren habe, dass die Polizei Ende 1998 wieder nach ihm gefragt habe und ihm vorwerfe, ein 'Mitglied von Extremisten' zu sein, sei er nach Neu-Delhi gefahren, von wo aus er das Land verlassen habe. Im Fall der Rückkehr werde er 'von der Polizei oder von den Extremisten umgebracht'. In Neu-Delhi habe er einen der Männer, die ihn 'damals bedroht' gehabt hätten, 'gesehen', und dieser hätte ihn (gemeint offenbar: bei einem weiteren Verbleib in Neu-Delhi) 'umbringen können'.

In der Berufung fügte der Beschwerdeführer hinzu, die Männer seien 'Mitglieder einer Untergrundorganisation' gewesen und die Freilassung des Beschwerdeführers aus der Polizeihaft sei jeweils nur durch Bestechung zu Stande gekommen. Bei einer Rückkehr in sein Elternhaus drohe ihm die Ermordung durch die Extremisten. Im Fall einer Abschiebung nach Indien würde er sofort verhaftet werden und liefe Gefahr, unmenschlich behandelt zu werden.

In der Berufungsverhandlung - welche von der belangten Behörde am 27. Juni 2000 für eine Mehrzahl indischer Asylwerber gemeinsam abgehalten wurde - kam der Beschwerdeführer ('BW VI') nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls nur kurz zu Wort. Er gab an, die Extremisten wollten ihn deshalb umbringen, weil er 'diesen Leuten' vor ihrer Verhaftung damit gedroht habe, die Polizei zu verständigen, falls sie ihre Besuche nicht einstellten. Der Frage, ob er sich vor Verhafteten fürchte, hielt er entgegen, es seien 'nicht sämtliche Mitglieder dieser Gruppe verhaftet worden'. Nunmehr suche ihn auch die Polizei wegen vermuteter Zusammenarbeit mit 'dieser Gruppe'. Der Beschwerdeführer sei 'von Angehörigen dieser Gruppe auch in Delhi bedroht worden'. Delhi sei von seinem Heimatort etwa 400 Kilometer entfernt.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, es könne 'in der Tat dahingestellt bleiben, inwieweit die Sachverhaltsschilderung des nunmehrigen Berufungswerbers vor dem Bundesasylamt bzw. in seiner Berufung Glaubwürdigkeit verdiene'. Den Ausführungen des der Berufungsverhandlung beigezogenen Sachverständigen sei nämlich zu entnehmen, dass Personen, die nur Terroristen Unterschlupf gewährt hätten, selbst in ihrer engeren Heimat von staatlichen Behörden 'nicht (mehr) verfolgt' würden und dass dem Sachverständigen trotz diesbezüglicher Recherchen keine Fälle bekannt geworden seien, in denen politisch motivierte Terroristen von ihnen gesuchte Personen auch in anderen Teilen Indiens aufgespürt hätten. Damit sei sowohl die geltend gemachte Verfolgung durch staatliche Organe als auch, jedenfalls außerhalb des Punjab, die von nichtstaatlicher Seite befürchtete Verfolgung 'jedenfalls pro futuro' nachhaltig unwahrscheinlich.

Diese Ausführungen vermögen den angefochtenen Bescheid deshalb nicht zu tragen, weil es die belangte Behörde verabsäumt hat, sich unter Beiziehung des ihr zur Verfügung stehenden Sachverständigen ausreichend konkret mit dem Fall des Beschwerdeführers auseinander zu setzen. Dies gilt zunächst schon hinsichtlich der behaupteten Verfolgung durch staatliche Organe, weil die belangte Behörde nicht den Versuch unternommen hat, die ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Ausführungen des Sachverständigen mit der gleichfalls - zumindest hypothetisch - zu Grunde gelegten Darstellung des Beschwerdeführers widerspruchsfrei zu kombinieren. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, darzustellen, dass für den Zeitraum, auf den sich die Angaben des Beschwerdeführers über die letzten Versuche der Polizei, seiner habhaft zu werden, bezogen, derartige Behauptungen auch aus der Sicht des Sachverständigen nicht in Widerspruch zu dessen Erkenntnissen stünden, mit einer Fortsetzung oder Wiederholung solcher Nachforschungen aber nicht zu rechnen sei. Im Ergebnis hätte die belangte Behörde bei der Wahl eines derartigen Begründungsduktus daher auf Art 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv abstellen müssen. Was die behauptete Verfolgung durch Extremisten anlangt, so steht der begründende Hinweis auf die (nicht konkret zum Fall des Beschwerdeführers erteilte) Auskunft des Sachverständigen, ihm seien keine Fälle von Nachstellungen durch Extremisten in anderen Landesteilen bekannt geworden, in direktem Widerspruch zur Aussage des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, er sei 'von Angehörigen dieser Gruppe auch in Delhi bedroht worden'. Der Versuch der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers durch die allgemein gehaltenen Ausführungen des Sachverständigen zu relativieren, ohne ihm aber die Glaubwürdigkeit abzusprechen, führt daher im angefochtenen Bescheid zu keiner insgesamt nachvollziehbaren Darstellung der Gründe, aus denen die belangte Behörde eine asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Indien nicht als ausreichend wahrscheinlich erachtete.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben."

Im fortgesetzten Verfahren führte die belangte Behörde am 25. November 2003 mit dem Beschwerdeführer ("BW I") und vier weiteren Asylwerbern eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der sich der Sachverständige - u.a. - nochmals zum Vorbringen des Beschwerdeführers äußerte.

Am Ende der Verhandlung verkündete die belangte Behörde die Bescheide, mit denen sie die Berufungen aller fünf Asylwerber "gemäß den §§ 7, 8 AsylG" abwies.

Als gemeinsame Begründung der fünf Bescheide wurde in der Niederschrift Folgendes festgehalten:

"Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung, insbesondere den jeweils auch auf die vorgebrachte Gefährdungssituation der einzelnen Berufungswerber konkret Bezug nehmenden gutächtlichen Ausführungen des Sachverständigen, denen keiner der Berufungswerber fundiert entgegen getreten ist, steht mit für die Zwecke dieses Verfahrens ausreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass keiner der Berufungswerber 'jedenfalls außerhalb seiner engeren Heimat' eine Bedrohung der vorgebrachten Art (BW I: Sowohl durch 'Extremisten' wie durch die Polizei des Bundesstaates Punjab; BW III: Durch Private und durch die Polizei des Bundesstaates Punjab; BW IV: Durch Private und durch die Polizei des Bundesstaates Punjab, letzteres allenfalls auch in Zusammenhang mit der vorgebrachten einfachen Mitgliedschaft in der All India Students Federation; BW V: Durch Private; BW VI: Durch die Polizei des Bundesstaates Punjab und durch die Kongresspartei) ernsthaft zu fürchten hätte. Bei BW I und BW VI deutet das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sogar dahin, dass diesen nicht einmal in ihrer engeren Heimat Gefahr drohte, bei BW I in Würdigung der von ihm in den letzten Jahren - nicht mehr - empfangenen Informationen, bei BW VI aufgrund von dessen Unglaubwürdigkeit in einem zentralen Punkt (der Behauptung, nach dem Jahre 1998 von der staatlichen Polizei wegen seiner Zugehörigkeit zur Alkali Dal Partei auf Veranlassung der Kongresspartei Schwierigkeiten bekommen zu haben).

Nachdem auch eine sonstige Gefährdung der Berufungswerber, etwa im Zusammenhang mit 'willkürlichen Übergriffen untergeordneter Polizeiorgane', weder im Punjab selbst (wo die Sicherheitslage gegenwärtig so beschaffen ist, dass ein solches Risiko 'sehr gering' ist) noch in weiten Teilen des übrigen Indien (der Sachverständige hat unter den Punkten 1.1 und 5.2 seiner allgemeinen Ausführungen nur einige wenige Regionen genannt, in denen die allgemeine Sicherheitslage von den unter Punkt 1.1. angesprochenen 'normalen Bedingungen' abweicht), hervorgekommen ist und auch weder eine Gefährdung im Zusammenhang mit der in Österreich erfolgten Asylantragstellung bzw. der (bei dieser Beurteilung vorauszusetzenden) Rückkehr der Berufungswerber nach Indien und der dabei erforderlichen Grenzkontrolle zu besorgen ist noch, dass einer der Berufungswerber nicht in der Lage wäre, auch außerhalb seiner engeren Heimat sich zumindest seinen Lebensunterhalt zu sichern, waren spruchgemäß sämtliche Berufungen abzuweisen."

In der schriftlichen Ausfertigung des den Beschwerdeführer betreffenden Bescheides verzichtete die belangte Behörde "mangels weiter reichender Kapazitäten" auf eine Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers oder eine Ergänzung der in der Niederschrift vom 25. November 2003 festgehaltenen Erwägungen, aus denen die Berufungen abzuweisen gewesen seien. Stattdessen wurde - "lediglich aus Gründen der leichteren Nachvollziehbarkeit" - unter Anführungszeichen und mit Auslassung der auf andere Berufungswerber Bezug nehmenden Stellen die schon in der Niederschrift festgehaltene Begründung noch einmal wiederholt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. In dem am 27. Juni 2000 verkündeten und am 5. Juli 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid, der mit dem hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2000/20/0419, aufgehoben wurde, hatte sich die belangte Behörde - abgesehen von der damals in der Bescheidausfertigung enthaltenen Darstellung des zu beurteilenden Vorbringens und der Rechtslage - noch auf etwas mehr als einer Seite mit der Angelegenheit des Beschwerdeführers befasst. Im aufhebenden Erkenntnis vertrat der Verwaltungsgerichtshof dazu die Ansicht, die belangte Behörde habe es verabsäumt, sich unter Beiziehung des Sachverständigen "ausreichend konkret mit dem Fall des Beschwerdeführers auseinander zu setzen". Die oben wiedergegebenen, nur mehr kursorischen Bezugnahmen auf den Fall des Beschwerdeführers im jetzt angefochtenen Bescheid konnten in ihrer vorliegenden Form von vornherein nicht geeignet sein, diesem Mangel abzuhelfen.

Davon abgesehen nehmen aber auch die Ausführungen des Sachverständigen, auf die sich die belangte Behörde pauschal verweisend stützt, zunächst insofern nicht auf das Vorbringen Bedacht, als in Bezug auf die Gefahr einer polizeilichen Suche nach dem Beschwerdeführer ausdrücklich nur davon ausgegangen wird, dieser sei seinen Behauptungen zufolge "von der Polizei zwecks Einvernahme zwei Mal kurzzeitig angehalten worden". Der Beschwerdeführer hat in der Berufung behauptet, bei den beiden Festnahmen im Anschluss an den Vorfall von Ende 1995 jeweils "nur durch Bezahlung von Bestechungsgeldern" wieder freigekommen zu sein, und er hat beim Bundesasylamt vor allem auch vorgebracht, er habe von seinen Eltern erfahren, dass die Polizei noch Jahre später - nämlich Ende 1998 - nach ihm gefragt und ihm vorgeworfen habe, "ein Mitglied der Extremisten zu sein". Diesen Vorbringensteilen wird die Bezugnahme des Sachverständigen auf die Behauptungen des Beschwerdeführers nicht gerecht. Nicht eingegangen wird vom Sachverständigen und von der belangten Behörde auch auf die Behauptung des Beschwerdeführers, das Unterbleiben weiterer Nachfragen der Polizei bei den Eltern des Beschwerdeführers in den letzten Jahren könne darauf zurückzuführen sein, dass die Polizei bereits wisse, dass er sich dauerhaft nicht mehr dort aufhalte.

In Bezug auf die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung durch "Extremisten" auch während seines Aufenthaltes in Delhi hat der Sachverständige angenommen, hier handle es sich um die subjektive Deutung einer - nach den Vermutungen des Sachverständigen offenbar nicht mit einem verbalen Austausch verbundenen - Zufallsbegegnung durch den Beschwerdeführer, wobei der Sachverständige zugleich darauf hinwies, die Wahrscheinlichkeit einer solchen Begegnung sei "bei einer Bevölkerung von über einer Milliarde extrem gering". Letzteres lässt die Deutung des Vorbringens als Behauptung einer Zufallsbegegnung - in Verbindung mit einer Wahrunterstellung - als nicht sehr überzeugend erscheinen. Auf bloße Spekulationen über die Umstände, unter denen der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, "von Angehörigen dieser Gruppe auch in Delhi bedroht worden" sei, hatten sich das Gutachten und die Entscheidung aber ohnehin nicht zu gründen. Kam es auf die konkreten Umstände der behaupteten Begegnung bzw. Bedrohung an, so wäre der - in der Verhandlung anwesende - Beschwerdeführer dazu zu befragen gewesen.

Schließlich wurde der belangten Behörde im Vorerkenntnis auch die Rechtsansicht überbunden, sie hätte für ihre damaligen Erwägungen zur Verneinung einer aktuellen Verfolgungsgefahr selbst in der engeren Heimat des Beschwerdeführers - in Kombination mit einer Wahrunterstellung des Vorbringens - "auf Art. 1 Abschnitt C

Z 5 FlKonv abstellen müssen" (vgl. in diesem Zusammenhang nur beispielsweise etwa auch das Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2001/01/0097; allgemein zur Bedeutung des Flüchtlingsbegriffs der Flüchtlingskonvention und der Beendigungstatbestände des Art. 1 Abschnitt C FlKonv für die Entscheidung über die Asylgewährung die Punkte 1, 2 und 6 der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499, und daran anknüpfend etwa die Erkenntnisse vom 3. Dezember 2003, Zl. 2001/01/0547, vom 17. Dezember 2003, Zl. 2000/20/0512, vom 1. April 2004, Zl. 2001/20/0286, und vom 29. Juni 2004, Zl. 2003/01/0372). Dass dies im angefochtenen Bescheid - der auf bestimmte Rechtsvorschriften und Tatbestandsvoraussetzungen in seiner Begründung insgesamt nicht Bezug nimmt - berücksichtigt worden wäre, kann ihm nicht entnommen werden.

2. Die belangte Behörde hat die vorliegende Beschwerde aber zum Anlass genommen, sich in einer Gegenschrift ausführlich und grundsätzlich zur Frage der Zulässigkeit der von ihr in diesem Fall - wie in anderen Fällen - eingehaltenen Vorgangsweise zu äußern. Hiezu ist - im Zusammenhang mit der Begründungspflicht der belangten Behörde - vorweg auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0349, zu verweisen.

Dies gilt auch insoweit, als die belangte Behörde in der Gegenschrift eine Beschränkung der Begründungspflicht durch der Niederschrift nicht entnehmbare Einzelheiten der Verhandlung postuliert, das "Rechtsschutzinteresse" der Partei schon durch die "Erarbeitung" der Entscheidungsgrundlagen in der Verhandlung befriedigt sieht und dabei auf den Gesichtspunkt der Überprüfbarkeit der Erwägungen durch den Verwaltungsgerichtshof nicht Bedacht nimmt. Diese Überprüfbarkeit steht in einem engen Zusammenhang mit der aktenmäßigen Beurkundung des Verwaltungsgeschehens (vgl. schon Tezner, Das österreichische Administrativverfahren (1922) 134).

Auch die Vermeidung "kommunikativer Missverständnisse" zwischen der belangten Behörde und dem Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf den richtigen "Eindruck vom tatsächlichen Vorbringen" einer Partei, wie ihn die von der belangten Behörde erstellten Niederschriften ihrer Ansicht nach für sich allein nicht immer zu vermitteln vermögen, wäre notfalls eine Aufgabe der Bescheidbegründung. Ist Letztere in Verbindung mit der Niederschrift und dem übrigen Akteninhalt für den Verwaltungsgerichtshof nicht ausreichend nachvollziehbar, so liegt, wie in dem erwähnten Erkenntnis vom heutigen Tag dargelegt, ein schon deshalb wesentlicher Verfahrensmangel vor. Ergänzungen in der Gegenschrift vermögen daran nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur etwa die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 140 ff zu § 60 AVG) nichts mehr zu ändern, weshalb auch der Anregung der belangten Behörde, ihr - gemeint offenbar: über die allgemein gehaltene Aufforderung gemäß § 36 Abs. 1 VwGG hinaus - zu diesem Zweck Parteiengehör zu gewähren, nicht zu folgen sein kann.

Punkt III.3. der Gegenschrift ist der Frage gewidmet, ob Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, in denen "in Bescheiden des gefertigten Mitglieds der belangten Behörde das Fehlen ausdrücklicher Sachverhaltsfeststellungen moniert" worden sei, auf "erkenntnistheoretischer Naivität" des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne einer Verkennung des sogenannten "Münchhausen-Trilemmas" oder umgekehrt auf "übersteigerter Skepsis gegenüber dem Wahrheitsgehalt sämtlicher Entscheidungsgrundlagen" beruhen. Einer Auseinandersetzung mit dem dadurch - in der Bezugnahme auf das erwähnte "Trilemma" - offenbar angesprochenen Themenkreis (vgl. dazu Thienel, Kritischer Rationalismus und Jurisprudenz, Zugleich eine Kritik an Hans Alberts Konzept einer sozialtechnologischen Jurisprudenz (1991) 19 ff) bedarf es hier aber nicht, weil die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Begründungen der vorliegenden Art, gemessen einerseits an den im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag dargestellten gesetzlichen Anforderungen und andererseits an der täglichen Praxis ihnen entsprechender Entscheidungsbegründungen von Verwaltungsbehörden, nicht in Bereiche führt, in denen ein "Abbruch des Verfahrens" zur Begründung von Feststellungen unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines "infiniten Regresses" oder logischer Zirkelschlüsse zu prüfen sein könnte. Dies gilt auch insofern, als in verschiedenen in der Gegenschrift zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes eine Bedachtnahme auf die relevante Berichtslage zum Herkunftsstaat oder eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Asylwerbers gefordert wurde.

3. Die belangte Behörde kommentiert in ihrer Gegenschrift auch die in der Beschwerde geübte Kritik an der Verhandlungsführung. Hiezu heißt es in der Gegenschrift auszugsweise:

"Was zunächst die gegen das von der belangten Behörde (im zweiten Rechtsgang) durchgeführte Ermittlungsverfahren erhobenen Rügen anlangt, so hält es die belangte Behörde geradezu für dreist (Hervorhebung im Original), so, wie der Beschwerdeführer(vertreter) es im vorliegenden Fall getan hat, einerseits die Berufungsverhandlung bereits vor Erstattung des Sachverständigengutachtens zu verlassen, nur um andererseits nunmehr in der Beschwerde zu rügen, dass der Sachverständige (von der belangten Behörde) nicht 'entsprechend befragt worden' sei, dient doch eine Verhandlung gerade auch, nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. § 43 Abs. 4 AVG), dazu, dass die Parteien Fragen an den Sachverständigen richten können ... Nach Auffassung der belangten Behörde bedeutete es geradezu einen Missbrauch des Beschwerderechts an den Verwaltungsgerichtshof, in der im gegenständlichen Fall erfolgten Weise sich zwar vor der zur Entgegennahme meritorischen Vorbringens zuständigen belangten Behörde passiv zu verhalten, nur um anschließend vor dem Verwaltungsgerichtshof eine angebliche Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens zu rügen. Bei einer Zusammenschau des in Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG enthaltenen Zulässigkeitskriteriums einer 'Erschöpfung des Instanzenzuges' und der in § 41 Abs. 1 VwGG grundsätzlich angeordneten Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt müsste daher dieses Vorbringen des nunmehrigen Beschwerdeführers schlicht präkludiert sein."

Mit diesen Ausführungen - denen in der Gegenschrift die schon erörterten Betrachtungen zum "Fehlen ausdrücklicher Sachverhaltsfeststellungen" folgen - bezieht sich die belangte Behörde darauf, dass der anwaltliche Vertreter des Beschwerdeführers, der zusammen mit diesem zu der für 10.30 Uhr anberaumten und von der belangten Behörde um 11.00 Uhr begonnenen Verhandlung erschienen war, die Verhandlung bei deren Unterbrechung "um 13.40 Uhr bis 16.30 Uhr zwecks Erstellung eines Gutachtens" mit der Begründung verließ, er sei aus Termingründen nicht in der Lage, nach der Unterbrechung weiter an der Verhandlung teilzunehmen. Die Vertreterin eines weiteren zur selben Verhandlung geladenen Asylwerbers entfernte sich um

15.15 Uhr. Die übrigen drei Asylwerber waren zu der Verhandlung - die schließlich um 18.50 Uhr endete - ohne Begleitung eines Vertreters gekommen.

Die bei den anderen Mitgliedern der belangten Behörde nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Umfang zu beobachtende Vorgangsweise, eine größere Zahl von Berufungswerbern zu meist ganztägigen gemeinsamen Berufungsverhandlungen zu laden, in denen die einzelnen Berufungswerber nach dem Inhalt der Niederschriften jeweils nur kurz zu Wort kommen, ist schon deshalb bedenklich, weil sie ohne sachliche Notwendigkeit zur physischen Erschöpfung der betroffenen Asylwerber führen und deren Konzentrationsfähigkeit überfordern kann, was der Qualität des Verfahrensergebnisses schadet. Sie wirft darüber hinaus Probleme auf, wenn Angehörige miteinander verfeindeter politischer Gruppierungen aus demselben Herkunftsstaat in einer gemeinsamen Berufungsverhandlung ihre Asylgründe darlegen sollen. Die dargestellte Verhandlungsmethode, die der belangten Behörde - trotz der aus ihr (schon in früheren Fällen wiederholt, wie im vorliegenden Fall) resultierenden Fehler auch in der Beurteilung des Vorbringens - als praktisch erscheinen mag und auch der "ökonomischen" Vorgangsweise bei der Begründung der Entscheidungen zugrunde liegt, erschwert es den betroffenen Asylwerbern aber vor allem, sich in der Berufungsverhandlung eines Rechtsbeistandes zu bedienen. Dieser für den Rechtsschutz wesentliche Gesichtspunkt (vgl. etwa - im Zusammenhang mit § 66 Abs. 2 AVG - das hg. Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0084) steht einer solchen Verfahrensgestaltung unter dem Gesichtspunkt der in § 37 AVG erwähnten, in Bezug auf die Erörterung des Sachverständigengutachtens auch in der Gegenschrift erwähnten Verfahrensziele tendenziell entgegen. Davon abgesehen ändert der Umstand, dass sich ein Parteienvertreter nach einigen Stunden Verhandlungsdauer - am Beginn einer mehrstündigen Unterbrechung - entfernt, im Gegensatz zu der von der belangten Behörde offenbar vertretenen Ansicht auch nichts daran, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht die sachlich gebotenen Fragen an den Sachverständigen zu richten hat und dies auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof releviert werden kann. Die Mitwirkungspflicht der Partei reicht nicht so weit, dass sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sparen könnte (vgl. dazu die Nachweise aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Walter/Thienel, a.a.O. E 221 ff zu § 39 AVG).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Wien, am 4. November 2004

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