VwGH 2003/11/0003

VwGH2003/11/000324.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des DDr. W in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 25. Juni 2002, Zl. B 61/2002, betreffend Fondsbeitrag für das Jahr 2001, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1998 §113 Abs4;
ÄrzteG 1998 §113 Abs7;
ÄrzteG 1998 §68 Abs1;
ÄrzteG 1998 §68 Abs2;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §38;
AVG §63 Abs3 impl;
AVG §63 Abs3;
AVG §63;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
ÄrzteG 1998 §113 Abs4;
ÄrzteG 1998 §113 Abs7;
ÄrzteG 1998 §68 Abs1;
ÄrzteG 1998 §68 Abs2;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §38;
AVG §63 Abs3 impl;
AVG §63 Abs3;
AVG §63;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit dem am 8. Mai 1989 beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (in der Folge: Verwaltungsausschuss) eingelangten Schreiben vom 10. April 1989 gemäß § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds die Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds, weil er auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses (als Universitätsassistent) einen gleichwertigen Anspruch auf Ruhe- (Versorgungs-)Genuss habe. Seine Privatpraxis werde er zum 30. April 1989 schließen.

In einem weiteren, an die Ärztekammer für Wien gerichteten Schreiben vom 1. Mai 1989 (eingelangt am 8. Mai 1989) meldete der Beschwerdeführer seine Privatpraxis "ab 8. Mai 1989" wieder an.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 30. Juni 1989 (Beschlussdatum 5. Juni 1989) wurde der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien von der "Mitgliedschaft" zum Wohlfahrtsfonds, mit Ausnahme des Beitrages für die Todfallsbeihilfe, befreit. In der Begründung dieses Bescheides wurde § 7 Abs. 1 der genannten Satzung wiedergegeben und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nachgewiesen, dass er beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehe.

In den Verwaltungsakten befindet sich der Bescheid vom 22. Oktober 2001, Mag. H/Arzt Nr. 6523, in welchem der Verwaltungsausschuss feststellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2001 der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds gemäß Abschnitt I Abs. 2, Abschnitt II und Abschnitt VI der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds unterliegt. Begründet wurde diese in der Sitzung des Wohlfahrtsfonds am 9. Oktober 2001 beschlossene Feststellung damit, dass gemäß § 7a der geltenden Satzung des Wohlfahrtsfonds eine Befreiung nach § 7 Abs. 1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, mit 1. Juli 2001 unwirksam sei, wenn die Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen habe können, nachträglich weggefallen ist. Durch die Eröffnung einer Ordination mit 8. Mai 1989 sei ein für die Befreiung maßgeblicher Umstand weggefallen.

Ob dieser Feststellungsbescheid gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen wurde und bejahendenfalls wann, ist dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

In den Verwaltungsakten befindet sich auch der Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 11. Februar 2002, mit welchem der Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages vom 15. Jänner 2002 "von der Verpflichtung zur Leistung von Fondsbeiträgen bis auf den zur Sicherstellung der Grundleistung sowie für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach § 107 Ärztegesetz einzuhebenden Teil mit Wirkung vom 1. 7. 2001 befreit" wurde. (Ob dieser Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen worden ist, kann dem vorliegenden Verwaltungsakt ebenfalls nicht entnommen werden.)

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 26. April 2002 wurde der Fondsbeitrag des Beschwerdeführers für das Jahr 2001 gemäß Abschnitt I der Beitragsordnung mit EUR 2.525,85 festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits EUR 1.952,90 an vorläufigen Fondsbeiträgen entrichtet habe und daher ein Beitragsrückstand von EUR 572,95 bestehe, der bis zum 31. Juli 2002 einzuzahlen sei. In der Begründung des Bescheides wurde weiters dargelegt, wie die Bemessungsgrundlage berechnet wurde, und darauf hingewiesen, dass der Beitragssatz 15,8 v. H. der Bemessungsgrundlage betrage und der Fondsbeitrag für sechs Monate berechnet werde.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 13. Mai 2002 wurde ausgesprochen:

"Gemäß § 7 (1) der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien sind unter sinngemäßer Anwendung des § 11 (3) entsprechend der Beilage ‚Umstiegsberechnung bei Befreiung bis auf die Grundleistung' keine Beiträge rückzuerstatten."

In einem an die zuständige Sachbearbeiterin gerichteten, am 9. Mai 2002 gesendeten Telefax teilte der Beschwerdeführer der Behörde erster Instanz mit:

"Sehr geehrte Frau L(...)!

Gemäß unserem Gespräch vorige Woche und nach Erhalt des Bescheides bezüglich Wohlfahrtsfond und in Antizipation des Bescheides über die Kammerumlage berufe ich gegen beide Bescheide. Ich werde mich der Sammelklage gegen die Wiederaufnahme in den Wohlfahrtsfond anschließen sowie gegen die Erhöhung der Kammerumlage. Weiters bitte ich Sie um Rücküberweisung der bisher eingezogenen Zahlungen für den Wohlfahrtsfond.

Mit besten Grüßen …"

Die zuständige Sachbearbeiterin der Behörde erster Instanz

übermittelte hierauf dem Beschwerdeführer am 10. Mai 2002 ein Telefax folgenden Inhaltes:

"Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!

Leider kann ich Ihre Beschwerde in dieser Form nicht

weiterleiten. Es ist notwendig einen Grund (z. b. Wiedereinbeziehung und Zahlungspflicht) anzuführen. … (Gegen den Bescheid der Kammerumlage können Sie erst dann Beschwerde erheben, wenn Sie diesen erhalten haben (ebenfalls bitte mit Begründung).) …"

Noch am selben Tage sendete der Beschwerdeführer folgendes Telefax an die Behörde:

"Sehr geehrte Frau L(...)!

Ich berufe gegen die Wiedereinbeziehung in den Wohlfahrtsfond

und Zahlungspflicht.

Mit besten Grüßen …"

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid fasste die belangte

Behörde folgenden Spruch:

"Die Beschwerde vom 10. 5. 2002 wird abgewiesen und der Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 26. 4. 2002 bestätigt."

In der Begründung wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung kein einer Überprüfung zugängliches Beschwerdevorbringen erstattet und lediglich angekündigt habe, sich einer "Sammelklage" anzuschließen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. November 2002, B 1221/02-7, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und mit Beschluss vom 7. Jänner 2003, B 1221/02-9, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer äußerte sich hiezu schriftlich gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2001, (in der Folge: ÄrzteG), ist die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds von der Verwaltung des übrigen Kammervermögens getrennt zu führen und obliegt einem Verwaltungsausschuss, der sich zur administrativen Vorbereitung und Durchführung seiner Rechtsakte eines Dritten bedienen darf.

Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen werden Beschlüsse des Verwaltungsausschusses mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst. Gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses steht den Betroffenen das Recht der Beschwerde an einen von der Vollversammlung bestellten Beschwerdeausschuss zu.

Gemäß Abs. 7 dieser Gesetzesstelle ist für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuss und dem Beschwerdeausschuss das AVG anzuwenden.

Auf Grund der im § 113 Abs. 7 ÄrzteG enthaltenen Anordnung, wonach für das Verfahren vor dem Verwaltungs- und dem Beschwerdeausschuss das AVG anzuwenden ist, gelten für die Erhebung des ordentlichen Rechtsmittels der Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses an den Beschwerdeausschuss die im § 63 AVG für Berufungen normierten Grundsätze. Eine Beschwerde gemäß § 113 Abs. 4 ÄrzteG hat demnach - von weiteren, im Beschwerdefall nicht interessierenden Voraussetzungen abgesehen - den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten (§ 63 Abs. 3 AVG).

Die belangte Behörde hat die Beschwerde (§ 113 Abs. 4 ÄrzteG) des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit welchem der Beitrag zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 festgesetzt wurde, abgewiesen, weil "trotz Aufforderung kein einer Überprüfung zugängliches Beschwerdevorbringen" erstattet wurde. Sie ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides (erkennbar) davon aus, dass der (am 10. Mai 2002 ergänzten) Beschwerde zwar entnommen werden könne, gegen welchen Bescheid des Verwaltungsausschusses sie sich richtet, sie vertritt jedoch die Auffassung, dass im Rechtsmittel Ausführungen darüber fehlten, worin die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erblickt wird, weshalb es dieser Beschwerde an dem begründeten Antrag mangle.

Es ist im Beschwerdefall nicht weiter von Bedeutung, ob mit dem angefochtenen Bescheid über die Beschwerde meritorisch abgesprochen wurde oder aber die belangte Behörde das erledigte Rechtsmittel allenfalls - wie die Begründung des angefochtenen Bescheides vermuten lässt - wegen Fehlens eines notwendigen inhaltlichen Bestandteiles tatsächlich zurückgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid ist nämlich schon aus folgenden Erwägungen rechtswidrig.

Einer Beschwerde gemäß § 113 Abs. 4 ÄrzteG, die keinen begründeten Berufungsantrag enthält, fehlt ein wesentlicher Bestandteil, der den Inhalt und nicht die Form dieses Rechtsmittels betrifft (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), zu § 63 AVG, Seite 1190, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Der belangten Behörde ist darin zu folgen, dass mit der hier zu beurteilenden Beschwerde (erkennbar) zwar die Verpflichtung zur Zahlung des für das Jahr 2001 festgesetzten Beitrages zum Wohlfahrtsfonds bekämpft wird, es fehlt aber auch in der mit Telefax vom 10. Mai 2002 ergänzten Beschwerde ein Hinweis, worin der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erblickt. Dieser von der belangten Behörde zutreffend erkannte inhaltliche Mangel der Beschwerde konnte aber im Lichte des hier anzuwendenden § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 nicht ohne Weiteres zur Abweisung (korrekt: Zurückweisung) der Beschwerde führen.

Nach der letztgenannten Gesetzesstelle ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr unverzüglich deren Behebung mit der Wirkung aufzutragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird.

Die hier maßgebliche Fassung des § 13 Abs. 3 AVG stellt nicht mehr nur auf Formgebrechen schriftlicher Anbringen ab, sondern ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen, worunter auch inhaltliche Mängel zu subsumieren sind. Es muss sich aber immer um verbesserungsfähige Mängel handeln (siehe die hg. Erkenntnisse vom 29. August 2000, Zl. 99/05/0041, und vom 21. November 2002, Zl. 2002/07/0088).

Ein solcher verbesserungsfähiger inhaltlicher Mangel liegt auch im hier gegebenen Falle des Fehlens einer Begründung der Beschwerde nach § 113 Abs. 4 ÄrzteG vor. Vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hätte daher die belangte Behörde ein Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG durchführen müssen. Mit dem Hinweis der zuständigen Sachbearbeiterin der Behörde im - an den Beschwerdeführer übermittelten - Telefax vom 10. Mai 2002, in der Beschwerde sei ein Grund anzuführen, hat die Behörde den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG nicht entsprochen. Ein an eine Partei gerichteter Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG betreffend ein fristgebundenes Rechtsmittel muss nämlich neben der vorgesehenen Fristsetzung auch den Hinweis enthalten, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist zurückgewiesen wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2001, Zl. 99/05/0178, und vom 19. März 2002, Zl. 99/10/0203).

Indem die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in Bezug auf den festgestellten Mangel seiner Beschwerde keinen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilte, sondern diese Beschwerde, ohne einen solchen Auftrag zu erteilen, wegen Fehlens eines begründeten Antrages "abwies", belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit.

Dem in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof enthaltenen Beschwerdepunkt (§ 28 VwGG) ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer durch die Vorschreibung des Wohlfahrtsfondsbeitrages für das Jahr 2001 für beschwert erachtet. In einem Verfahren zur Entrichtung von Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds hat die Behörde die Frage, ob der Verpflichtete Mitglied der Ärztekammer Wien bzw. des Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer ist, als Vorfrage zu beantworten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0095). Dies wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren ebenso zu berücksichtigen haben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 24. September 2003

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