VwGH 99/05/0041

VwGH99/05/004129.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Jakob Bauer in Wels, vertreten durch Dr. Herbert Heigl KEG und Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Jänner 1999, Zl. BauR-012249/1-1998/RU/Vi, betreffend baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sattledt, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3 impl;
AVG §63 Abs3;
GdO OÖ 1990 §102 Abs2;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3 impl;
AVG §63 Abs3;
GdO OÖ 1990 §102 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juni 1998 wurde u.a. dem Beschwerdeführer der baubehördliche Auftrag erteilt, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides ein bewilligungslos errichtetes Holzgebäude mit einer verbauten Fläche von 5 m x 5 m auf dem Grundstück Nr. 2149, EZ 78, KG Sattledt I, das mit der Widmung Grünland versehen ist, zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Die dagegen u.a. vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1998 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Schreiben des Beschwerdeführers vom 25. Juli 1998 nicht jene nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Mindesterfordernisse gemäß § 63 Abs. 3 AVG enthalte. Es werde darin lediglich ausgeführt, dass irgendwann einmal ein Bauplan der Baubehörde vorgelegt und anlässlich dieser Einreichung vom Bürgermeister auf die Unmöglichkeit der Errichtung von Bauten im Grünland hingewiesen worden sei. Letztlich werde in diesem Schreiben noch um Überprüfung ersucht, ob bei anderen Bauten eine Genehmigung vorliege oder nicht. Offensichtlich habe der Beschwerdeführer auch selbst erkannt, dass ein dezidierter Antrag auf Aufhebung des Berufungsbescheides fehle und habe daher mit Schreiben vom 10. August 1998 nachträglich Einspruch gegen den "Abrissbescheid" erhoben. Dies sei jedoch im Hinblick auf die Zustellung des Berufungsbescheides am 14. Juli 1998 durch Hinterlegung als verspätet anzusehen, weshalb die Vorstellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. Im Übrigen wird ausgeführt, dass die Vorstellung auch inhaltlich abzuweisen gewesen wäre.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 O.ö. Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben. Jeder letztinstanzliche Bescheid eines Gemeindeorganes hat einen Hinweis auf die Vorstellung und eine Belehrung über die Einbringung - Abs. 2 erster Satz - zu enthalten (Vorstellungsbelehrung). Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten. Die Gemeinde hat die Vorstellung unter Anschluss der Verwaltungsakten und ihrer Stellungnahme unverzüglich, spätestens aber vier Wochen nach dem Einlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht angenommen habe, es lägen jene Mindesterfordernisse nicht vor, die ein Rechtsmittel enthalten müsse. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genüge es, wenn aus der Eingabe erkennbar sei, dass die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde nicht einverstanden sei. Der Beschwerdeführer habe sich schon in der Überschrift ("Betrifft: Vorstellungsbelehrung") ausdrücklich auf das Rechtsmittel der Vorstellung bezogen. Dieses Schreiben vom 25. Juli 1998 enthalte ausdrücklich den Hinweis, dass für die vorliegende Gerätehütte um Erteilung einer Baubewilligung bei der Gemeinde angesucht, dieses Ansuchen jedoch von der Baubehörde erster Instanz bisher nicht erledigt worden sei. Es sei daher eindeutig, dass sich der Beschwerdeführer durch den baubehördlichen Beseitigungsauftrag des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde beschwert erachtet habe. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Eingabe das Ziel verfolgt, dass die Gerätehütte nicht beseitigt werden müsse, er habe vielmehr deren baubehördliche Genehmigung angestrebt. In seinem Schreiben vom 10. August 1998 habe der Beschwerdeführer nochmals klargestellt, dass er den "Abrissbescheid vom 13.07.1998" anfechte.

Der verfahrensgegenständliche Berufungsbescheid enthielt unter der Überschrift "Vorstellungsbelehrung" folgende Ausführungen:

"Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 102 der Oö. Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91/1990, i.d.g. Fassung, Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder mittels Telekopierer beim Gemeindeamt Sattledt, 4642 Sattledt Nr. 61, einzubringen. Die Vorstellung hat einen begründeten Antrag zu enthalten und hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet."

Der Berufungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer mittels Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG am 15. Juli 1998 zugestellt.

Der Beschwerdeführer richtete folgendes Schreiben an das Gemeindeamt Sattledt:

"GEMEINDEAMT SATTLEDT

Pol. Bezirk Wels-Land

----------------------------------------

Zahl: 13/131 - 9/1998/M

Wels, 25.7.98

Betrifft: Vorstellungsbelehrung

1993 wurde unserseits bei der Gemeinde Sattledt um die Errichtung einer Gerätehütte angesucht. Ein Bauplan wurde hierzu benötigt, welcher vorgelegt wurde. Bis dato haben wir weder einen positiven noch einen negativen Bescheid erhalten.

Bei Einreichung des Bauplanes und anschließender Rückfrage beim Bürgermeister erklärte uns dieser (im Beisein des Gemeindesekretärs Herrn ...), dass im Grünland keine Bauten errichtet werden dürfen. Auf unsere Frage, warum trotz Verbot einige Hütten ohne Teich und auch ein Haus in dieser Gegend errichtet wurden (Fotos anbei), erhielten wir zur Antwort 'wo kein Kläger, da kein Richter'!

1997 wurde am Nachbargrundstück eine Hütte errichtet. Laut Herrn Bürgermeister ... wurde eine Teilgenehmigung erteilt. Wurden hier baurechtliche Bestimmungen eingehalten?

Wir ersuchen hiermit um Überprüfung, ob bei diesen Bauten Genehmigungen erteilt wurden."

Der Beschwerdeführer richtete folgendes weitere Schreiben vom 10. August 1998 an das Gemeindeamt Sattledt:

"Betrifft: Nachtrag der Vorstellungsbelehrung 25.7.98 Ich erhebe Einspruch gegen den Abrissbescheid per 13.7.98, da

wir die Hütte als Nutzungsobjekt für Einstellen des Fischfutters und Geräten benötigen." (Es folgt die Adresse und die Unterschrift des Beschwerdeführers).

Bei der Auslegung der inhaltlichen Erfordernisse einer Vorstellung gemäß § 102 Abs. 2 O.ö. Gemeindeordnung 1990 kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 Abs. 3 AVG herangezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1998, Zl. 97/05/0116). Unverzichtbarer Bestandteil einer Berufung im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG sind ein Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung. Der Berufungsantrag bezeichnet das Thema, über das die Berufungsbehörde abzusprechen hat und muss sinngemäß dahin lauten, den Bescheid zu beheben oder in bestimmter Weise abzuändern (vgl. die in Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, 1179, unter E 123. angeführten hg. Erkenntnisse). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des Merkmales eines begründeten Berufungsantrages kein strenger Maßstab anzulegen, weil es sich um eine Vorschrift handelt, die sich auch an rechtsunkundige Parteien richtet (vgl. u.a. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/05/0116 und das in diesem dazu zitierte Vorerkenntnis). Die Berufung muss aber im Hinblick auf den Antrag wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt.

In gleicher Weise muss eine Vorstellung gemäß § 102 Abs. 2 O.ö. Gemeindeordnung 1990 u.a. einen solchen Vorstellungsantrag enthalten, der das Thema, über das die Vorstellungsbehörde zu entscheiden hat, angeben muss. Aus ihm muss sich sinngemäß ergeben, dass der Berufungsbescheid aufgehoben werden soll. Auch bei der Auslegung einer Vorstellung ist u.a. in Bezug auf den begründeten Vorstellungsantrag kein strenger Maßstab anzulegen.

Der Beschwerdeführer hat sich zwar in seinem Schreiben vom 25. Juli 1998 auf die Geschäftszahl des Berufungsbescheides bezogen und den im Berufungsbescheid verwendeten Begriff der Vorstellungsbelehrung als Betreff angeführt, sodass das Erfordernis der Bescheidbezeichnung, das gleichfalls gemäß § 102 Abs. 2 O.ö. Gemeindeordnung verlangt ist, im Hinblick auf diese Angaben als erfüllt angesehen werden kann. Es kann diesem Schreiben aber kein Vorstellungsantrag, der sinngemäß dahingeht, dass der Berufungsbescheid zu beheben sei, entnommen werden. Das Schreiben enthält vielmehr am Ende das ausdrückliche Ersuchen um Überprüfung, ob bei anderen nach Auffassung des Beschwerdeführers bewilligungslos erfolgten Bauten im Grünland Genehmigungen erteilt wurden. Das Schreiben war vielmehr dahin zu verstehen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich aus Anlass des angeführten Berufungsbescheides seinen Unmut gegenüber der Gemeinde gegen bestimmte Vorgänge in der Gemeinde zum Ausdruck bringen wollte. Es ist zwar zutreffend, dass bei der Auslegung des Kriteriums des "Berufungsantrages" - wie bereits dargelegt - kein übertriebener Formalismus angewendet werden darf, allein aus der Anführung des Wortes "Vorstellungsbelehrung" und der Geschäftszahl des Berufungsbescheides kann ein solcher Vorstellungsantrag nicht abgeleitet werden, zumal das angeführte Schreiben - wie dargelegt - ein ausdrückliches, in eine ganz andere Richtung gehendes Ersuchen enthielt.

Dieser von der Behörde zutreffend erkannte inhaltliche Mangel der Vorstellung konnte aber im Lichte des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Geltung gestandenen § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. I 158/1998 nicht so ohne Weiteres zur Zurückweisung der Vorstellung führen. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr unverzüglich deren Behebung mit der Wirkung aufzutragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Die novellierte Fassung des § 13 Abs. 3 AVG stellt nicht mehr nur auf Formgebrechen von schriftlichen Anbringen ab, sondern ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen, worunter auch inhaltliche Mängel eines Anbringens zu subsumieren sind. Es muss sich aber immer um verbesserungsfähige Mängel handeln (siehe dazu die Erläuterungen des Selbstständigen Antrages des Verfassungsausschusses des Nationalrates 1167 BlgNr. 20. GP, 15, und Walter - Thienel, Verwaltungsverfahren13, 1998, S. 50, Anm. 8 zu § 13 AVG). Ein solcher verbesserungsfähiger inhaltlicher Mangel liegt im Falle des Fehlens eines Vorstellungsantrages gemäß der Regelung des § 102 Abs. 2 O.ö. Gemeindeordnung vor. Indem die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in Bezug auf den festgestellten Mangel keinen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilte, sondern die Vorstellung, ohne einen solchen Auftrag zu erteilen, zurückwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. August 2000

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