VwGH 2001/10/0084

VwGH2001/10/008411.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, in der Beschwerdesache des Mag.pharm. G in Judenburg, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen das Schreiben der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen vom 23. August 2000, Zl. 22.283/34-VIII/A/4/2000, betreffend Vertrieb eines Arzneimittels, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
LMG 1975 §18 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
LMG 1975 §18 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und ihren Beilagen ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Schreiben vom 19. Oktober 1999 meldete der Beschwerdeführer das Produkt "Genes Influ-Zinc Inverno-Brausetabletten" als Verzehrprodukt gemäß § 18 LMG beim Bundeskanzleramt an.

Das Bundeskanzleramt holte eine fachkundige Stellungnahme der zuständigen Abteilung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein. Diese teilte mit Schreiben vom 22. November 1999 mit, bei dem in Rede stehenden Produkt, das 400 mg Vitamin C, 500 mg Zink und Extractum Echinaceae pro 100 g enthalte, handle es sich auf Grund im Einzelnen genannter Umstände nach der Verkehrsauffassung um ein Arzneimittel und eine zulassungspflichtige Arzneispezialität; eine Zulassung liege nicht vor.

Mit Schreiben vom 30. November 1999 übermittelte das Bundeskanzleramt die fachkundige Stellungnahme dem Beschwerdeführer mit der Aufforderung, binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 äußerte sich der Beschwerdeführer zu der ihm übermittelten Stellungnahme.

In der Folge richtete das Bundeskanzleramt an den Beschwerdeführer das Schreiben vom 7. Februar 2000 mit folgendem Inhalt:

"Betrifft: Anmeldung gem. § 18 LMG 1975 von

'Genes Influ-Zinc Inverno-Brausetabletten'.

Das Bundeskanzleramt bestätigt die Anmeldung gemäß § 18 LMG 1975 über das Produkt 'Genes Influ-Zinc Inverno-Brausetabletten' und teilt mit, dass die Untersagungsfrist abgelaufen ist. Eine abschließende Beurteilung dieses Erzeugnisses (siehe Beilage) konnte aufgrund des Ablaufs dieser Frist (3-Monatsfrist) nicht vorgenommen werden."

Am 23. August 2000 richtete die belangte Behörde ein "Für die Bundesministerin" namentlich gezeichnetes Schreiben mit folgendem Inhalt an den Beschwerdeführer:

"Betreff: Vertrieb des Arzneimittels 'Influ-Zinc-Brausetabletten'

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen wurde in Kenntnis gesetzt, dass die Firma ... (Beschwerdeführer) das Produkt 'Influ-Zinc-Brausetabletten' vertreibt. Hiezu wird Nachstehendes zur Kenntnis gebracht: Bei 'Influ-Zinc-Brausetabletten' handelt es sich um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität im Sinne der Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes. Laut einschlägiger Fachliteratur kommen dem Produkt bei vorliegender Zusammensetzung (400 mg Vitamin C, 500 mg Zink und Extractum Echinaceae pro 100 g) zweifelsfrei spezifische pharmakologische Wirkungen zu (siehe u.a. Hager's Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Martindale; The Extra Pharmacopeia, Hunnius: pharmazeutisches Wörterbuch, usw.) Echinacea unterliegt außerdem der Rezeptpflicht. Die pharmakologischen Wirkungen sind aufgrund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes zu erwarten. Die gegebene Dosierung bewegt sich in jenem Rahmen, der in der oben erwähnten Fachliteratur zur Vorbeugung und Behandlung entsprechender Mangelkrankheiten beschrieben ist. Das Produkt ist somit nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität zu beurteilen. Ein Inverkehrbringen der Ware ist daher erst nach erfolgter Zulassung als Arzneispezialität statthaft. Bezüglich der Anmeldung des Produktes als Verzehrprodukt im Zusammenhang mit dem Ablauf der gesetzlich vorgegebenen Untersagungsfrist von drei Monaten wird auf die kürzlich unter der ho. GZ 21.400/82-VIII/A/4/00 ergangenen Ausführungen bezüglich der Gesetzeslage (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.1984, Zl. 83/10/0296) hingewiesen."

Gegen dieses Schreiben erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2001 ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 24. April 2001 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, bei dem in Rede stehenden Schreiben handle es sich um einen Bescheid. Angesichts des Verfahrensganges könne kein Zweifel daran bestehen, dass die belangte Behörde den Willen gehabt hätte, eine bindende Regel zu erlassen. Innerhalb der 3-Monatefrist des § 18 Abs. 2 LMG sei kein Untersagungsbescheid ergangen. Offensichtlich sei die belangte Behörde in der Folge zur Einsicht gekommen, dass "Influ-Zinc-Brausetabletten" doch kein Verzehrprodukt seien, weshalb dieses Erzeugnis eigentlich zu untersagen wäre. Da die Untersagungsfrist aber längst abgelaufen sei und daher kein den Anforderungen des § 18 Abs. 2 entsprechender Untersagungsbescheid mehr habe ergehen können, habe sich die belangte Behörde mit der Aussendung des angefochtenen Schreibens beholfen. Darin werde mit aller Deutlichkeit festgestellt, dass "Influ-Zinc-Brausetabletten" kein Verzehrprodukt, sondern ein Arzneimittel sind und daher erst nach Zulassung als Arzneispezialität in Verkehr gebracht werden dürften. Damit werde dem Beschwerdeführer trotz Vermeidung des Wortes "Untersagung" verboten, "Influ-Zinc-Brausetabletten" als Verzehrprodukt in Verkehr zu bringen. Es handle sich dabei entweder um einen verspäteten Untersagungsbescheid im Sinne des § 18 Abs. 2 LMG oder um einen Feststellungsbescheid, der die Unzulässigkeit des Inverkehrbringens des genannten Erzeugnisses als Verzehrprodukt verbindlich festhalte. Die Verbindlichkeit dieses Schreibens ergebe sich schon aus dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1984, 83/10/0296, in dem der Verwaltungsgerichtshof - nach Meinung des Beschwerdeführers zu Unrecht - ausgesprochen habe, "dass der bloße Ablauf der Untersagungsfrist eine allfällige neue Beurteilung eines Präparates in einem Verwaltungsstrafverfahren offenbar möglich ist". Gerade durch diesen Hinweis sei klargestellt, dass der Beschwerdeführer trotz Ablaufs der Untersagungsfrist "Influ-Zinc-Brausetabletten" nicht mehr in Verkehr bringen dürfe, wenn eine Verurteilung im Verwaltungsstrafverfahren vermieden werden solle. Auf mangelndes Verschulden könne er sich auf Grund des angefochtenen Bescheides wohl nicht mehr berufen.

Bescheide nach § 56 AVG sind individuelle, hoheitliche Erledigungen der Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiell-rechtlicher oder formell-rechtlicher Art abgesprochen wird, sei es, dass Rechtsverhältnisse festgestellt, sei es, dass sie gestaltet werden. Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Die Rechtskraftfähigkeit der Erledigung ist kein neben der normativen Natur derselben selbständig anzuführendes Merkmal eines Bescheides, weil die Rechtskraftfähigkeit nicht Ursache, sondern Folge der normativen Natur der Erledigung ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, sowie das Erkenntnis vom 16. Mai 2001, 2001/08/0046). Hinweise, Mitteilungen, die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung im Sinne des § 58 AVG gewertet werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 56 AVG, E 181, 182, referierte hg. Rechtsprechung). Wenn feststeht, dass eine Zuständigkeit der Behörde zum bescheidmäßigen Abspruch im Gegenstand nicht vorlag, so kann ihr auch nicht die Absicht unterstellt werden, dass sie mit einer Erledigung, der die äußere Form eines Bescheides fehlt, einen Bescheid im Rechtssinn erlassen wollte (vgl. den Beschluss vom 21. Mai 1971, Slg. Nr. 8026/A).

Nach § 18 Abs. 1 LMG ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz in Verkehr zu bringen.

Nach Abs. 2 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.

Die Zuständigkeit zur Erlassung eines auf § 18 Abs. 2 LMG gegründeten Untersagungsbescheides fällt nach Ablauf der Frist von drei Monaten somit weg; nach Ablauf dieser Frist erlassene Bescheide sind mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde belastet (vgl. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1995, Zl. 91/10/0215 mwH).

Der Beschwerdeführer deutet das ihm zugekommene Schreiben der belangten Behörde dahin, dass ihm damit "verboten" werde, das in Rede stehende Produkt als Verzehrprodukt in Verkehr zu bringen, weshalb ein "verspäteter Untersagungsbescheid" vorliege, andernfalls aber ein Feststellungsbescheid, der "die Unzulässigkeit des Inverkehrbringens als Verzehrprodukt verbindlich festhält".

Darin kann der Beschwerde nicht gefolgt werden. Mit dem in Rede stehenden Schreiben wird dem Beschwerdeführer - unter Hinweis auf den Ablauf der Untersagungsfrist - die Auffassung der Behörde (wörtlich:) "zur Kenntnis gebracht", dass es sich bei dem erwähnten Produkt um ein Arzneimittel und somit um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität handle. Das Schreiben enthält keine Aussage, wonach das Inverkehrbringen als Verzehrprodukt "untersagt" oder "verboten" oder die (die Eigenschaft als Verzehrprodukt ausschließende) Eigenschaft als Arzneimittel (ausdrücklich) festgestellt werde; die Aussagen über die rechtliche Qualifikation des in Rede stehenden Produktes sind vielmehr in die Form von Wissenserklärungen gekleidet. Weiters ist dem Schreiben, das nicht als Bescheid bezeichnet und nicht in Spruch und Begründung gegliedert ist, zweifelsfrei zu entnehmen, dass die belangte Behörde in Kenntnis des Umstandes war, dass ihre Zuständigkeit zur Erlassung eines Untersagungsbescheides infolge ungenützten Ablaufes der Dreimonatsfrist des § 18 Abs. 2 LMG weggefallen war.

Davon ausgehend kann weder dem in Rede stehenden Schreiben zweifelsfrei ein Abspruch normativen Inhalts entnommen noch eine Intention der Behörde angenommen werden, eine rechtsgestaltende Anordnung zu treffen oder ein Rechtsverhältnis bindend festzustellen. Dabei ist der von der Beschwerde bezogene, im Text des Schreibens enthaltene Hinweis auf einen Erlass der Behörde und ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mangels näherer Konkretisierung der daraus gezogenen Folgerungen ohne Bedeutung. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch bei Bedachtnahme auf die im vorliegenden Zusammenhang möglicherweise einschlägige Aussage des zitierten Erkenntnisses, wonach mangels Bescheidcharakters der "Nichtuntersagung" die rechtlichen Eigenschaften eines Produktes in einem Verwaltungsstrafverfahren einer selbständigen Prüfung im Rahmen der Vorfragenbeurteilung zu unterziehen sind (vgl. ebenso das Erkenntnis vom 31. Mai 1999, 98/10/0366), sich kein Anhaltspunkt dafür ergäbe, dass die belangte Behörde mit dem in Rede stehenden Schreiben eine normative Anordnung oder Feststellung getroffen hat oder hätte treffen wollen. Es kann somit nicht davon die Rede sein, dass im vorliegenden Fall ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid vom Bescheidcharakter des Schreibens auszugehen wäre, weil sich aus dem Spruch eindeutig ergäbe, dass die Behörde normativ eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hätte.

Mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. Juni 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte