Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §38;
LMG 1975 §18 Abs2;
LMG 1975 §9 Abs3;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §13 Abs1;
AVG §38;
LMG 1975 §18 Abs2;
LMG 1975 §9 Abs3;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 29. September 1997 (bei der belangten Behörde am 6. Oktober 1997 eingelangt) meldete die beschwerdeführende Partei das Produkt "Carotin Mega + Selen-Kapseln mit L. Cystin" unter Anschluss einer Musterpackung samt Beipackzettel als Verzehrprodukt an; gleichzeitig wurde die Genehmigung der Bedarfsangaben beantragt.
Die belangte Behörde holte eine fachliche Stellungnahme der zuständigen Abteilung im Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein. Danach sei auf Grund der Zusammensetzung des gegenständlichen Produktes mit einer objektiv-arzneilichen Wirkung im Sinne einer Therapie bzw. Prophylaxe von
Vitamin A-Mangelzuständen zu rechnen. Das Produkt sei daher nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel zu beurteilen.
Die beschwerdeführende Partei erstattete dazu im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme vom 9. Dezember 1997 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 19. Dezember 1997.
Mit Schreiben vom 15. Jänner 1998 bestätigte die belangte Behörde die Anmeldung für das genannte Produkt gemäß § 18 des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge: LMG 1975) und teilte mit, dass die Untersagungsfrist abgelaufen sei. Der belangten Behörde sei es daher verwehrt, bescheidmäßig in der Sache selbst zu entscheiden. Gleichzeitig erfolgte der Hinweis, dass es sich bei dem in Rede stehenden Produkt gemäß dem Gutachten des Amtssachverständigen für Pharmazie um ein Arzneimittel handle.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 1998 gab die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 2. Oktober 1997 (richtig: 29. September 1997) nicht Folge und ließ für das genannte Produkt die näher dargestellten Angaben nicht zu. Auf den weiteren zwei Seiten des Bescheides wurden die Musterpackung sowie der Beipackzettel in Fotokopie wiedergegeben.
Nach der Begründung handle es sich bei dem in Rede stehenden Produkt nach dem Gutachten des Amtssachverständigen um ein Arzneimittel. Für Arzneimittel komme die Anwendung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen schon begrifflich nicht in Betracht. Unter Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 31. März 1991, Slg. 1991, I-1487 (Delattre), vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei auf Grund fehlender spezifischer Gemeinschaftsregelungen (Harmonisierungsmaßnahmen) sehr wohl möglich, dass das vorliegende Produkt in anderen Ländern rechtmäßig als "Nahrungsergänzungsmittel" in Verkehr sei und kein Arzneimittel darstelle, hingegen in Österreich auf Grund der objektiv-arzneilichen Wirkung als Arzneimittel eingestuft werde.
Gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28. September 1998, B 525/98, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Sie bringt dabei insbesondere vor, gar keinen Antrag nach § 9 Abs. 3 LMG 1975 gestellt zu haben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 18 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) in Verkehr zu bringen.
Gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.
Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen
a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesund erhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;
b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;
c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.
Gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.
Von der beschwerdeführenden Partei wurde das in Rede stehende Produkt als Verzehrprodukt zum Inverkehrbringen angemeldet und gleichzeitig die Genehmigung der "Bedarfsangaben" beantragt.
Eine Untersagung des Inverkehrbringens als Verzehrprodukt erfolgte in der dafür vorgesehenen Frist des § 18 Abs. 2 LMG 1975 nicht. Bei diesem Verfahrensstand könnte gegen etwaige gesundheitsbezogene Angaben des Produkts im Wege eines Strafverfahrens vorgegangen werden, zumal aus der bloßen Nichtuntersagung nicht unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens geschlossen werden kann; allerdings könnte beim Anmeldenden ein Schuldausschließungsgrund gegeben sein.
Die Behörde handelt aber auch nicht rechtswidrig, wenn sie in einem Verfahren nach § 9 Abs. 3 LMG 1975 die Frage, ob es sich um ein Verzehrprodukt oder um ein Arzneimittel handelt, einer selbstständigen Beurteilung unterzieht. Dies vor dem Hintergrund, dass der Nichtuntersagung des Inverkehrbringens der als Verzehrprodukt angemeldeten Ware gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 auch nicht die Wirkung einer mit Rechtskraft ausgestatteten Entscheidung über die rechtliche Qualität dieser Ware als Verzehrprodukt zukommt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/10/0235, mit Hinweis auf Vorjudikatur, sowie das Erkenntnis vom 19. Dezember 1983, VwSlg. Nr. 11.267/A).
Voraussetzung eines Ausspruches nach § 9 Abs. 3 LMG 1975 wäre allerdings das Vorliegen eines entsprechenden Antrags der beschwerdeführenden Partei gewesen. In der Beschwerde wird nun - wie bereits oben dargestellt - in Abrede gestellt, dass ein Antrag gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 gestellt worden ist. Daran ist zutreffend, dass ein ausdrücklich auf § 9 Abs. 3 leg. cit. gestützter Antrag nicht vorlag. Es kann allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass mit dem Antrag um Genehmigung der "Bedarfsangaben" ein solcher Antrag intendiert war, kann doch auch mit solchen Angaben der Eindruck einer besonderen physiologischen Wirkung erzeugt werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 94/10/0053).
Im Rahmen eines solchen Verfahrens hätte allerdings zunächst von der belangten Behörde geklärt werden müssen, für welche Angaben die beschwerdeführende Partei eine etwaige Bewilligung nach § 9 Abs. 3 leg. cit. anstrebte (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 13 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, E 54 ff). Dass der Wille der beschwerdeführenden Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden konnte, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift behauptet, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gesagt werden. Solange ein eindeutiger Antrag der Partei nicht vorliegt, ist die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes inhaltlich rechtswidrig.
Dazu kommt im Beschwerdefall, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die gesamte Aufmachung des Produktes (Musterpackung sowie Beipackzettel) unterschiedslos als gesundheitsbezogene Angaben gewertet hat. Da jedoch die Musterpackung sowie der Beipackzettel nicht zur Gänze aus etwaigen gesundheitsbezogenen Angaben bestehen, erweist sich das Vorgehen der belangten Behörde auch insofern als rechtswidrig.
Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 1999
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