Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57;
EMRK Art4 Abs2;
EMRK Art4 Abs3 litb;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57;
EMRK Art4 Abs2;
EMRK Art4 Abs3 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Spruchpunkt 2.; Feststellung gemäß § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Sudan und am 22. März 1998 nach Österreich eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) vom 11. September 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG stellte die belangte Behörde überdies fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan zulässig sei (Spruchpunkt 2.).
Nur gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides vom 11. September 1998 richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hatte vor dem Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen angegeben, dass er den Sudan wegen des dortigen Krieges habe verlassen müssen; er sei "im März oder Mai 1997" von Angehörigen der "SPLM" festgenommen und aufgefordert worden, für diese Gruppierung und die Aufrechterhaltung der Demokratie bzw. das Überleben der christlichen Bevölkerung im Südsudan an deren Seite zu kämpfen; er habe es jedoch bei der "SPLM" nicht ausgehalten und sei schon nach drei Tagen geflüchtet; in der Folge habe er Leute der "SPLM" im Dorf wahrgenommen, die junge Christen, Männer, für den Kampf gegen die Moslems gesucht bzw. rekrutiert hätten. Er werde von der "SPLM" seit 1996 gesucht, "weil ich der einzige Überlebende meiner Familie bin"; da er, der Beschwerdeführer, nicht an der Seite der "SPLM" habe kämpfen wollen, habe er sich entschlossen, den Sudan zu verlassen.
Weiters hatte der Beschwerdeführer angegeben, dass die Moslems im ganzen Sudan vorherrschend seien und dass sie im Sudan "das Sagen" hätten; so wären seine Eltern 1990 bei einem Unfall ums Leben gekommen; sie seien von einem LKW, den ein moslemischer Fahrer gelenkt habe, erfasst und getötet worden.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes machte der Beschwerdeführer darüber hinaus unter dem Punkt "Refoulment" ua. Folgendes geltend:
"Zur Rückkehrmöglichkeit abgelehnter Asylwerber in den Sudan vertritt das UN Flüchtlingskommissariat UNHCR die Auffassung, dass von einer Abschiebung in den Sudan Abstand zu nehmen sei. Grund hiefür ist der im Sudan herrschende Bürgerkrieg, wobei es in den vergangenen Monaten vermehrt zu krassen Menschenrechtsverletzungen, die von Amnesty International als ethnische Säuberungen bezeichnet werden, gekommen ist. Der Berufungswerber, der der katholischen Minderheit angehört, ist daher persönlich der Gefahr ausgesetzt, Opfer der auch gegen die katholische Minderheit gerichteten ethnischen Säuberungen zu werden. Die Regierung, die selbst unter starkem Druck der Moslems steht, ist nicht in der Lage, den Berufungswerber zu schützen. Es bestehen daher stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der Berufungswerber auf Grund der ethnischen Säuberungen der Gefahr unmenschlicher Behandlung bei einer Rückkehr in den Sudan ausgesetzt ist."
Diesem Berufungsvorbringen entgegnete die belangte Behörde - im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 7 AsylG - gestützt auf "Rat der EU, Aufzeichnungen des Generalsekretariats des Rates für das CIREA vom 5.12.1997" damit, dass Christen im Sudan nicht generell im Sinn der FlKonv verfolgt würden bzw. dass dem religiösen Bekenntnis nur in bestimmten Fallkonstellationen, die der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, Bedeutung beizumessen sei; massive planmäßige Übergriffe durch Angehörige der moslemischen Glaubensgemeinschaft im Süden des Südan erschienen schon auf Grund der Tatsache, dass der Anteil der Moslems im Süden nur bei etwa 10 % der dort lebenden Bevölkerung liege, "erheblich" unwahrscheinlich; dieser Umstand sei insbesondere vor dem "obzitierten Hintergrund der allgemeinen Machtverhältnisse im Süden des Sudans" zu betrachten; die allgemeinen Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten bzw. Bevölkerungsgruppen in islamischen Staaten konfrontiert seien, reichten für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten; ein allgemein herrschender Bürgerkrieg indiziere nach herrschender Auffassung für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft; das Asylrecht habe nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgingen; der allgemeinen Situation "bzw. Menschenrechtssituation" im Sudan könne nicht allein ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft zukommen. Im Rahmen ihrer Entscheidung zu § 8 AsylG führte die belangte Behörde weiter aus, dass die im Heimatstaat des Beschwerdeführers allgemein herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und insbesondere die dort herrschende Bürgerkriegssituation ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Gefährdung bzw. Bedrohung darstellten; eine eine gruppengerichtete Verfolgung von erheblicher Intensität indizierende intensive Verfolgungsdichte und ein damit einher gehendes aktuelles Verfolgungspotential habe nicht erkannt werden können, weshalb für den Beschwerdeführer auch nicht die Gefahr ersichtlich sei, einer Bedrohung iS des § 57 FrG ausgesetzt zu sein.
Der Beschwerdeführer rügt im Zusammenhang mit diesen Ausführungen zunächst zu Recht, dass Mutmaßungen ("massive planmäßige Übergriffe ... erscheinen ... erheblich unwahrscheinlich") entsprechende Feststellungen (darüber, ob derartige Übergriffe stattgefunden haben oder nicht) nicht zu ersetzen vermögen. Weiter ist unklar, worauf sich die belangte Behörde bezieht, wenn sie von dem "obzitierten Hintergrund der allgemeinen Machtverhältnisse im Süden des Sudans" spricht; in ihrem Bescheid finden sich diesbezüglich nämlich keinerlei Feststellungen. Im Übrigen wäre die belangte Behörde im Hinblick auf das dargestellte ergänzende Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers und angesichts der durchgeführten Ermittlungen (Bezugnahme auf Aufzeichnungen des Generalsekretariats des Rates für das CIREA) zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0304); die grundsätzliche Pflicht der belangten Behörde zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ist auch dann zu beachten, wenn die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Verhandlung nur in Bezug auf die zu treffende Entscheidung über den Abschiebungsschutz nicht gegeben sind (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0531). Außerdem hätte die belangte Behörde sich mit den in der Berufung erwähnten, wenngleich nicht näher präzisierten Stellungnahmen des UNHCR und von Amnesty International auseinander setzen müssen. Diese Verpflichtungen hat die belangte Behörde verletzt, weshalb ihr Bescheid an Verfahrensmängeln leidet. Diese sind wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde gegebenenfalls zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203, und - spezifisch bezogen auf die behaupteten, auch im Rahmen des § 57 FrG relevanten "ethnischen Säuberungen" - vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370; vgl. auch das den Sudan betreffende hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1999, Zl. 96/21/0730).
Bezüglich der geltend gemachten drohenden Zwangsrekrutierung durch Rebellentruppen (siehe dazu das eingangs wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt) führte die belangte Behörde nur aus, dass insoweit keine Verfolgung aus den in der FlKonv genannten Gründen zu erkennen sei; eine Verfolgung, die wie gegenständlich ausschließlich aus dem Geschlecht und dem Alter resultiere, falle nicht unter die Konvention; die Weigerung, Militärdienst zu leisten, könnte nur dann als asylbegründendes Faktum angesehen werden, wenn die erfolgte Zwangsrekrutierung aus zB. ethnischen oder religiösen Gründen erfolgt wäre; Derartiges habe der Beschwerdeführer nicht angegeben; auch die Festnahme durch Mitglieder der "SPLM" und die nach drei Tagen erfolgte Flucht sei angesichts des Umstandes, dass dieses Ereignis im Zeitpunkt der Ausreise bereits ein Jahr zurückgelegen sei, nicht geeignet, eine aktuelle Verfolgungsgefahr zu bescheinigen; der Umstand, dass in der Heimatregion des Beschwerdeführers (Südsudan) infolge eines Bürgerkrieges allenfalls eine funktionierende Staatsgewalt nicht mehr existent sei, weshalb er Rekrutierungsmaßnahmen von Seiten der Rebellenarmee ausgesetzt wäre, besage noch nicht, dass ihm wohlbegründete Furcht im Sinn der FlKonv zuzubilligen sei.
Eine besondere Beurteilung einer drohenden Zwangsrekrutierung unter dem Gesichtspunkt des § 8 AsylG iVm § 57 FrG ist dem bekämpften Bescheid dagegen nicht zu entnehmen. Insoweit haftet ihm ein Begründungsmangel an, weil nicht gesagt werden kann, dass eine Zwangsrekrutierung durch Rebellentruppen keinesfalls § 57 Abs. 1 FrG unterfallen könne. Eine derartige Maßnahme findet nämlich nicht in dem grundsätzlichen Recht eines souveränen Staates, seine Angehörigen zur Militärdienstleistung zu verpflichten und einzuziehen, Deckung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0399). Vielmehr stellt sie sich als spezifische Form der durch Art. 4 Abs. 2 EMRK ("Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten") verpönten "Zwangsarbeit" dar, die - anders als staatlicher Wehrdienst - nicht von der Ausnahmebestimmung des Abs. 3 lit. b der genannten Konventionsbestimmung ("Als 'Zwangs- oder Pflichtarbeit' im Sinne dieses Artikels gilt nicht: jede Dienstleistung militärischen Charakters ...") erfasst wird (vgl. auch die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 2. Februar 1970, Beschwerde Nr. 4314/69, Collection of Decisions of the European Commission of Human Rights 32, 96). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in einem den Sudan betreffenden Fall ausgesprochen, dass eine Zwangsrekrutierung durch die die regionale Ordnungsmacht repräsentierende Gruppe als solche keine unmenschliche Behandlung iS des § 57 Abs. 1 FrG darstelle (Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311), doch wurden gegenständlich - anders als in dem dem genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Bescheid - keine Feststellungen über die faktischen Machtverhältnisse getroffen, die eine derartige Beurteilung erlauben würden.
Nach dem Gesagten war der vorliegende Bescheid im Umfang der Anfechtung (Feststellung nach § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil das Gesetz neben dem Ersatz von Schriftsatzaufwand keinen gesonderten Ersatz von Barauslagen vorsieht.
Wien, am 21. August 2001
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