VwGH 2000/05/0044

VwGH2000/05/00444.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Fritz Lintner und der Rosemarie Lintner, beide in Gablitz, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf, Kaiser-Josef-Straße 1/1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Jänner 2000, Zl. RU1-B-9613/00, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §100 Abs3;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3 lita;
BauO NÖ 1976 §12 Abs1;
BauO NÖ 1976 §12 Abs2;
BauO NÖ 1976 §2 Z7;
BauRallg;
BauO NÖ 1976 §100 Abs3;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3 lita;
BauO NÖ 1976 §12 Abs1;
BauO NÖ 1976 §12 Abs2;
BauO NÖ 1976 §2 Z7;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Grundstücke Nr. 501/2, KG Purkersdorf, und 539/3, KG Gablitz. Sie haben konsenslos eine sich über diese beiden Grundstücke erstreckende Lagerhalle errichtet.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 8. Juni 1995 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, "ein entsprechendes Ansuchen auf Baubewilligung gemäß § 92 f NÖ Bauordnung bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung binnen 3 Wochen einzubringen, andernfalls gegen Sie ein Strafverfahren gemäß § 115 NÖ Bauordnung eingeleitet wird".

Mit "Ansuchen" vom 29. Juni 1995 beantragten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die angeschlossenen Antragsbeilagen "als Bauwerber die nachträgliche baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Lagergebäudes". Weiters teilten sie mit, dass sie bei der Markgemeinde Gablitz und bei der Stadtgemeinde Purkersdorf um die Zusammenlegung der beiden Grundstücke und die Verlegung der Katastralgemeindegrenze angesucht hätten.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 31. Juli 1996 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführer abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der "Abbruch jener Lagerhalle (etwa 80 m Länge und 7 m Breite), welche sich auf das Gebiet der Gemeinde Purkersdorf, Parz. Nr. 501/2, EZ 2364, und Gablitz, Parz. Nr. 539/3, EZ 2059, erstreckt, angeordnet". § 21 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 sehe vor, dass, abgesehen von Vorbauten, ein Gebäude die Grenzen eines Bauplatzes nicht überragen dürfe. Eine Vereinigung der Grundstücke auf einen Bauplatz habe im Beschwerdefall nicht erzielt werden können.

In der dagegen erhobenen Berufung ersuchten die Beschwerdeführer um die "Unterbrechung des Bauverfahrens bis die Angelegenheit" (Verlegung der Gemeindegrenzen) erledigt ist.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1996 teilten die Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit, dass die Gemeinden Gablitz und Purkersdorf der erforderlichen Grundstückszusammenlegung zustimmen und in absehbarer Zeit einen schriftlichen Beschluss zusenden würden. Die Unterbrechung des "Bauverfahrens" wurde neuerlich beantragt.

Mit Schreiben vom 14. Juli 1999 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführer um Stellungnahme bis 10. August 1999 zum Stand des Verfahrens über die Verlegung der Gemeindegrenzen. Hiezu teilten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 2. August 1999 mit, dass dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen sei; die Gemeinde Gablitz hätte der Änderung der Gemeindegrenzen bereits zugestimmt. Um "Terminverlängerung" bis 31. Dezember 1999 wurde ersucht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen, die Frist für den Abbruch der Lagerhalle jedoch mit 30. Juni 2000 festgesetzt. Im Hinblick auf den langen Zeitraum zwischen der Einbringung der Berufung und der Erledigung derselben sei eine weitere Verzögerung der Berufungsentscheidung nicht mehr vertretbar gewesen, zumal die Stadtgemeinde Purkersdorf offensichtlich nicht bereit sei, einer Änderung der Gemeindegrenze zuzustimmen. Im Hinblick auf die Bauart des Gebäudes sei die gewährte Frist für den Abbruch des Gebäudes ausreichend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer vortragen, die belangte Behörde hätte es unterlassen, vor Bescheiderlassung zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Baubewilligung bereits vorliegen. Das Berufungsverfahren sei mangelhaft, weil die belangte Behörde über den Unterbrechungsantrag der Beschwerdeführer nicht entschieden hätte. Gemäß § 38 AVG sei ein Ermittlungsverfahren zu unterbrechen, wenn präjudizielle Vorfragen auftauchen. Die bescheidmäßige Erledigung der beantragten Grundstückszusammenlegung sei eine präjudizielle Vorfrage für die Beurteilung der Baubewilligungsfähigkeit der hier zu beurteilenden Lagerhalle. Die belangte Behörde habe auch gegen § 42 AVG verstoßen, weil sie kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Mit ihrer Entscheidung habe die belangte Behörde die Beschwerdeführer unzulässigerweise überrascht. Bei Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und Gewährung des Parteiengehörs hätten die Beschwerdeführer darauf hinweisen können, dass eine positive Entscheidung auch der Stadtgemeinde Purkersdorf unmittelbar bevorstehe. Der angefochtene Bescheid sei nur mangelhaft begründet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Niederösterreichischen Bauordnung 1996 sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Im Beschwerdefall ist daher die Niederösterreichische Bauordnung 1976 (BO) in der am 31. Dezember 1996 geltenden Fassung anzuwenden.

Gemäß § 100 Abs. 2 BO ist die Baubewilligung u. a. zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt werden.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle gilt der Antrag auf die Erteilung der Baubewilligung, wenn u. a. die Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5) auf einem Grundstück im Bauland geplant ist, welches noch nicht zum Bauplatz erklärt worden ist und das auch nicht nach § 2 Z. 7 lit. b oder c als solcher gilt, auch als Antrag auf die Erklärung des vom Bauvorhaben betroffenen Grundstückes zum Bauplatz und ist dieses Grundstück im Baubewilligungsbescheid zum Bauplatz zu erklären. Der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung ist abzuweisen, wenn das vom Bauvorhaben betroffene Grundstück nicht zum Bauplatz erklärt werden darf.

Gemäß § 2 Z. 7 leg. cit. ist ein Bauplatz ein Grundstück im Bauland, das die unter den in lit. a) bis lit. c) dieser Gesetzesstelle näher genannten Voraussetzungen erfüllt.

Gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit. wiederum ist ein Grundstück im Bauland auf Antrag des Eigentümers unter den in den Z. 1 bis Z. 3 dieser Gesetzesstelle aufgezählten Tatbestandsvoraussetzungen zum Bauplatz zu erklären.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen gilt dessen Abs. 1 auch dann, wenn ein Grundstück zum Teil im Bauland, zum anderen im Grünland liegt. In diesem Fall darf nur der Teil im Bauland zum Bauplatz erklärt werden.

Aus der wiedergegebenen Rechtslage folgt somit, dass - im Unterschied zu Regelungen von Bauordnungen anderer Bundesländer (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1958, Slg. Nr. 4740, betreffend die Wiener Bauordnung , vom 24. November 1992, Zl. 92/05/0136, zur Burgenländischen Bauordnung, vom 26. März 1996, Zl. 93/05/0256, zur Oberösterreichischen Bauordnung 1976) - sich ein Bauplatz nur auf ein Grundstück beziehen kann und nicht über mehrere Grundstücke erstrecken darf. Die einzige Ausnahme von dem Grundsatz, dass Grundstücks- und Bauplatzgrenzen übereinstimmen müssen, enthält der im Beschwerdefall nicht zur Anwendung gelangende § 12 Abs. 2 BO (siehe hiezu auch die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, Seite 115, abgedruckten Erläuterungen zu § 12 BO).

Da das vom (nachträglichen) Baubewilligungsantrag der Beschwerdeführer betroffene Gebäude (Lagerhalle) über die Grenzen zweier in verschiedenen Gemeinden liegenden Grundstücke errichtet worden ist, steht der Erteilung der beantragten Baubewilligung § 100 Abs. 3 letzter Satz BO im Zusammenhang mit den §§ 2 Z. 7 und 12 Abs. 1 leg. cit. entgegen.

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. a BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist.

Der von der belangten Behörde als Organ der überörtlichen Baupolizei im Instanzenzug erlassene Bauauftrag erfolgte daher ohne Rechtsirrtum, weil nach der dargestellten Rechtslage die für die vom Auftrag betroffene Lagerhalle fehlende Baubewilligung nicht erteilt werden darf. Die belangte Behörde hatte im Beschwerdefall das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315) und ihrer Entscheidung den im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bestehenden Sachverhalt zugrunde zu legen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0060, uva). Ob in weiterer Folge eine Grundstücksteilung und -vereinigung erfolgt, die eine Bauplatzerklärung derart ermöglicht, dass das vom beschwerdegegenständlichen Bauauftrag erfasste Gebäude bewilligungsfähig wird, stellt keine im Beschwerdefall zu lösende Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar, weil es hiebei um eine künftige Rechtsgestaltung geht (siehe hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 509, E 29 zu § 38 AVG, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass einer Partei kein Rechtsanspruch auf Aussetzung des Verwaltungsverfahrens zukommt (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0260, uva).

Da auch die behaupteten, nicht näher begründeten Verfahrensmängel nicht vorliegen, erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als ungegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, konnte im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerdesache Abstand genommen werden. Wien, am 4. Juli 2000

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