VwGH 99/12/0047

VwGH99/12/004728.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des L in V, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, u.a. Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. August 1998, Zl. Präs. I-0029718/4, betreffend (hier) die Bemessung des Ruhebezuges, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1325;
B-VG Art130 Abs2;
LBG Tir 1998 §2 litd Z1;
PG 1965 §4 Abs3 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z1 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z2 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG/Tir 1998 §4 Abs3;
PG/Tir 1998 §4 Abs4 Z1;
PG/Tir 1998 §4 Abs4 Z2;
ABGB §1325;
B-VG Art130 Abs2;
LBG Tir 1998 §2 litd Z1;
PG 1965 §4 Abs3 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z1 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z2 impl;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG/Tir 1998 §4 Abs3;
PG/Tir 1998 §4 Abs4 Z1;
PG/Tir 1998 §4 Abs4 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit damit der Ruhegenuss und die Nebengebührenzulage bemessen wurden sowie das Begehren des Beschwerdeführers, von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage abzusehen, abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1949 geborene Beschwerdeführer steht - auf Grund des nicht in Beschwerde gezogenen Teiles des angefochtenen Bescheides - seit 1. Oktober 1998 als Amtsdirektor i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol. Seine letzte Dienststelle war das Amt der Tiroler Landesregierung.

Mit Erledigung vom 2. Oktober 1997 ordnete die Dienstbehörde die ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers an, weil er seit 2. Juni 1997 infolge Krankheit an der Dienstleistung verhindert sei. Es wurde um einen Bericht gebeten, ob bzw. ab wann mit dem Wiedererlangen der vollen Dienstfähigkeit gerechnet werden könne oder ob allenfalls die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung gegeben seien.

In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 19. November 1997 heißt es, beim Beschwerdeführer seien am 1. Juni 1997 plötzlich Schmerzen im linken Arm aufgetreten, am nächsten Morgen eine dunkelblaue Verfärbung des linken Zeigefingers und der Zeigefingerkuppe. Der Beschwerdeführer sei stationär im Krankenhaus aufgenommen worden, es seien zahlreiche Verschlüsse der arteria radialis sowie mehrerer Fingerarterien diagnostiziert worden. Am darauf folgenden Tag sei eine entsprechende Operation durchgeführt worden. Durch die Durchblutungsstörungen und infolge Sauerstoffmangels sei es zu schweren Schädigungen von Muskeln und Nerven der linken Hand und des linken Unterarmes gekommen. Nach Darstellung der Behandlung heißt es weiter, die intensive stationäre und ambulante fachärztliche Therapie mittels Gymnastik, Krafttraining, Massagen, Elektrostimulationen, etc. hätten zu einer vermehrten Beweglichkeit insbesondere des dritten bis fünften Fingers geführt, weniger Erfolge hätten im Bereich des Handgelenkes und des linken Zeigefingers verzeichnet werden können. Zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung sei die Beweglichkeit vor allem im Handgelenk, im Finger und im Daumen eingeschränkt gewesen. Die Rehabilitation sei noch nicht abgeschlossen. Die genannten Schädigungen seien zum Teil irreversibel, sodass auch eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit angenommen werden könne. Eine abschließende Aussage könne noch nicht getroffen werden. Zu bemerken sei, dass die Leidensgeschichte des Beschwerdeführers auch psychisch sehr stark belastet und auch aus dieser Sicht zurzeit keine Dienstfähigkeit gegeben sei. Die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung seien zurzeit nicht gegeben.

In einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme vom 14. April 1998 heißt es unter anderem weiter, die Beschwerden im Bereich der linken Hand hätten sich durch intensive Therapie gebessert, eine objektive Verbesserung der Innervation sei ebenfalls nachgewiesen. Seit einem näher bezeichneten stationären Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum bestünden jedoch zunehmende Schmerzen im Bereich der linken Schulter, durch Teilverrenkung oder Verkalkungen bedingt. Diesbezüglich sei eine orthopädische Abklärung vorgesehen. Weiters berichte der Beschwerdeführer von einer zunehmenden Reduktion des Allgemeinzustandes mit Atemnot bei geringer Belastung. Radiologisch sei ein leichtes Emphysem, fachärztlicherseits eine geringgradige restriktive Ventilationsstörung festgestellt worden. Es werde derzeit vermutet, dass die Atembeschwerden aus einem Schlafapnoesyndrom resultierten, bei welchem es im Schlaf zu kurzzeitigen Atemstillständen und somit verminderter Sauerstoffversorgung komme. Weiters sei radiologisch auch ein kleiner Rundherd in der rechten Lunge gesehen worden, welcher im Hinblick auf eine mögliche Bösartigkeit einer Kontrolluntersuchung bedürfe.

Als Zusammenfassung heißt es, im Vergleich zur Voruntersuchung hätten sich beim Beschwerdeführer weitere Beschwerdensymptome eingestellt, insgesamt habe sich sein Allgemeinzustand seit der Voruntersuchung verschlechtert. Auf Grund der Komplexität des Krankheitsbildes und der neu aufgetretenen Beschwerden sei derzeit eine Aussage, wann mit dem Wiedererlangen der Dienstfähigkeit gerechnet werden könne, nicht möglich, eine volle Dienstfähigkeit sei jedoch nicht mehr zu erwarten. Ob die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung gegeben seien, sei erst nach vollständiger Abklärung aller Symptome und Verlaufsbeobachtungen nach adäquater Therapie zu beurteilen. Eine Wiedervorstellung in drei Monaten werde vorgeschlagen.

Hierauf teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom 25. Mai 1998 ihre Absicht mit, ihn mit Ablauf des 30. Juni 1998 von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme (unter anderem auch zu den beiden ärztlichen Stellungnahmen vom 11. November 1997 und 14. April 1998).

Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer am 3. Juni 1998 in einer persönlichen Vorsprache dahin äußerte, dass er mit einer Ruhestandsversetzung einverstanden sei, hinsichtlich der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage kündigte er eine schriftliche Stellungnahme an. Diese erfolgte mit Schreiben vom selben Tag, in welchem der Beschwerdeführer ersuchte, "von der Durchführung des 2 %igen Abzuges pro Jahr bei der Pensionsbemessung Abstand zu nehmen". Er sei nämlich auf Grund seines vielschichtigen Krankheitsverlaufes als dauernd erwerbsunfähig anzusehen (Hinweis auf die eingeholten ärztlichen Stellungnahmen). Begonnen habe seine schwere Erkrankung mit einer multiplen arteriellen Embolie, die vom Krankheitstyp einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall vergleichbar sei. Die infolge der Embolie erfolgte Eingabe eines Kontrastmittels habe eine Allergie gegen dieses Kontrastmittel ergeben. Die Folge dieser Allergie seien massive Blutergüsse gewesen, die man habe operativ ableiten müssen. Hieraus habe sich in den nächsten Tagen ein Compartmentsyndrom mit eingequetschten Nerven und Verkrümmung der Finger der linken Hand und des linken Ellbogens ergeben. Diesbezüglich stünde er noch in Behandlung. Besonders müsse darauf hingewiesen werden, dass seit dem Erkennen der Embolie blutgerinnungshemmende Mittel auf Dauer eingenommen werden müssten und daher Verletzungen (insbesondere innere Blutungen) lebensbedrohlich werden könnten.

Seit November 1997 werde auch die "hinzugekommene Frozenschulter" massiv therapeutisch behandelt. Dennoch sei immer noch keine Aussenrotation des Schultergelenkes und des Armes möglich. Sowohl die Folgen des Compartmentsyndroms als auch der Embolie und der Frozenschulter seien ausgesprochen schmerzhaft und müssten zusätzlich mit schweren Schmerzmitteln behandelt werden. Auf Grund der vorliegenden Schlafstörungen lägen daher nicht nur physische, sondern auch natürlich psychische Beeinträchtigungen vor. Der Gesamtzustand sei weiters durch Atemstörungen auf Grund der gegebenen Lungenerkrankung erschwert worden, die ebenfalls regelmäßig die Einnahme entsprechender Medikamente (auch "Beatmungssprays") erforderlich mache.

Es sei daher auf Grund der zahlreichen Beeinträchtigungen von einer dauernden Erwerbsunfähigkeit auszugehen.

Die belangte Behörde brachte dem amtsärztlichen Sachverständigen diese Stellungnahme mit der Frage zur Kenntnis, ob es sich beim Krankheitsbild des Beschwerdeführers um eine außerordentlich schwere Erkrankung im Sinne der Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes (in der Folge kurz: LBG) handle (Anmerkung:

wonach - dieser Aspekt ist hier erheblich - von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage weiters abgesehen werden kann, wenn die Dienstunfähigkeit "durch eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen verursacht" worden sei).

In einer Stellungnahme vom 29. Juli 1998 führte der amtsärztliche Sachverständige aus, dass das in den amtsärztlichen Stellungnahmen geschilderte Krankheitsbild sehr wohl dem im Schreiben des Beschwerdeführers vom 3. Juni 1998 Dargelegten entspreche, wobei sich naturgemäß die gewählte Formulierung unterscheide. Nach einer neuerlichen Unterredung mit dem Beschwerdeführer am 2. Juli 1998 sei abschließend festzuhalten:

"( Im Bereich der linken Hand ist durch die intensive physiotherapeutische Behandlung eine leichte Verbesserung der Beweglichkeit zu verzeichnen, es bestehen jedoch persistierende Schmerzen im Bereich des Daumens und Zeigefingers. Die linke Schulter ist in ihrer Beweglichkeit deutlich eingeschränkt, insgesamt besteht eine hochgradige Funktionseinschränkung bzw. beinahe völliger Funktionsverlust der linken oberen Extremität. Eine relevante Verbesserung diesbezüglich ist nicht zu erwarten.

( Es bestehen weiterhin deutliche Atembeschwerden mit massiv eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit, wobei dieser ausgeprägte Befund durch ein radiologisch bestätigtes mäßiggradiges Emphysem nicht zufrieden stellend erklärbar ist. Möglicherweise ist ursächlich eine bereits im Vorgutachten vermutete Schlafapnoe anzuschuldigen.

( Beim von Herrn (Beschwerdeführer) geschilderten Beatmungsspray handelt es sich um Berodual-Spray, zusammen mit dem ebenfalls eingenommen Unifyl die Basisbehandlung für symptomatische Emphysematiker.

( Zusätzlich bestehen Schmerzen und dadurch bedingte Schlafstörungen, das bei Bedarf eingenommene Schmerzmittel Codidol verschlechtert zusätzlich die Atemtätigkeit.

( An psychovegetativen Störungen werden Herzrasen, Schweißausbrüche und Konzentrationsstörungen genannt.

( Ein radiologisch gefundener Rundherd in der Lunge wird weiter kontrolliert, derzeit bestehen jedoch keine Hinweise für eine bösartige Neubildung.

( Beim von Herrn (Beschwerdeführer) erwähnten blutgerinnungshemmenden Mittel handelt es sich um Thrombo ASS (Acetylsalicylsäure), ernste Blutungskomplikationen im Falle von Verletzungen kommen bei dieser Behandlung nicht vor.

Insgesamt ist das Beschwerdebild des Untersuchten sehr komplex und vielschichtig, eine Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit ist nicht mehr zu erwarten, womit die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung aus gesundheitlichen Gründen gegeben sind. Die Frage, ob es sich dabei um eine außerordentlich schwere Erkrankung handelt, ist nicht so ohne weiteres zu beantworten, da dieser Begriff der 'außerordentlich schweren Erkrankung' in der Medizin nicht bekannt ist. Als solche Erkrankung wäre beispielhaft jedenfalls eine nicht mehr therapierbare Krebserkrankung zu verstehen. Da es jedoch kaum die Intention des Gesetzgebers gewesen sein kann, die Höhe einer Pensionszahlung von einer bestimmten medizinischen Diagnose abhängig zu machen, kann der Begriff der außerordentlich schweren Erkrankung wohl am ehesten über die Fähigkeit definiert werden, überhaupt noch einer geregelten Erwerbstätigkeit nachkommen zu können. Nach dem Herr (Beschwerdeführer) jedoch für seine bisherige Tätigkeit als dienstunfähig aus gesundheitlichen Gründen betrachtet werden muss und gerade diese Tätigkeit seiner vorhandenen Leistungsfähigkeit noch am ehesten entsprechen würde, ist eine volle Erwerbsunfähigkeit gegeben. Unter diesem Aspekt ist die vorliegende Erkrankung als 'außerordentlich schwere Erkrankung' im Sinne der Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes zu bezeichnen."

Die belangte Behörde brachte dieses Gutachten des Beschwerdeführers zur Kenntnis (eine Ablichtung wurde ihm ausgefolgt; eine Äußerung des Beschwerdeführers erfolgte nicht).

Hierauf hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid

I. den Beschwerdeführer gemäß § 14 BDG 1979 in Verbindung mit § 2 des Landesbeamtengesetzes 1998 mit Ablauf des 30. September 1998 in den Ruhestand versetzt,

II. ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer ab 1. Oktober 1998 ein Ruhegenuss in einer bestimmten Höhe gebühre, sein Ansuchen vom 3. Juni 1998, von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 2 lit. d Z. 1 LBG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 PG 1965 abzusehen, abgewiesen, weiters die dem Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Nebengebührenzulagengesetzes zustehende Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss in einer näher bezifferten Höhe festgesetzt, und schließlich ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 9 PG 1965 zu seiner ruhegenussfähigen Landesdienstzeit ein Zeitraum von 3 Jahren 8 Monaten und 8 Tagen (wegen Erwerbsunfähigkeit i.S. dieser Gesetzesstelle) zugerechnet wird.

Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens vom 14. April 1998 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer gemäß § 14 BDG 1979 dienstunfähig sei. Er werde demzufolge in den Ruhestand versetzt. Nach § 4 Abs. 3 PG 1965 in Verbindung mit § 2 LBG ergebe sich eine Ruhegenussbemessungsgrundlage von 62 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges (die Berechnung wird näher dargelegt). In seiner Stellungnahme vom 3. Juni 1998 habe der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Gutachten vom 14. April 1998 und unter Schilderung seiner Beschwerden gebeten, von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage abzusehen, weil seine Dienstunfähigkeit durch eine außerordentlich schwere Erkrankung verursacht worden sei. Es sei hiezu das ergänzende Gutachten vom 29. Juli 1998 eingeholt worden, zu welchem er keine weitere Stellungnahme abgegeben habe.

In rechtlicher Hinsicht sei auszuführen, dass gemäß § 2 lit. d Z. 1 LBG das PG 1965 mit der Maßgabe gelte, dass von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 3 PG 1965 weiters abgesehen werden könne, wenn die Dienstunfähigkeit durch eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen verursacht worden sei. Mit dieser Regelung sei - neben der Übernahme des PG 1965 in der Fassung LGBl. Nr. 201/1996 - eine "Härteklausel" geschaffen worden. Das PG 1965 in der für Landesbeamte geltenden Fassung sehe Ausnahmen von der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nämlich nur für den Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten sowie bei Dienstunfähigkeit auf Grund eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit vor. Durch die zitierte (zu ergänzen: weitere) Regelung der LBG solle der Landesregierung darüber hinaus in Fällen einer Dienstunfähigkeit auf Grund einer außerordentlich schweren Erkrankung oder eines außerordentlich schweren Gebrechens (Anmerkung: die Worte außerordentlich sind hervorgehoben) die Möglichkeit eingeräumt werden, von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage abzusehen. Bereits eine Wortinterpretation dieser Bestimmung ergebe, dass nicht in jedem Fall einer schweren Erkrankung bzw. eines schweren Gebrechens, welche bzw. welches für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit nach § 14 BDG 1979 ausreiche, von der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage abgesehen werden könne. Andernfalls wäre die Regelung des PG 1965 über die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nämlich inhaltsleer. Vielmehr sollte durch die Formulierung "außerordentlich" zum Ausdruck gebracht werden, dass die Ausnahmeregelung nur in Einzelfällen in Betracht komme, die selbst unter den zur Dienstunfähigkeit führenden schweren Erkrankungen und Gebrechen wegen der damit verbundenen, massiven Minderung an Lebensqualität herausragten, wie dies z.B. bei multipler Sklerose oder unheilbaren Krebserkrankungen der Fall sei. Diese Voraussetzungen lägen auf Grund des Krankheitsbildes, wie es sich aus dem Gutachten vom 14. April 1998 ergebe, nicht vor. Das ergänzende Gutachten vom 29. Juli 1998 habe aus medizinischer Sicht keine Änderung des Krankheitsbildes ergeben. Die Schlüsse, die der Sachverständige in rechtlicher Hinsicht gezogen habe, seien nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechtsfragen, die von der zuständigen Behörde zu entscheiden seien. Nach Auffassung der Dienstbehörde falle das beim Beschwerdeführer gegebene Krankheitsbild, wie gesagt, nicht unter die "außerordentlich schweren" Erkrankungen, die neben der Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit das Absehen von der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage rechtfertigten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher unter anderem geltend machte, dass es den Begriffen "außerordentlich schwere Erkrankung" und "außerordentlich schweres Gebrechen" an der erforderlichen Bestimmtheit mangle.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 1876/98-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das (Tiroler) Landesbeamtengesetz 1998, LGBl. Nr. 65 (Wiederverlautbarung), anzuwenden (kurz: LBG).

§ 2 LBG lautet auszugsweise:

"§ 2

Anwendung bundesgesetzlicher Vorschriften

Auf das Dienstverhältnis der Landesbeamten finden folgende

bundesgesetzliche Vorschriften sinngemäss Anwendung, soweit

in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist:

............

d) 1. das Pensionsgesetz 1965 BGBl. Nr. 340, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 61/1997, mit Ausnahme der Änderungen nach Art. VII des Gesetzes BGBl. Nr. 550/1994, nach Art. VIII Z. 2 des Gesetzes BGBl. Nr. 43/1995, nach Art. VI Z. 1 und 5 bis 7 des Gesetzes BGBl. Nr. 522/1995, nach Art. 4 Z. 6 und 7 des Gesetzes BGBl. Nr. 201/1996 und nach Art. III Z.10 des Gesetzes BGBl. I Nr. 61/1997, sowie mit der Massgabe, dass von einer Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 weiters abgesehen werden kann, wenn die Dienstunfähigkeit durch eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen verursacht wurde,

2. der Art. XX des Gesetzes BGBl. Nr. 684/1978."

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft, weil nicht zu entnehmen sei, von welchem Krankheitsbild die belangte Behörde ausgegangen sei.

Inhaltlich wird weiters insbesondere ausgeführt, dass die im Gesetz verlangte "außerordentliche Schwere" der Erkrankung oder des Gebrechens nur dann anzunehmen sein werde, wenn innerhalb der Spannbreite der überhaupt vorkommenden Gesundheitsstörungen ein sehr hohes Intensitätsausmaß gegeben sei. Eine nähere Abgrenzung des Maßstabes sei zweifellos aus dem Regelungsgegenstand zu gewinnen, der im Anspruch auf "Frühpension" wegen krankheitsbedingter dauernder Dienstunfähigkeit gegeben sei. Es werde als erforderlich anzusehen sein, dass in Relation dazu die Gesundheitsstörung insoweit hervorrage, als das Krankheitsbild weit gravierender sei, als in der Vielzahl der "Frühpensionierungsfälle". Entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides sei jedoch nicht zu verlangen, dass eine Schwere der Erkrankung vorliege, wie sie überhaupt nur in Einzelfällen vorkomme. Das wäre durch andere Begriffe zu definieren, wie etwa "schwerste Formen von Erkrankungen oder Gebrechen" (im Original unter Anführungszeichen), zu welcher Kategorie im Übrigen auch die von der belangten Behörde angeführten Beispiele eines unheilbaren Krebses oder einer multiplen Sklerose (insbesondere im fortgeschrittenem Stadium) gehörten.

Beizupflichten sei der belangten Behörde hingegen darin, dass eine "massive Minderung der Lebensqualität" (im Original unter Anführungszeichen) als erforderlich anzusehen sein werde. In dieser Beziehung, wie auch ganz allgemein hinsichtlich der erforderlichen Schwere der Gesundheitsstörung, sei aber naturgemäß jeweils vom Gesamtzustand auszugehen, sodass sich aus einer Kumulierung mehrerer einzelner Gesundheitsstörungen das erforderliche Gesamtausmaß ergeben könne.

Genau dies treffe im Beschwerdefall zu. Schlimmer als die Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers in ihrer Gesamtheit werde unter Umständen auch der Zustand eines an unheilbarem Krebs oder multipler Sklerose Leidenden nicht sein. Auch der Beschwerdeführer müsse sich sagen, dass sein Leben in Gefahr sei, weil eine nochmalige Embolie letal sein könne. Die Behinderung im täglichen Leben durch die Vielzahl der Beeinträchtigungen sei ebenso außerordentlich gravierend wie die Einschränkung der ihm verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten zur Erreichung eines positiven Lebensgefühles.

Gehe man dementsprechend davon aus, dass die belangte Behörde ungeachtet des bereits aufgezeigten Begründungsmangels im angefochtenen Bescheid in ihren rechtlichen Überlegungen von zutreffenden Vorstellungen über seinen Krankheitsgrad ausgehe, so stehe die inhaltliche Rechtswidrigkeit im Vordergrund. Die belangte Behörde habe nicht richtig erkannt, dass hier eine außerordentlich schwere Erkrankung (ein außerordentlich schweres Gebrechen) im Sinne der Anspruchsnorm gegeben sei.

Der Vollständigkeit halber sei noch zu bemerken, dass die Anspruchsnorm zwar als Ermessensnorm formuliert sei, seines Erachtens aber nicht als solche aufgefasst werden könne (wird näher ausgeführt).

Die Beschwerde ist berechtigt.

Zunächst ist dem Beschwerdeführer beizutreten, dass das Wort "kann" in der hier maßgeblichen Norm ("abgesehen werden kann") als "hat" zu verstehen ist. Der Gebrauch des Wortes "kann" weist zwar im Allgemeinen auf die Einräumung eines Ermessens hin. Es gibt jedoch auch Fälle, in welchen trotz Verwendung dieses Wortes die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist, was vorliegendenfalls zutrifft, weil das Gesetz bereits den ganzen Bereich der Erwägungen nennt, die für die Entscheidung maßgeblich sein können, weshalb nicht angenommen werden kann, dass überdies noch ein Ermessensspielraum bestünde (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, in E 113 zu § 56 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Dies wird überdies durch die Verwendung des Wortes "weiters" unterstrichen, welches dahin zu verstehen ist, dass den beiden Ausnahmetatbeständen (§ 4 Abs. 4 Z. 1 und 2 PG 1965), die der Behörde kein Ermessen einräumen ("eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt"), ein weiterer Tatbestand mit gleicher rechtlicher Qualität angereiht werden sollte.

Kern des vorliegenden Streites ist die Auslegung der Wortfolge "eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen".

Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich zunächst zwingend, dass die Krankheit oder das Gebrechen kausal für die Dienstunfähigkeit gewesen sein muss. Das ist aber noch nicht ausreichend; nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht auch eine schwere Erkrankung oder ein schweres Gebrechen nicht aus, vielmehr muss es sich um eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen handeln. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass nach dem Gesetz ein weit gravierenderes Krankheitsbild (bzw. Gebrechen) erforderlich ist als "in der Vielzahl der Frühpensionierungsfälle", ist daher zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof tritt auch der Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei, dass es sich um solche Krankheiten bzw. Gebrechen handeln muss, die eine "massive Minderung der Lebensqualität" zur Folge haben. Der im Beschwerdefall strittigen Norm kommt daher (trotz der Verschiedenheit der anspruchsauslösenden Umstände) von ihrem Regelungszweck her gewissermaßen eine ähnliche Ausgleichsfunktion zu, wie dem Schmerzengeld im Schadenersatzrecht: Dieses soll Vorteile für die Nachteile gewähren und ein Ausgleich für entzogene Lebensfreude sein; zumindest sollen auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen verschafft werden; es ist eine gewisse Genugtuung für das Ungemach, das der Verletzte im ideellen Bereich erdulden muss, und es soll zumindest teilweise das gestörte Gleichgewicht der Persönlichkeit wieder hergestellt werden (siehe dazu Reischauer in Rummel II2, Rz 43 zu § 1325 ABGB).

Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass viele gesundheitliche Störungen (Krankheiten) mehr oder minder rasch (oder auch allenfalls schubweise) zu einer Verschlechterung des Befindens des Betroffenen führen, ist darauf hinzuweisen, dass diese massive Einschränkung der Lebensqualität nicht schon zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung voll ausgeprägt sein muss. Maßgeblich ist nämlich, wie gesagt, "nur", dass die Dienstunfähigkeit durch eine außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen herbeigeführt wurde. Allein darauf kommt es an, das Gesetz fordert nicht noch überdies, dass die bereits umschriebene massive Minderung der Lebensqualität (über die Dienstunfähigkeit hinaus) schon zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung voll ausgeprägt sein muss, sie muss aber mit ausreichender Sicherheit in absehbarer Zeit bevorstehen. Schon gar nicht muss eine solche "außerordentlich schwere", fortschreitende Erkrankung zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung schon das "Endstadium" erreicht haben. Eine "außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen" im Sinne der hier relevanten Bestimmung kann aber auch bei komplexen vielschichtigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gegeben sein, also bei einem Zusammentreffen mehrerer Erkrankungen und/oder mehrerer Gebrechen. Dann kommt es darauf an, dass dieser als insgesamt außerordentlich schwer zu beurteilende "Komplex" kausal für die Dienstunfähigkeit ist. Letztlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (so dass auch im Beschwerdefall eine abschließende Untersuchung aller Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen können, derzeit nicht erfolgen kann).

Die von der belangten Behörde im Verwaltungsverfahren (jedenfalls implizit) vertretene Auffassung, es komme für die hier relevante Frage des Absehens von einer Kürzung der Bemessungsgrundlage nicht (jedenfalls nicht primär) darauf an, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit gegeben ist (in diese Richtung hatten der Beschwerdeführer, aber auch der Sachverständige argumentiert), ist zutreffend. Eine "außerordentlich schwere Erkrankung" oder ein "außerordentlich schweres Gebrechen" werden wohl regelmäßig die dauernde Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben (allenfalls auch erst nach dem Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung). Umgekehrt bedeutet das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit (und sei es auch zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung oder auch früher) noch nicht zwingend, dass schon deshalb eine "außerordentlich schwere Erkrankung" oder ein "außerordentlich schweres Gebrechen" vorläge. Damit unterscheidet sich die hier maßgebliche Rechtslage wesentlich von der ab 1. Jänner 1998 auf Grund der Novelle BGBl. I Nr. 138/1997 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965) geltenden Rechtslage.

Ebenso wie die vom Gesetz als außerordentlich schwer umschriebenen Voraussetzungen, die zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität führen, vielschichtig sein können, kann auch diese massive Einschränkung der Lebensqualität auf die unterschiedlichsten Momente zurückzuführen sein: So auf Schmerzen oder auch auf körperliche Einschränkungen, bei tödlich verlaufenden Krankheiten etwa (auch) auf die psychische Belastung, die damit verbunden ist, also auf Komponenten, die insgesamt eben diese massive Einschränkung ergeben, wobei diese, wie gesagt, zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung noch nicht voll ausgeprägt sein (aber mit ausreichender Sicherheit in absehbarer Zeit bevorstehen) muss.

Um daher beurteilen zu können, ob eine "außerordentlich schwere Erkrankung oder ein außerordentlich schweres Gebrechen" vorliegt, bedarf es nicht nur der Feststellung des aktuellen Zustandes, sondern auch der damit verbundenen typischerweise zu erwartenden Folgen und ihrer Auswirkungen.

Eine solche Beurteilung kann aber im Beschwerdefall noch nicht vorgenommen werden. Ganz abgesehen davon, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen hinsichtlich der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers getroffen hat (dies also offensichtlich als entbehrlich ansah), reichen auch die eingeholten Gutachten (legte man diese der Beurteilung zu Grunde) zu einer abschließenden Beurteilung noch nicht aus. Es wird darin zwar der Zustand des Beschwerdeführers beschrieben, es ist auch von Schmerzen die Rede, diese werden aber in ihrer Intensität und Dauer nicht näher umschrieben. Insbesondere fehlt eine Beschreibung der voraussichtlichen Entwicklung dieses Zustandsbildes. Eine Divergenz zwischen der Aussage des Sachverständigen und der Auffassung des Beschwerdeführers besteht jedenfalls hinsichtlich der Frage allfälliger "Blutungskomplikationen". Dadurch, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen hinsichtlich des Zustandsbildes des Beschwerdeführers getroffen hat, hat sie sich auch nicht festgelegt, ob sie diesbezüglich der Auffassung des Beschwerdeführers oder des Sachverständigen folgt.

Zusammenfassend kann entgegen der offenbar von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Auffassung ein für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis nicht vorweg ausgeschlossen werden. Dadurch, dass die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage die erforderlichen Ermittlungen (und entsprechende, nachvollziehbar begründete Tatsachenfeststellungen) unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Nicht unbemerkt soll abschließend bleiben, dass der Verwaltungsvollzug durch solche unklare, wenngleich immerhin auslegbare Normen, wie im Beschwerdefall, erheblich erschwert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2000

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