VwGH 99/07/0161

VwGH99/07/016129.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des FS in V, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Theatergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Februar 1999, Zl. 411.259/02-I 4/98, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, 92/07/0184, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten (LH) vom 23. September 1992, mit welchem eine vom Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt (BH) vom 19. Jänner 1976 erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Wie sich der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des nunmehr angefochtenen Bescheides entnehmen lässt, gab der LH mit Ersatzbescheid vom 12. August 1996 der Berufung des Beschwerdeführers Folge, behob den Bescheid der BH vom 19. Jänner 1976 gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Bescheiderlassung an die BH zurück, bei welcher der aufhebende Bescheid des LH vom 12. August 1996 am 23. August 1996 einlangte.

Da die BH in der Folge keinen neuerlichen Bescheid erließ, begehrte der Beschwerdeführer mit einem am 19. März 1997 beim LH eingelangten Devolutionsantrag den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf den LH.

Da auch der LH keinen Bescheid erließ, stellte der Beschwerdeführer mit einem bei der nunmehr belangten Behörde am 24. Juni 1998 eingelangten Schriftsatz den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auf Grund des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers seinen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht auf den LH gemäß § 73 Abs. 2 AVG mit der Begründung ab, dass der belangten als im Devolutionsweg angerufenen Behörde zunächst die Prüfung oblegen sei, ob ein ausschließliches Verschulden der BH an der Verzögerung vorliege, was aber nicht der Fall sei. Die BH sei in der Zeit vom 23. August 1996 bis 18. März 1997 zur Entscheidung über die Angelegenheit zuständig gewesen. Der Akt der BH sei am 29. August 1996 an das Bezirksgericht Klagenfurt gesendet und erst am 13. November 1996 retourniert worden, sodass er über zweieinhalb Monate lang für die BH nicht verfügbar gewesen sei. Es habe die BH im Übrigen auch mitgeteilt, dass eine für das Verfahren maßgebliche wasserwirtschaftliche Studie aus dem Jahr 1985 der BH von der Oberbehörde erst im Februar 1997 übermittelt worden sei, was aus den Verwaltungsakten habe entnommen werden können. Da der BH somit kein ausschließliches Verschulden an der Verzögerung im Sinne der Bestimmungen des § 73 Abs. 2 AVG anzulasten gewesen sei, habe der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den LH abgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer vorträgt, dass der von der belangten Behörde beschriebene Umstand die Säumnis der Verwaltungsbehörde nicht zu rechtfertigen vermöge. Die BH habe das Bezirksgericht nicht um vorübergehende Rücksendung der Akten ersucht, sich auch nicht um die jederzeit mögliche Einsicht in den beim Bezirksgericht verfügbaren Akt bemüht oder Abschriften der für die Entscheidung wesentlichen Aktenteile hergestellt. Dass die Verwaltungsbehörde einen Akt an ein Gericht, noch dazu am selben Ort übermittle, könne für die Erlassung eines Bescheides kein unüberwindliches Hindernis darstellen.

Mit Berichterverfügung vom 29. Oktober 1999, 99/07/0161-2, wurde die Beschwerde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen acht Wochen eine Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung einzubringen und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, wobei die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 3. Jänner 2000 teilte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass die genannte Berichterverfügung durch ein bedauerliches Versehen dem zuständigen Referenten erst am 3. Jänner 2000 zur Bearbeitung vorgelegt worden sei, weshalb Gegenschrift und Verwaltungsakten nicht fristgemäß hätten vorgelegt werden können. Es werde um Erstreckung der Frist zur Erstattung der Gegenschrift um zwei Monate gebeten.

Nachdem der Berichter in einem Ferngespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter der belangten Behörde unter Hinweis auf die Bestimmung des § 36 Abs. 1 VwGG das Unterbleiben einer Entscheidung über den gestellten Fristerstreckungsantrag und die Urgenz der Aktenvorlage und Gegenschrifterstattung angekündigt hatte, wurde die Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens mit Berichterverfügung vom 14. Februar 2000, 99/07/0161-4, urgiert und auf eine Aktenvorlage innerhalb einer Frist von drei Wochen gedrungen. Diese Berichterverfügung wurde der belangten Behörde am 16. März 2000 zugestellt.

Eine Aktenvorlage unterblieb jedoch ebenso wie die Erstattung einer Gegenschrift, weshalb der Verwaltungsgerichtshof in Erledigung der bei ihm anhängigen Beschwerde gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Vom Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf sie ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit zutreffend ausgegangen, als der LH über den an ihn gerichteten Devolutionsantrag innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG keine Entscheidung getroffen hatte und kein Umstand erkennbar ist, der die Säumnis des LH in der Entscheidung über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers entschuldigen könnte. Eine Erforschung des Inhaltes jener Entscheidung, welche zu treffen der LH verabsäumt hatte, erforderte, wie die belangte Behörde zunächst richtig erkannt hat, die Untersuchung der Frage, ob der am 19. März 1997 beim LH eingelangte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers durch Zurückweisung, durch Abweisung oder durch Entscheidung über den offenen Sachantrag des Beschwerdeführers zu erledigen war (vgl. sinngemäß die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, 98/07/0107, 0108 und 0109).

In der Beurteilung dieser Frage hatte die belangte Behörde die Bestimmung des § 73 AVG in ihrer Fassung vor deren Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/1998 anzuwenden.

Nach § 73 Abs. 1 AVG in dieser Fassung sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlagen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach § 73 Abs. 2 AVG in der genannten Fassung auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im angefochtenen Bescheid begründet die belangte Behörde den Inhalt der vom LH über den an ihn gerichteten Devolutionsantrag zu treffenden Entscheidung, den sie in der ihrer Auffassung nach gebotenen Abweisung des Devolutionsantrages nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG erblickt, mit der Überlegung, dass die BH an der Verzögerung deswegen kein ausschließliches Verschulden treffe, weil der Verwaltungsakt infolge Übersendung an das Bezirksgericht zweieinhalb Monate nicht verfügbar gewesen und eine für das Verfahren maßgebliche wasserwirtschaftliche Studie an die BH von der Oberbehörde erst im Februar 1997 übermittelt worden sei. Dass diese Umstände nicht geeignet sind, der Beurteilung eines ausschließlichen Verschuldens der BH an der Verzögerung in der Bescheiderlassung entgegenzustehen, liegt indessen auf der Hand.

Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 298 ff zu § 73 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Von einem Verschulden des Beschwerdeführers spricht auch der angefochtene Bescheid nicht. Ein unüberwindliches Hindernis aber war ebenso nicht zu erkennen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, hätte die BH das Bezirksgericht um vorübergehende Rücksendung der Akten ersuchen, sich um die jederzeit mögliche Einsicht um den beim Bezirksgericht verfügbaren Akt bemühen oder Abschriften der für die Entscheidung wesentlichen Aktenteile herstellen können. Dass die BH irgendwelche Bemühungen dieser Art gesetzt hätte, wird auch vom angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Der bloße Umstand der Übersendung des Verfahrensaktes an das Bezirksgericht war nicht geeignet, ein unüberwindliches Hindernis an der Bescheiderlassung zu begründen. Gleiches gilt für die verspätete Übermittlung der wasserwirtschaftlichen Studie an die BH durch die Oberbehörde schlicht deshalb, weil über- bzw. untergeordnete Behörden sich hinsichtlich der Frage der Säumigkeit das hiefür bedeutsame Verhalten der jeweils anderen Behörde zurechnen lassen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, 92/07/0053).

In der rechtlichen Beurteilung, es liege kein ausschließliches Verschulden der BH an der Verzögerung in der Bescheiderlassung vor, hat die belangte Behörde die Rechtslage somit verkannt und in Wahrnehmung der auf sie unstrittig übergegangenen Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 2 AVG den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers an den LH somit rechtsirrig abgewiesen. Die dem angefochtenen Bescheid deshalb anhaftende Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ließ sich schon der Begründung des angefochtenen Bescheides entnehmen, weshalb es angesichts des zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ohnehin nicht strittigen Verfahrensablaufes des dem Verwaltungsgerichtshof durch die unterbliebene Aktenvorlage ermöglichten Rückgriffs auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG gar nicht mehr bedurfte.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 2000

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