Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität, der am 3. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. Dezember 1994 den Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 6. Dezember 1994 zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass er nie Mitglied einer politischen Partei oder eine bewaffneten Gruppierung gewesen sei. Am 14. November 1994 um 5.30 Uhr hätten zehn "serbische Polizisten" in einer zweistündigen Aktion sein Haus vom Dachboden bis zum Keller nach Waffen durchsucht. Dabei sei sogar teilweise der Fußboden herausgerissen worden. Dem Beschwerdeführer sei gesagt worden, dass er im Verdacht stehe, während seines Aufenthaltes in Kroatien im Jahr 1991 für die "Kroatische Garde" tätig gewesen zu sein, Waffen gekauft und in den Kosovo geschmuggelt zu haben. Die Hausdurchsuchung sei ergebnislos verlaufen. Im Anschluss daran sei der Beschwerdeführer zwei Stunden auf der Polizeistation in Mitrovica festgehalten worden. Dabei sei er immer wieder gefragt worden, ob er bei der "Kroatischen Garde" tätig gewesen sei und wo er seine Waffen versteckt habe. Dabei sei er einige Male geohrfeigt worden. Die Polizisten hätten ihm seinen Personalausweis weggenommen und gesagt, dass er ihn nur dann wiederbekomme, wenn er binnen drei Tagen seine Waffen abliefere. Nach diesem Vorfall habe er sich sofort gemeinsam mit seiner Gattin zu deren Onkel begeben, wo er sich bis zu seiner Flucht nach Österreich aufgehalten habe. Er habe Angst vor der Willkür der serbischen Polizei. Er habe schon gehört, dass Personen während der Haft derartig geschlagen worden seien, dass sie an den Folgen der dabei erlittenen Verletzungen gestorben seien. Er fürchte, bei einer Rückkehr in den Kosovo unschuldig inhaftiert zu werden.
Mit Bescheid vom 2. Jänner 1995 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bereits in erster Instanz gemachten Angaben.
Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1995, mit welchem diese Berufung abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 9. April 1997, Zl. 95/01/0065, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde am 17. März 1998 eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt und dabei den Beschwerdeführer neuerlich einvernommen. Dabei führte dieser u.a. aus, dass nach seiner Flucht einige Male bei Familienangehörigen nach ihm gefragt worden sei. Er habe seinen Militärdienst in Tuzla in Bosnien in den Jahren 1988 und 1989 bei einer Luftabwehr Einheit geleistet. Zu der Waffensuche könnte es gekommen sein, weil die Behörden der Meinung gewesen seien, er könnte aufgrund seiner Vergangenheit Waffen besitzen. Bei der Hausdurchsuchung sei er mit Fäusten geschlagen, weggestoßen und mit Füßen getreten worden. Dies habe er auch bei der ersten Einvernahme so ausgesagt, es sei aber nicht richtig protokolliert worden. Im Übrigen bestätigte der Beschwerdeführer auch bei der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen seine Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren.
Mit dem bei der mündlichen Verhandlung vom 17. März 1998 verkündeten Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung nicht stattgegeben und den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen.
Die einmalige Hausdurchsuchung und die unmittelbar anschließende Einvernahme des Beschwerdeführers stellten keine asylrelevante Verfolgung dar. Angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, nicht politisch tätig gewesen zu sein und tatsächlich nichts mit Waffenbesitz zu tun zu haben, stellten auch wiederholte Nachfragen durch die Polizei keinen Fluchtgrund dar. Schließlich sei auch zu gewichten gewesen, dass die Polizeibehörden wegen der Anhaltspunkte in der Lebensgeschichte des Beschwerdeführers nicht ganz unbegründet den Verdacht hegten, dass dieser illegal Waffen besitze. Die Amtshandlung sei daher nicht völlig willkürlich und unbegründet erfolgt.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, dass in seiner Heimat derzeit "extremste politische Zustände" herrschten. In jüngster Zeit sei es vermehrt zu unmenschlichen Übergriffen serbischer Polizeitruppen gegen ethnische Albaner gekommen. Der Beschwerdeführer sei davon umso mehr betroffen, weil bei ihm bereits eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe und durch die Flucht seine Verdächtigkeit noch erhöht worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht es insbesondere aufgrund von Medienberichten als notorisch an, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hat. Diese Auseinandersetzungen gehen auch mit vermehrten Übergriffen insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung in den hievon betroffenen Gebieten und auf solche Personen, die aus anderen Gründen - etwa weil ihnen ein Naheverhältnis zu den "albanischen Separatisten" vorgeworfen bzw. unterstellt wird - bereits ins Blickfeld der serbischen Behörden geraten sind, einher.
Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als speziell eingerichtete Bundesbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0386).
Der angefochtene Bescheid setzt sich ausführlich mit der Lage der albanischen Bevölkerung im Kosovo in den letzten Jahren auseinander. Die belangte Behörde geht auch insoweit auf die "aggressiven blutigen Auseinandersetzungen" zwischen radikalen Albanern und der serbischen Polizei ein, als sie die Ansicht vertritt, die Suche nach Waffen habe den Zweck gehabt, diese Eskalation rechtzeitig zu verhindern und vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Voraufenthalte in Kroatien und seiner beim Militärdienst erworbenen Waffenkenntnisse geradezu damit rechnen müssen, dass bei ihm nach Waffen gesucht werden. Ausführungen zu der Frage, in wie weit durch die aktuellen Ereignisse, insbesondere die mit den Kampfhandlungen verbundenen Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, zumindest für bestimmte Teile der albanischen Zivilbevölkerung nunmehr eine asylrelevante Verfolgungssituation besteht, sind im angefochtenen Bescheid allerdings nicht enthalten. Dazu hat die belangte Behörde auch kein Ermittlungsverfahren durchgeführt.
Der Beschwerdeführer hat mit seinem oben wiedergegebenen Vorbringen die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt. Es ist zwar notorisch, dass sich die Kampfhandlungen und die damit verbundenen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung nicht auf das gesamte Gebiet des Kosovo, sondern im Wesentlichen auf das Gebiet Zentral-Kosovo (Region Drenica) sowie westlich davon auf die Verwaltungsbezirke an der albanischen Grenze erstrecken. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Verwaltungsbezirk Mitrovica, für den verstärke Aktionen der genannten Art zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht notorisch sind, doch ist er aufgrund seiner militärischen Ausbildung in Kroatien bereits einmal wegen der Verdachtes, illegale Waffen - für die Ausrüstung von paramilitärischen Gruppen - zu besitzen, in das Blickfeld behördlicher Ermittlungen gekommen. Der Beschwerdeführer gehört daher zu den Personen, die aufgrund eines ihnen unterstellten Naheverhältnisses zu den "albanischen Separatisten" von den genannten Aktionen besonders betroffen sind (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. März 1999). Aus diesen Gründen ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei einer amtswegigen Bedachtnahme auf die Vorfälle im Februar und März 1998 zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre.
Im Übrigen liegt auch insoweit ein Verfahrensmangel vor, als aus dem angefochtenen Bescheid in wesentlichen Teilbereichen nicht genau ersichtlich ist, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausging. So enthält die Begründung dieses Bescheides über den Hergang der Waffensuche z.B. folgende Sätze (Hervorhebungen durch den VwGH):
"Somit wurde eine Waffensuche festgestellt, bei der es offensichtlich nicht kleinlich zuging; es mag auch sein, dass auf der Wache, wie dies fallweise bei serbischen Behörden berichtet wird, es zu einer oder zwei Ohrfeigen kam, eine Gesamtmisshandlung während der Waffensuche und Aufenthalt auf der Polizeistation, noch dazu mit einem höheren Aggressions- und Gefährdungspotential konnte jedoch vom Asylwerber nicht glaubwürdig dargestellt und somit auch nicht festgestellt werden. Vorhalte und Widersprüche blieben zum Teil unbereinigt."
Ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer sein Vorbringen, er sei bei seiner polizeilichen Einvernahme nach Abnahme seines Personalausweises aufgefordert worden, innerhalb von drei Tagen Waffen abzugeben, geglaubt hat, ist aus der Bescheidbegründung nicht eindeutig ersichtlich. Die Ausführungen, es sei "in Hinsicht auf die genaue Beschreibung der Übergriffe der Polizei (aus forensischer Erfahrung) doch eher der fluchtnahen Einvernahme des Asylwerbers, als dem - gegenüber diesem Informationsstand wesentlich gesteigerten - Vorbringen in der Berufung" zu folgen gewesen, sind einerseits nicht exakt formuliert ("eher") und lassen andererseits offen, ob auch die Aufforderung, Waffen abzuliefern, unter den Begriff "Übergriffe" zu subsumieren ist.
Da die belangte Behörde ihren Bescheid somit mit einem relevanten Verfahrensmangel belastete, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Juni 1999
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