VwGH 98/01/0386

VwGH98/01/038624.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des S in G, geboren am 20. März 1977, vertreten durch Mag. Sabine Wisiak, Rechtsanwalt in 8480 Mureck, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. März 1998, Zl. 200.164/0-IV/10/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §75;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §75;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, der am 1. September 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 2. Dezember 1997 einen Asylantrag gestellt hat, gab bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 4. Dezember 1997 zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen folgendes an:

Die Situation im Kosovo sei schlecht, die Leute würden von der Polizei einfach geschlagen, nur weil sie Albaner seien. Er persönlich habe einmal vor vier Jahren "Probleme" gehabt. Er sei gerade unterwegs zur Schule gewesen, als er von der Polizei aufgehalten und angebrüllt worden sei. Dabei sei er auch geschlagen worden. Über die Frage, worin der Zusammenhang zur vier Jahre danach erfolgten Flucht bestehe, meinte der Beschwerdeführer, er werde zur Zeit von der Polizei verfolgt, weil er zur Schule gehe. Über konkrete Nachfrage führte er aus, festgenommen worden zu sein. Er habe 1997 die Schule mit der Matura abgeschlossen. Auf die Frage, ob er trotz der vorgebrachten "Verfolgung" maturieren habe können, antwortete er, daß er "halt verfolgt" werde und die Situation "überhaupt schlecht" sei.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer noch einmal aufgefordert, konkret gegen ihn gerichtete Maßnahmen anzuführen. Dazu führte er aus, daß es solche nicht gegeben habe, er sei auch nicht verhaftet worden. Über nochmaligen Vorhalt, ob weitere Asylgründe vorliegen, gab er an daß dies nicht der Fall sei. Er möchte wegen der Situation im Kosovo nicht dorthin zurückkehren.

In seiner gegen die Abweisung dieses Asylantrages durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. Dezember 1997 gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er seine Aussagen "vollinhaltlich" aufrecht halte. Weiters führte er aus, daß die Albaner im Kosovo allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit Gefahr liefen, Opfer von Übergriffen durch serbische Einheiten zu werden. Ziel dieses Vorgehens gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit sei es, das zahlenmäßige Verhältnis der im Kosovo lebenden Bevölkerungsgruppen entscheidend zugunsten der serbisch-montenegrinischen Gruppe zu verschieben. In der ausführlichen Berufung, welche offensichtlich von einer rechtskundigen Person für den Beschwerdeführer abgefaßt worden ist, findet sich u.a. der Satz:

"Mag auch die Ansicht über eine Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner, die ich mit dem Verwaltungsgerichts Ansbach teile, strittig sein, so ist doch klar, daß Personen, die bereits den Behörden auffällig geworden sind, oder wie ich in der Vergangenheit im Sicherheitswesen gearbeitet haben, besonders gefährdet sind, Opfer von Mißhandlungen zu werden."

Auf die darin angesprochene frühere Tätigkeit "im Sicherheitswesen" kommt er sonst an keiner Stelle der Berufung zurück.

Mit Bescheid vom 26. März 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

Die belangte Behörde vertrat dazu erkennbar die Ansicht, daß sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren kein Hinweis auf eine asylrelevante Verfolgung ergebe. Aus dem vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfall, der sich vier Jahre vor der Flucht ereignet hätte, könne mangels zeitlichem Konnex keine aktuelle Verfolgung abgeleitet werden. Weitere konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsmaßnahmen habe er bei der Vernehmung nicht vorgebracht. Die allgemein schlechte Situation von ethnischen Albanern im Kosovo sei nicht asylrelevant. Das Vorbringen betreffend die Tätigkeit "im Sicherheitswesen" sei nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe nach seinen - in der Berufung ausdrücklich aufrecht gehaltenen - Angaben erst im Jahr 1997 die Schule mit der Matura abgeschlossen. Bereits im August 1997 sei er geflohen. Es sei nicht glaubwürdig, daß er in der kurzen dazwischen liegenden Zeit für das Sicherheitswesen gearbeitet habe, zumal er davon bei seiner ersten Vernehmung nichts gesagt habe. Es handle sich dabei somit um ein gesteigertes Berufungsvorbringen, welches nicht glaubwürdig sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, ihn anzuleiten, genauere Angaben über seinen Schulbesuch und über seine Tätigkeit "im Sicherheitswesen" zu machen, um allfällige Unklarheiten zu beseitigen, tut er die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dar, bringt er doch auch in der Beschwerde nur vor, "im Sicherheitswesen" tätig gewesen zu sein, ohne dies in irgendeiner Weise zu konkretisieren.

Die - nicht konkret bekämpfte - Beweiswürdigung der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer nur in einem Nebensatz der Berufung erwähnte Tätigkeit "im Sicherheitswesen" als gesteigertes Berufungsvorbringen nicht glaubwürdig sei, begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Zum Beschwerdevorbringen, alle Albaner im Kosovo seien verfolgt, ist auszuführen, daß es der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aufgrund von Medienberichten als notorisch ansieht, daß mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hat. Diese Auseinandersetzungen gehen auch mit vermehrten Übergriffen insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung einher.

Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als speziell eingerichtete Bundesbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen.

Die Beschwerde unterläßt es jedoch die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels, daß die belangte Behörde diesbezüglich kein Ermittlungsverfahren - unter Einräumung des Parteiengehörs und allenfalls Durchführung einer mündlichen Verhandlung - geführt hat, aufzuzeigen. Es ist nämlich notorisch, daß sich die Aktionen der serbischen Kräfte nicht auf den ganzen Kosovo beziehen. Der Beschwerdeführer stammt jedoch aus dem Raum Pristina, für welchen verstärkte Aktionen der genannten Art zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht notorisch sind. Daß der Beschwerdeführer aus anderen Gründen - etwa weil ihm ein Naheverhältnis zu den "albanischen Separatisten" vorgeworfen bzw. unterstellt wird - von diesen Vorfällen besonders betroffen sei, hat er auch in der Beschwerde nicht behauptet. Aus der bloßen Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe - ohne räumliches Naheverhältnis zu Gegenden mit verstärkten Aktivitäten von serbischen Einheiten (vgl. zu diesem Merkmal insbesondere das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370) und ohne sonstige Anhaltspunkte für eine individuelle Verfolgung - kann jedoch eine mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchtende asylrelevante Verfolgung nicht abgeleitet werden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihn über die mögliche Antragstellung betreffend eine "Non-refoulement-Prüfung" zu belehren, ist zunächst auszuführen, daß die belangte Behörde aufgrund der Tatsache, daß die erstinstanzliche Entscheidung vor dem 1. Jänner 1998 erging, gemäß § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG zu Recht keine derartige Prüfung vorgenommen hat. Eine Verpflichtung zur Belehrung, daß eine solche Prüfung von der Fremdenbehörde über einen nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes zulässigen Antrag (§ 75 FrG) durchzuführen ist, besteht nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 1999

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