VwGH 93/17/0241

VwGH93/17/024120.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des J und der S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Juni 1993, Zl. R/1-V-9137/00, betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Zistersdorf, 2225 Zistersdorf), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-6;
BauONov NÖ 06te 1988 8200-6;
VwRallg;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-6;
BauONov NÖ 06te 1988 8200-6;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 23. März 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Beschwerdeführern auf Grund ihres Bauansuchens "zum Neubau eines Wohnhauses" auf einem näher bezeichneten Grundstück sowie auf Grund der Einreichpläne samt Baubeschreibung die baubehördliche Bewilligung. Dieser Bescheid enthält unter anderem die Bemerkung, daß für den vorhandenen Rohbau eine Baubewilligung vom 15. November 1949 vorliege, jedoch bislang keine Fertigstellung erfolgt und auch keine Benützungsbewilligung erteilt worden seien.

1.2. Mit Bescheid vom 9. Mai 1990 sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde aus, den Beschwerdeführern sei mit Bescheid vom 23. März 1990 die baubehördliche Bewilligung zur erstmaligen Errichtung eines Gebäudes erteilt worden. Aus diesem Anlaß werde ihnen für das Grundstück eine Aufschließungsabgabe in Höhe von S 84.507,-- gemäß § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 (im folgenden: NÖ BauO 1976), LGBl 8200-6, vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung und machten geltend, die seinerzeitige baubehördliche Bewilligung vom 15. November 1949 sei eine unbefristete Baubewilligung gewesen. In der Folge sei mit der bescheidmäßigen Errichtung des rechtskräftig bewilligten Gebäudes begonnen worden. Nach Errichtung des Rohbaues und der Eindeckung des Gebäudes sei der Bau jedoch ins Stocken geraten und sei nicht mehr fertig geführt worden. Die Bauordnung für Niederösterreich aus 1883 habe keine Ausführungsfristen gekannt. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 121 Abs. 1 der am 31. Dezember 1969 in Kraft getretenen NÖ Bauordnung aus 1969 seien Bewilligungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestanden hätten, bestehen geblieben. § 121 Abs. 1 leg. cit. habe weiters bestimmt, daß die Fristen für die Ausübung und für das Erlöschen dieser Rechte nach den Bestimmungen der neuen Bauordnung zu errechnen seien, jedoch mit der Maßgabe, daß die Bauvollendungsfrist des § 103 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1969 frühestens am 31. Dezember 1971 ende. Da das Bauvorhaben am 31. Dezember 1971 nicht konsensgemäß vollendet gewesen sei, habe die Bewilligung an diesem Tag geendet. Am 1. Jänner 1970, auf den die NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-6 für die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe abstelle, sei das Grundstück daher jedenfalls von einem unbefristet bewilligten Gebäude bestanden gewesen. Die seinerzeitige Bewilligung aus dem Jahr 1949 sei ja erst am 31. Dezember 1971 erloschen. Sie sei eine unbefristete Bewilligung gewesen.

1.3. Mit Bescheid vom 21. Februar 1991 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde diese Berufung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides gelte als erstmalig die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn auf diesem am 1. Jänner 1970 kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden sei. Am 1. Jänner 1970 sei für den Bau eines Wohnhauses eine unbefristete Bewilligung vorgelegen. Was den Zeitpunkt anlange, für den man nach Erteilung der Baubewilligung davon sprechen könne, daß ein Gebäude auf einem Grundstück stehe, mit anderen Worten, wann ein Grundstück als bebaut gelte, sei davon auszugehen, daß dies dann der Fall sei, wenn sämtliche konstruktiven Bauteile des Gebäudes vorlägen. Nur dann stehe ein unbefristet bewilligtes Gebäude auf einem Grundstück. Da hier nur der Rohbau am 1. Jänner 1970 bestanden habe, liege noch kein Gebäude im Sinne des § 14 leg. cit. vor.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung, in der sie geltend machten, am 1. Jänner 1970 sei das Grundstück mit einem fertiggestellten, eingedeckten Rohbau eines Wohnhauses bestanden gewesen. Dieses Objekt erfülle alle im Gesetz genannten Begriffsmerkmale eines "Gebäudes".

1.4. Mit Bescheid vom 18. Juni 1993 - dem angefochtenen Bescheid - wies die Niederösterreichische Landesregierung diese Vorstellung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides sei zum Stichtag 1. Jänner 1970 eine auf die Errichtung eines Gebäudes gerichtete Baubewilligung aus dem Jahr 1949 gemäß § 121 Abs. 1 NÖ BauO aus 1969 noch rechtswirksam, ein nahezu bezugsfertiges Wohnhaus sei jedoch noch nicht vorhanden gewesen. Das Haus sei auch bis zum 31. Dezember 1971 nicht vollendet worden. Deswegen sei die Baubewilligung mit Ablauf dieses Tages erloschen. Die Baubewilligung sei im Jahr 1949 nicht für einen nichtbenützbaren "Gebäudetorso", sondern für ein für Wohnzwecke geeignetes - und damit wohl vollendetes - Gebäude erteilt worden. Das Vorliegen einer unbefristeten Baubewilligung zum entscheidenden Zeitpunkt allein leiste der Voraussetzung des § 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 nicht Genüge. Der Aktenvermerk vom 10. April 1990 zeige, daß keineswegs alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden seien, sondern daß nach wie vor wesentliche Bauteile gefehlt hätten (so z.B. sämtliche Stiegenaufgänge, Elektro-, Wasser- und Sanitärinstallationen, Senkgrube, Estriche, Heizung etc.). Die Tatsache, daß im Zuge der Errichtung eines Gebäudes auch das Stadium des Rohbaus durchlaufen werde, bedeute nicht, daß bereits zu diesem Zeitpunkt von einem bewilligten - also auch fertiggestellten - Gebäude im Sinne des § 14 Abs. 1 leg. cit. gesprochen werden könne.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, es genüge für das Vorliegen eines unbefristet baubehördlich bewilligten Gebäudes am 1. Jänner 1970, wenn das Objekt so weit errichtet worden sei, daß es gemeinhin als Gebäude bezeichnet werden könne. Bei einem "Gebäude" handle es sich um jede bauliche Konstruktion zur Herstellung eines abgeschlossenen Raumes. Im vorliegenden Fall seien der Keller, die Grundmauern, die Fenster und die komplette Dacheindeckung zum Stichtag fertiggestellt gewesen. Unbestritten sei das Gebäude damals nicht kollaudiert gewesen, jedoch komme es darauf nicht an. Auch ein Rohbau in der gegenständlichen Ausführung falle unter den Gebäudebegriff. Einzuräumen sei, daß durch ein Abstellen auf die Kollaudierung eine bessere und rechtlich einwandfreie Festlegung möglich gewesen wäre, jedoch habe der Gesetzgeber eine solche Regelung nicht getroffen. Das Gesetz biete keine Handhabe dafür, ein Gebäude nur dann als solches zu bezeichnen, wenn es kollaudiert bzw. kollaudierungsfähig wäre. Es wäre auch nicht einzusehen, daß ein Stall oder ein Schuppen, an den in der Regel geringere bauliche Anforderungen als an ein Wohnhaus gestellt würden, als Gebäude (§ 2 Z. 5 leg. cit.) qualifiziert würde, hingegen ein Wohnhaus nur dann Gebäudeeigenschaft besitzen solle, wenn es kollaudiert worden sei bzw., wie die belangte Behörde meine, nahezu bezugsfertig sei. Die Auffassung, daß nur eine kollaudierungsfähige Baulichkeit ein Gebäude im Sinne des § 14 Abs. 1 dritter Satz leg. cit. in der Fassung LGBl 8200-6 darstelle, sei rechtsirrig.

2.1.2. Die Gemeindeabgabenbehörden haben die baubehördliche Bewilligung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 23. März 1990 - sie hat den "Neubau eines Wohnhauses" laut Einreichplänen und Baubeschreibung zum Gegenstand und enthält die Bemerkung, daß für den vorhandenen Rohbau eine Baubewilligung vom 15. November 1949 vorgelegen, jedoch keine Fertigstellung und keine Benützungsbewilligung erfolgt seien - zum Anlaß für die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe genommen und daher die NÖ BauO 1976 in ihrer am 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen Fassung LGBl 8200-6 angewendet.

§ 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-6 lautete:

"(1) Aus dem Anlaß der Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz (§ 12) hat die Gemeinde dem Eigentümer eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Diese Abgabe ist auch dem Eigentümer eines Bauplatzes nach § 2 Z. 7 lit. b aus dem Anlaß der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5) oder einer großvolumigen Anlage (einzelne oder mehrere Silos oder Tanks mit insgesamt mehr als 200 m3 Rauminhalt sowie Tiefgaragen, Betonmischanlagen oder dergleichen) auf diesem Bauplatz vorzuschreiben, wenn für diesen Bauplatz noch kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag und auch keine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden ist. Als erstmalig gilt die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn auf diesem am 1. Jänner 1970 kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Eine Gerätehütte mit höchstens 6 m2 bebauter Fläche und einer Gebäudehöhe bis zu 2 m gilt in diesem Zusammenhang nicht als Gebäude."

§ 2 leg. cit. bestimmt auszugsweise:

"Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

...

5. Baulichkeit: ein durch bauliche Vorhaben hergestelltes Objekt, welches nach seiner Funktion und äußeren Erscheinungsform ein Gebäude (z.B. Haus, Stall, Hütte, Scheune, Mobilheim, Traglufthalle) oder ein anderes Bauwerk (z.B. Stütz- und Einfriedungsmauer, Tiefgarage, Keller) oder eine sonstige bauliche Anlage (z.B. Kanalstrang, Brunnen, Schächte, Senkgrube, Blitzableiter) sein kann;

...

27. unbebaut: Grundstücke, welche frei von einer behördlich unbefristet bewilligten Bebauung sind; Grundstücke gelten auch dann als unbebaut, wenn darauf ohne Bewilligung ausgeführte oder auf bestimmte Dauer bewilligte Baulichkeiten bestehen; ..."

2.1.3. § 14 Abs. 1 dritter Satz NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-6, dessen Auslegung zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig ist, enthält eine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmales der "erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5)" des im § 14 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. enthaltenen Abgabentatbestandes. Nach § 14 Abs. 1 dritter Satz leg. cit. gilt als erstmalig die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn auf diesem am 1. Jänner 1970 kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Anders als nach der bis zur Novelle BGBl 8200-6 bestandenen Rechtslage sollte es nunmehr nicht darauf ankommen, ob auf dem Bauplatz irgend wann in der Vergangenheit bereits einmal ein bewilligtes Gebäude gestanden ist, sondern es wird ausschließlich auf die Sachlage am 1. Jänner 1970 abgestellt. Ganz offensichtlich ist der Gesetzgeber damit den in der Praxis aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Feststellung weit zurückliegender Sachverhalte begegnet.

Bei der Beurteilung, ob ein am 1. Jänner 1970 existenter Gebäudealtbestand das Merkmal der Erstmaligkeit einer späteren Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz (aus deren Anlaß nunmehr eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben werden soll) ausschließt, ist es gleichgültig, ob die Errichtung des Gebäudes (Neu-, Zu-, Umbaues), die der Abgabenvorschreibung zugrundegelegt werden soll, dieselbe Baulichkeit oder eine andere als die am 1. Jänner 1970 bestandene betrifft. Auch ist es ohne Bedeutung, ob das am 1. Jänner 1970 bestandene Gebäude noch im Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung besteht; auch wenn dies nicht der Fall wäre, läge keine erstmalige Errichtung des später errichteten Gebäudes im Sinne der Novelle LGBl 8200-6 vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/17/0150).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "erstmaligen" Errichtung eines Gebäudes im Sinne der früheren Rechtslage nach § 14 Abs. 1 dritter Satz NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-1 (die noch nicht auf den Gebäudealtbestand am 1. Jänner 1970 abstellte) diene das Wort "erstmalig" zur Umschreibung des ersten Ereignisses in einer Reihe von aufeinanderfolgenden gleichen Ereignissen und stelle eindeutig klar, daß die Errichtung eines (weiteren) Neubaues auf einem bereits bebauten Grundstück eine Abgabepflicht nicht auszulösen vermöge; hiebei müsse es sich allerdings um einen bewilligten Altbestand handeln (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1979, Zl. 3325/78, und vom 12. Oktober 1984, Zl. 83/17/0036), was sich insbesondere auch im Hinblick auf § 2 Z. 27 leg. cit. ergebe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. April 1985, Zl. 83/17/0221). Damit in Zusammenhang hat sich der Gerichtshof auch wiederholt und eingehend mit der bloß vermuteten Konsensmäßigkeit sehr alten Gebäudealtbestandes befaßt und zu den Voraussetzungen einer solchen Beurteilung unter anderem ausgesprochen, daß die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit alter Baubestände nur jenen Bauzuständen zukomme, die nach der zur Zeit ihrer Herstellung geltenden Bauvorschriften dem Gesetz entsprochen hätten (vgl. das zuletzt zitierte hg. Erkenntnis vom 13. April 1985 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zur früheren Rechtslage, die durch die im Beschwerdefall anzuwendende Novelle LGBl 8200-6 insofern vereinfacht wurde, als jetzt nur der Gebäudealtbestand am 1. Jänner 1970 maßgebend sein soll, die aber nicht dahingehend verändert wurde, daß es etwa nicht mehr auf das Vorliegen einer Bewilligung als Eigenschaft eines solchen Gebäudes ankäme, besteht kein Zweifel, daß unter einem "unbefristet bewilligten Gebäude" im Sinne der Novelle LGBl 8200-6 (das am 1. Jänner 1970 auf dem Bauplatz gestanden ist) nur ein solches verstanden werden kann, dessen Ausbauzustand der Bewilligung des Projektes oder dessen vermuteter Bewilligung entspricht. Nicht ausreichend ist es hingegen, daß das Gebäude (z.B. der Rohbau) innerhalb der Bauvollendungsfrist - hier bis zum 31. Dezember 1971 - bloß mit der Bauordnung nicht in Widerspruch steht, wie dies bei allen noch nicht der Baubewilligung entsprechend fertiggestellten Gebäuden zutrifft. Eine solche Auslegung - wie sie von den Beschwerdeführern vertreten wird - trägt weder dem Wortlaut noch dem aus der Entstehungsgeschichte der Norm ableitbaren Zweck der Bestimmung Rechnung. Da im Beschwerdefall unbestritten ist, daß das in Rede stehende Gebäude am 1. Jänner 1970 wesentliche Erfordernisse seiner Baubewilligung nicht erfüllt hat, ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß am 1. Jänner 1970 kein unbefristet bewilligtes Gebäude auf dem Bauplatz gestanden ist, dessen Errichtung als erstmalig zu gelten hätte, was eine Abgabenvorschreibung aus Anlaß der Baubewilligung aus dem Jahr 1990 ausschlösse.

2.2.1. In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Behörde gingen davon aus, daß der Tatbestand der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes bereits mit der baubehördlichen Bewilligung, im Beschwerdefall jener vom 23. März 1990, erfüllt sei. Damit werde aber zu Unrecht von jener gesetzlichen Regelung ausgegangen, die vor der Novelle LGBl 8200-6 bestanden habe, denn nach dieser früheren Rechtslage sei die Abgabe zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben gewesen. Bei der nunmehrigen Formulierung treffe der Gesetzgeber jedoch hinsichtlich des Festsetzungs- und des Fälligkeitszeitpunktes keine Aussage. Der Gesetzgeber stelle sohin auf ein Faktum ab. Wenn die belangte Behörde zum Gebäudealtbestand vom 1. Jänner 1970 die Auffassung vertrete, daß es sich um ein bezugsfertiges Gebäude handeln müsse, dann gelte dies auch für den Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. entsprechend. Dies würde voraussetzen, daß der Tatbestand erst dann erfüllt wäre, wenn ein Gebäude bauvollendet bzw. kollaudierungsfähig sei. Diese Voraussetzung treffe im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Weder im Zeitpunkt der Vorschreibung durch die Abgabenbehörde erster Instanz noch zum Zeitpunkt der Berufungserledigung sei der Umbau soweit gediehen gewesen, daß man von einem kollaudierungsfähigen Gebäude sprechen hätte können.

2.2.2. Zutreffend weisen die Beschwerdeführer darauf hin, daß die Gemeindeabgabenbehörden den Abgabentatbestand mit Erteilung der baubehördlichen Bewilligung durch den Bürgermeister vom 23. März 1990 als verwirklicht angesehen haben. Diese Baubewilligung und nicht ein tatsächliches Geschehen (wie z.B. der Beginn oder das Ende der Bauführung) haben sie zum Anlaß der Abgabenvorschreibung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz genommen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes wird damit der Inhalt des Tatbestandsmerkmals "aus dem Anlaß der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5) oder einer großvolumigen Anlage ..." in § 14 Abs. 1 zweiter Satz NÖ BauO 1976 in der Fassung der Novelle LGBl 8200-6 verkannt. Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob man unter "Errichtung" eines Gebäudes einen Vorgang versteht (die Bauführung) oder das Ergebnis dieser Tätigkeit, jedenfalls kann im Kontext des § 14 Abs. 1 leg. cit. unter der erstgenannten Auslegungsvariante nicht ein bloßer Rechtsakt (die baubehördliche Bewilligung) verstanden werden, knüpft doch der Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ausdrücklich an einen Rechtsakt, nämlich die Bauplatzerklärung an. Hätte der Gesetzgeber der Novelle LGBl 8200-6 für den im zweiten Satz normierten zweiten Abgabentatbestand (bereits) an den behördlichen Akt der Erteilung der Baubewilligung anknüpfen wollen, dann hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Das hat er nicht getan, sondern auf ein tatsächliches Geschehen abgestellt, wodurch auch eine bewilligungslose Errichtung eines Gebäudes tatbestandsmäßig erfaßt ist.

Was die Auslegung des Begriffes "Errichtung" anlangt, sei auch auf die hg. Rechtsprechung zu einem anderen Rechtsgebiet - dem Apothekenrecht - hingewiesen. Dort hat der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß unter "Errichtung" nicht der behördliche Akt der Konzessionserteilung für eine öffentliche Apotheke und unter einer bereits "bestehenden" öffentlichen Apotheke nicht eine "nackte Konzession", sondern das nachfolgend errichtete Apothekenunternehmen zu verstehen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 23. März 1995, Slg. NF Nr. 14.232/A).

Die Entstehungsgeschichte der auszulegenden Norm bestätigt dieses Ergebnis:

In der Stammfassung der NÖ BauO 1976, LGBl 8200-0, sah der entsprechende Tatbestand des § 15 zweiter Satz vor, daß die Anliegerleistungen "anläßlich der erstmaligen Bauführung" gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 dann zu erbringen waren, wenn keine Grundabteilung durchgeführt oder Anliegerleistungen bisher nicht entrichtet wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung ausgeführt, daß der für die Verjährungsfrist maßgebende Entstehungszeitpunkt des Abgabenanspruches der Beginn der Bauführung (im damaligen Fall: der amtlichen Wahrnehmung des Baubeginns durch die Behörde) sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1980, Zl. 1906/79).

Die am 1. Jänner 1982 in Kraft getretene Novelle LGBl 8200-1 faßte die maßgebende Bestimmung - nunmehr § 14 Abs. 1 letzter Satz - wie folgt: "Wenn zuvor noch kein Aufschließungsbeitrag entrichtet wurde, dann ist ein solcher nach den folgenden Bestimmungen anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben." Das frühere Wort "Bauführung" wurde durch "Errichtung" ersetzt. Damit schien der Abgabentatbestand auf die "Errichtung" (als Beginn des Vorganges) abzustellen; aus der Anordnung der Vorschreibung "zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung" ergab sich allerdings, daß der Abgabenanspruch schon vor der tatsächlichen Errichtung, und zwar mit der Erteilung der Baubewilligung entstand. Es war die zitierte Wendung, die den Abgabenanspruch mit der Erteilung der Baubewilligung entstehen ließ; die Vorschreibung sollte im zeitlichen Zusammenhang damit erfolgen (vgl. zum Letzteren auch das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1992, Zl. 92/17/0202, 0203).

Hat nun der Gesetzgeber der Novelle LGBl 8200-6 diese Anknüpfung des Abgabentatbestandes an die Erteilung der Baubewilligung wieder entfallen lassen, so wird neuerdings - wie vor der Novelle LGBl 8200-1 - ein tatsächliches Geschehen zum Gegenstand des Abgabentatbestandes gemacht. Zum einen löst die Bewilligung

allein - solange von ihr nicht Gebrauch gemacht wird - die Abgabenpflicht nicht aus, zum anderen führt auch eine bewilligungslose erstmalige Errichtung eines Gebäudes - auch die (im Klammerzitat des § 14 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit.) verwiesene Legaldefinition des "Gebäudes" stellt auf eine vorhandene Bewilligung nicht ab - zur Abgabepflicht.

2.4. Hieraus ergibt sich, daß das Vorliegen der baubehördlichen Bewilligung vom 23. März 1990 allein den Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 dritter Satz NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-6 nicht erfüllt hat. Dies haben die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Behörde verkannt.

Damit haben die Gemeindeabgabenbehörden ihre Abgabenvorschreibung mit einem Begründungsmangel belastet, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätten kommen können. Es kann nämlich die Relevanz dieses Begründungsmangels mangels jeglicher Feststellungen der Abgabenbehörden, die geeignet wären, den Sachverhalt unter einen anderen Abgabentatbestand der NÖ BauO zu subsumieren und deshalb die Abgabepflicht als gegeben anzusehen, nicht verneint werden. Dabei ist zu beachten, daß die Wendung "aus Anlaß der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z. 5)" im Abgabentatbestand des § 14 Abs. 1 zweiter Satz NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl 8200-6 insofern eine zeitliche Beziehung zum Ereignis der Errichtung voraussetzt, als die Vorschreibung innerhalb der von diesem Ereignis an zu berechnenden Verjährungsfrist erfolgen muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1978, Zl. 1258/78; vgl. ferner das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1992, Zl. 88/17/0144). Als Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches wird wie nach der Rechtslage der Stammfassung (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1980, Zl. 1906/79) der Beginn der Bautätigkeit anzusehen sein. Eine erstmalige Errichtung im zeitlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift haben die Gemeindeabgabenbehörden nicht festgestellt, sie ist aber auch nach der Aktenlage nicht auszuschließen, weil selbst Fertigstellungsarbeiten am Rohbau noch der erstmaligen Errichtung zuzurechnen wären.

Dadurch, daß die belangte Vorstellungsbehörde diesen Feststellungs- und Begründungsmangel der gemeindebehördlichen Abgabenvorschreibung nicht wahrgenommen hat, hat sie ihrerseits den angefochtenen Vorstellungsbescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. Dezember 1999

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