VwGH 92/17/0202

VwGH92/17/020218.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden der XY-reg. GenmbH. in W, nunmehr vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid der NÖ LReg vom 22. 4. 1988, Zl. R/1-V-871118, und 2. den Bescheid der NÖ LReg vom 22. 4. 1988, Zl. R/1-V-87118/1, betreffend Aufschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1;
BauO NÖ 1976 §15;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1;
BauO NÖ 1976 §15;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 22.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. November 1986 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin "gemäß § 14 Abs. 1 NÖ-Bauordnung 1976, LGBl. 8200 in der derzeit geltenden Fassung", anläßlich der erstmaligen Bauführung auf einem näher bezeichneten Grundstück einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 144.060,-- vor. Nach dem dem Spruch dieses Bescheides vorangestellten Einleitungssatz habe der Bürgermeister mit Bescheid vom 15. April 1982 die baubehördliche Bewilligung erteilt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juli 1987 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 25. November 1986 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin anläßlich der erstmaligen Bauführung auf einem (weiteren) näher bezeichneten Grundstück einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 144.780,-- vor. Nach dem dem Spruch dieses Bescheides vorangestellten Einleitungssatz habe der Bürgermeister mit Bescheid vom 15. April 1982 die baubehördliche Bewilligung erteilt.

Die auch gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juli 1987 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob jeweils Vorstellung. Sie brachte darin unter anderem vor, § 14 Abs. 1

NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-1, normiere ausdrücklich, daß der Aufschließungsbeitrag, anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben sei. Die Baubewilligungsbescheide datierten vom 15. April 1982. Die den Aufschließungsbeitrag vorschreibenden erstinstanzlichen Abgabenbescheide datierten vom 25. November 1986. Von einer Gleichzeitigkeit der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages und der Erteilung der Baubewilligung, wie es das Gesetz vorsehe, könne nicht gesprochen werden.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Vorstellungen ab. In der Begründung dieser Bescheide heißt es übereinstimmend, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Erkenntnissen vom 7. April 1972, Zl. 1677/71, vom 13. März 1978, Zl. 181/77, und vom 10. April 1978, Zl. 1850/77, ausgesprochen, daß "der Wortlaut des § 14 Abs. 1 letzter Satz der NÖ Bauordnung 1976 keinen Zweifel darüber offen läßt, daß hier zusätzlich zum Abgabenbestand im § 14 Abs. 1 erster Satz leg. cit. (Grundabteilung) ein weiterer Abgabentatbestand für den Fall festgelegt wurde, daß die erstmalige Errichtung eines Gebäudes zwar auf einem durch Grundabteilung geschaffenen Bauplatz durchgeführt wird, für diesen aber bisher gleichartige Anliegerleistungen nicht erbracht wurden". Die Begründungsdarlegungen dieser Bescheide gehen weiters (sinngemäß) dahin, daß die Vorschreibung der Aufschließungsbeiträge innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist und daher zu Recht erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin bekämpfte diese Bescheide zunächst mit Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof lehnte jedoch mit Beschluß vom 27. September 1988, B 1306, 1307/88-3, die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtwidrigkeit des Inhaltes geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich jeweils in dem Recht verletzt, daß ihr kein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben werden dürfe. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die vorliegenden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 der NÖ-Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0, in der Fassung vor der am 1. Jänner 1982 in Kraft getretenen Novelle LGBl. 8200-1, hat die Gemeinde aus Anlaß der Grundabteilung einen Beitrag zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung einzuheben. Der Beitrag ist gleichzeitig mit der Bewilligung der Grundabteilung vorzuschreiben und wird drei Monate nach Rechtskraft des Grundbuchbeschlusses fällig.

§ 15 leg. cit. in der oben erwähnten Fassung hatte folgenden Wortlaut:

"Die in den §§ 13 und 14 vorgesehenen Anliegerleistungen sind jedenfalls nur einmal zu erbringen, und zwar anläßlich der Grundabteilung. Anläßlich der erstmaligen Bauführung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 sind sie dann zu erbringen, wenn keine Grundabteilung durchgeführt oder Anliegerleistungen bisher nicht erbracht wurden. Die Beiträge nach § 14 können von der Gemeinde auch noch nach vollendeter Bauführung anläßlich der Errichtung der betreffenden Aufschließungsanlagen eingehoben werden."

Die Novelle LGBl. 8200-1 hatte dann § 15 derogiert und statt dessen dem ersten Absatz des § 14 folgende Bestimmung angefügt:

"Wenn zuvor" (das heißt: anläßlich der Grundabteilung) "noch kein Aufschließungsbeitrag entrichtet wurde, dann ist ein solcher nach den folgenden Bestimmungen anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben."

In seiner Rechtsprechung zu § 15 leg. cit. in der Stammfassung - und nicht, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid irrig meint, zum letzten Satz des § 14 Abs. 1 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. 8200-1 - hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß eine auf den Abgabentatbestand der erstmaligen Bauführung gestützte Abgabenvorschreibung ohne Rücksicht darauf geltend gemacht werden könne, ob die Aufschließung der erstmaligen Bauführung vorangegangen sei oder ihr nachfolge. Die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages müsse daher nicht gleichzeitig mit der Baugenehmigung erfolgen; die gesetzlichen Bestimmungen hätten allein die Bedeutung, daß unter bestimmten Voraussetzungen aus Anlaß der erstmaligen Bauführung die Anliegerleistungen zu erbringen seien (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1992, Zl. 88/17/0144).

Für den Beschwerdefall ist aber unbestritten die Rechtslage

nach der Novelle LGBl. 8200-1 anzuwenden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom

24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0154, hinsichtlich der

Beitragsvorschreibung aus Anlaß der Grundabteilung dargelegt

hat, sei im § 14 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0, einer

der Tatbestände geregelt, dessen Verwirklichung gemäß § 3

Abs. 1 NÖ Abgabenordnung 1977 den Abgabenanspruch entstehen

lasse. Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 3

NÖ Abgabenordnung 1977 das Entstehen der Abgabenschuld knüpfe,

sei die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (in der

NÖ Bauordnung) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu

verstehen, bei deren konkretem Vorliegen

(Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen

(Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollten. § 3

Abs. 2 NÖ Abgabenordnung 1977 bestimme, daß der Zeitpunkt der

Festsetzung und der Fälligkeit auf die Entstehung des

Abgabenanspruches ohne Einfluß sei. Entsprechend unterscheide

auch § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung zwischen dem

Entstehungszeitpunkt der Aufschließungsbeitragsschuld ("... aus

Anlaß der Grundabteilung ..."), dem Festsetzungszeitpunkt ("...

ist gleichzeitig mit der Bewilligung vorzuschreiben ...") und

dem Fälligkeitszeitpunkt ("... drei Monate nach Rechtskraft des

Grundbuchsbeschlusses ...").

An dieses (bestehende) Regelungssystem - hinsichtlich des Tatbestandes der Grundabteilung - wurde durch die Novelle 8200-1 eine Regelung hinsichtlich der erstmaligen Bauführung angefügt. Wenn nun darin bestimmt wird, daß "anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung" ein Aufschließungsbeitrag "vorzuschreiben" ist, so vermag der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem systematischen Zusammenhang keinen Grund zu finden, daß damit nicht auch der Festsetzungszeitpunkt ("... zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung ...") nunmehr (eine derartige Regelung enthielt der § 15 leg. cit. in der Stammfassung nicht) bestimmt wurde.

Zutreffend wird daher in der Beschwerde gerügt, daß die in Frage stehenden Aufschließungsbeiträge nicht dem Gesetz entsprechend zugleich mit der Erteilung der Baubewilligung vorgeschrieben wurden.

Die Gemeindeabgabenbehörden haben daher gegenüber der Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Aufschließungsbeiträge zu einem Zeitpunkt festgesetzt, zu dem sie hiezu nicht ermächtigt waren. Da die Vorstellungsbehörde in Verkennung der Rechtslage diesen Mangel nicht zum Anlaß der Aufhebung der Bescheide des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juli 1987 genommen hat, hat sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

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