VwGH 98/11/0056

VwGH98/11/005630.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Hausmaninger Herbst Wietrzyk, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Dezember 1997, Zl. 165357/4-IV/10/97, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:

Normen

ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1997 wies die belangte Behörde den mit Schriftsatz vom 16. September 1997 gestellten Antrag des - im Jahr 1964 geborenen - Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 Zivildienstgesetz 1986, BGBl. Nr. 679/1986 (ZDG), ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen auf dessen Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung, daß beim Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen an der Befreiung nicht gegeben seien, im wesentlichen damit, daß beide Elternteile des Beschwerdeführers Pensionen der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte in einer Höhe bezögen, die über der Mindestpension liege, sie hätten auch eine Wohnmöglichkeit (im gleichen Wohnhaus), weiters bestehe die Möglichkeit, Familienunterhalt für Unterhaltsberechtigte des Beschwerdeführers zu beziehen. Zu den wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, daß ihm auf Grund der Tatsache, daß er nach der Insolvenz des väterlichen Tischlereiunternehmens ein eigenes Unternehmen gegründet und vorgebracht habe, auf Grund "eines Unternehmenskonzeptes während der Reorganisations- und Sanierungsphase persönlich mitarbeiten zu müssen", vom Jahr 1994 bis 30. September 1997 die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes gewährt worden sei. Die Reorganisations- und Sanierungsphase könne als abgeschlossen betrachtet werden. Der Beschwerdeführer habe unter anderem den Mitarbeiterstand aufgestockt und neue Investitionen getätigt. Er habe hingegen nicht nachgewiesen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen habe, um für seine - zumindest zeitweise - Vertretung während der Zivildienstleistung zu sorgen. Auch wenn die persönliche und individuelle Dienstleistung des Beschwerdeführers in seinem Unternehmen im Vordergrund stehe, könne hiedurch die Zivildienstleistung durch den Beschwerdeführer nicht verhindert werden. Der Beschwerdeführer hätte seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Zivildienstpflicht zu harmonisieren gehabt, diese Verpflichtung habe er verletzt. Auch die von ihm realisierten neuen Großprojekte und Geschäfte mit Partnern würden die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen im Sinne des Gesetzes nicht rechtfertigen. Im Hinblick auf die Struktur des Unternehmens könne der Betrieb während der Zivildienstleistung des Beschwerdeführers auch ohne seine ständige Anwesenheit fortgeführt werden, weil es nicht erforderlich sei, daß er alle anfallenden Arbeiten selbst durchführen müsse.

Wenn der Beschwerdeführer zunächst dagegen einwendet, sein familiäres Interesse sei darin gelegen, daß er seine Eltern unterstützen müsse und es den Eltern nicht möglich sei, weiterhin im selben Wohnhaus zu wohnen und einen ordentlichen Lebensunterhalt zu haben, wenn der Beschwerdeführer nicht weiterhin der bisherigen Erwerbstätigkeit nachgehen könne, ist ihm zu entgegnen, daß familiäre Interessen, im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 2 des Zivildienstgesetzes voraussetzen würden, daß Familienangehörige des Beschwerdeführers in ihren eigenen Belangen der Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen bedürfen, die ihnen dieser aber wegen der Leistung des Zivildienstes nicht gewähren könnte (vgl. uva. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zlen. 94/11/0140, 0277, mit weiterem Judikaturhinweis). Derartiges hat der Beschwerdeführer mit der Behauptung, den Eltern würde es am "ordentlichen Unterhalt" fehlen, nicht geltend gemacht, abgesehen davon, daß er auch in der Beschwerde nicht schlüssig darzulegen vermag, daß eine Existenzbedrohung seiner Familienangehörigen im Falle seiner Zivildienstleistung gegeben wäre.

Was die wirtschaftlichen Interessen anlangt, macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, daß ohne seine persönliche Mitarbeit im Betrieb wesentliche Umsatzeinbußen zu erwarten wären und eine spürbare wirtschaftliche Verschlechterung des Betriebes eintreten würde, die dessen Sanierung auf Dauer gefährden könnte. Er decke mit seinen Leistungen eine Marktnische ab, sei aber auch in diesem Rahmen der Konkurrenz anderer Unternehmen ausgesetzt. Er müsse sich als Leiter des Unternehmens mit allen persönlichen Mitteln einsetzen, der individuelle Einsatz des Beschwerdeführers sei für das Weiterbestehen des Unternehmens eine unbedingte Notwendigkeit. Diese Frage zu prüfen habe die belangte Behörde unterlassen, was auch für die Frage gelte, ob die Reorganisations- und Sanierungsphase des Unternehmens tatsächlich als abgeschlossen angesehen werden könne.

Nach der unbestrittenen Annahme der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am 19. Februar 1982 für tauglich erklärt und hat am 10. April 1992 eine rechtsgültige Zivildiensterklärung abgegeben. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juli 1994 wurde er auf Grund besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes bis 30. September 1997 mit der wesentlichen Begründung befreit, daß er auf Grund des Konkurses der väterlichen Tischlerei - die Konkurseröffnung erfolgte am 9. September 1993 - ein eigenständiges Unternehmen gegründet und für die Durchführung eines Zwangsausgleiches die eigenen Ertragsüberschüsse zur Verfügung gestellt habe. Um dies zu ermöglichen, sei es unabdingbar, daß er während der Reorganisations- und Sanierungsphase persönlich mitarbeite. Die belangte Behörde führte in dem Bescheid ergänzend aus, daß es für den Beschwerdeführer erforderlich sei, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um seine Zivildienstleistung ab 1. Oktober 1997 zu gewährleisten.

Mit Recht hat die belangte Behörde die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen an der Befreiung verneint: Der Beschwerdeführer, der am 30. Juli 1999 sein 35. Lebensjahr vollendet, hätte jedenfalls auf Grund des Bescheides der belangten Behörde vom 8. Juli 1994 damit rechnen müssen, daß er mit dem Ablauf der darin vorgenommenen Befristung, nämlich des 30. September 1997, den Zivildienst leisten müsse und er hätte im Sinne der ihn treffenden Harmonisierungspflicht (vgl. unter vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/11/0320) seine persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten so einrichten müssen, daß bei Leistung des Zivildienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden. Der Beschwerdeführer zeigt keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, daß sein im Oktober 1993 gegründetes Unternehmen noch immer in der "Reorganisations- und Sanierungsphase" - offensichtlich in bezug auf das insolvent gewordene väterliche Unternehmen - sei. Im Gegenteil hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht (vgl. insbesondere seinen Schriftsatz vom 16. September 1997), daß er mittlerweile das Unternehmen durch neue Investitionen erheblich ausgeweitet und auch zusätzliche Mitarbeiter aufgenommen habe. Wenn der Beschwerdeführer somit in Kenntnis der bestehenden Pflicht zur Ableistung des restlichen Zivildienstes weitere Verpflichtungen eingegangen ist, um den Umfang des Unternehmens auszuweiten, kann damit die Rücksichtswürdigkeit an der Befreiung im Sinne des Zivildienstgesetzes nicht gerechtfertigt werden, da dies in Verletzung der Harmonisierungspflicht erfolgte. Wenn der Beschwerdeführer somit vor vollständiger Erfüllung der ihn treffenden Dienstleistungspflicht ohne die gebotene und zumutbare Bedachtnahme darauf seine eigenen wirtschaftlichen bzw. beruflichen Möglichkeiten zu verwirklichen begonnen hat, können die aus der zivildienstbedingten Abwesenheit resultierenden wirtschaftlichen Nachteile nicht die besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen begründen, zumal der Nachteil, sich bietende weitere berufliche Chancen und Verdienstmöglichkeiten wegen des noch zu leistenden Zivildienstes allenfalls nicht nützen zu können, zahlreiche Zivildienstpflichtige in gleicher Weise trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/11/0320). Im übrigen sind konkrete Gründe für eine wirtschaftliche Existenzbedrohung des Unternehmens des Beschwerdeführers und auch dafür, daß das Unternehmen ohne seine ständige Anwesenheit nicht weitergeführt werden könnte, bis er den Zivildienst abgeleistet hat, im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht erkennbar.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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