VwGH 94/11/0140

VwGH94/11/014021.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerden des G in N, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres 1. vom 18. März 1994, Zl. 182.702/4-IV/10/94, betreffend Befreiung von der Zivildienstpflicht (hg. Zl. 94/11/0140), und 2. vom 8. August 1994, Zl. 182.702/2-IV/10/ZUW, betreffend Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes (hg. Zl. 94/11/0277), zu Recht erkannt:

Normen

ZDG 1986 §9 Abs3;
ZDG 1986 §9 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Jänner 1994 auf Befreiung von der Zivildienstpflicht gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) ab.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 ZDG mit Wirkung vom 3. Oktober 1994 einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu.

In seinen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt jeweils die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1. Zur Beschwerde Zahl 94/11/0140:

Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen auf Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der Beschwerdeführer führte im Antrag vom 3. Jänner 1994 zusammenfassend aus, er sei als selbständiger Kompostberater tätig und von seiner Firma unabkömmlich. Er betreibe ein Lohnunternehmen mit einer selbstfahrenden Kompostwendemaschine und versuche, dafür einen Mitarbeiter einzuschulen. Durch seine langjährige Erfahrung sei er ein in Österreich anerkannter Fachmann und Fachbuchautor. Seit September 1991 sei er Obmann der ARGE-X und als Berater auch hier unabkömmlich. Er führe Vortrags- und Beratungstätigkeiten durch und berate im speziellen die Firma K; auch hier sei er aufgrund seiner Erfahrung unabkömmlich, bei längerer Abwesenheit drohe ein nicht wiedergutzumachender Schaden. Er habe am 20. Jänner 1992 einen landwirtschaftlichen Betrieb übernommen, den er gemeinsam mit seiner Frau bewirtschafte. Der Hauptteil seiner Tätigkeit könne auf andere Personen nicht übertragen werden, da dafür langjährige Erfahrung notwendig sei. Eine längere Abwesenheit bedeute den Ruin seiner Firma, insbesondere wäre nach Ableistung des Zivildienstes seine Existenzgrundlage zerstört.

Die belangte Behörde anerkannte im Hinblick darauf das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Zivildienstpflicht, sie verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit iSd Gesetzes. Sie berücksichtigte hiebei, daß dem Beschwerdeführer wiederholt, zuletzt bis 15. August 1992 der Antritt des ordentlichen Präsenzdienstes aufgeschoben worden war. Nachdem ein Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht erfolglos geblieben sei, habe der Beschwerdeführer am 19. November 1993 eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 ZDG abgegeben. Aus diesem Geschehensablauf ergebe sich, daß der Beschwerdeführer während der ihm gewährten Aufschübe eine Berufstätigkeit aufgenommen und immer weiter ausgebaut habe. Der Beschwerdeführer sei somit durch sein Verhalten in jene Schwierigkeiten geraten, mit denen er nunmehr sein Befreiungsbegehren begründe. Das gelte in gleicher Weise für die Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebes im Jänner 1992. Eine zwingende Notwendigkeit, diesen Betrieb (wie behauptet) zwecks Verbesserung der bisherigen beengten Wohnverhältnisse zu übernehmen, sei nicht ersichtlich.

Vorweg ist festzuhalten, daß bei der bekämpften auf § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG beruhenden Entscheidung ausschließlich Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung, nicht jedoch öffentliche Interessen oder Interessen Dritter von Belang sind. Auf das solche Interessen betreffende Beschwerdevorbringen ist daher nicht einzugehen. Aus dem in der Beschwerde zitierten (zur vergleichbaren Befreiungsbestimmung des Wehrgesetzes ergangenen) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0095, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort hat der Gerichtshof lediglich klargestellt, daß bei einem gemeinsam mit Familienangehörigen geführten Betrieb deren wirtschaftliche Interessen am Betrieb als familiäre Interessen des Wehrpflichtigen gelten und der Umstand, daß auch wirtschaftliche Interessen Dritter betroffen sind, eine besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen der Wehrpflichtigen nicht ausschließt.

Der Beschwerdeführer bemängelt zwar wiederholt das Fehlen ausreichender Feststellungen. Er legt aber nicht dar, welche Feststellungen er konkret vermißt. Soweit er ausführt, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, es lägen rücksichtswürdige wirtschaftliche, familiäre und öffentliche Interessen sowie Interessen Dritter an seiner Befreiung vor, verkennt er, daß es sich hiebei nicht um die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts, sondern um rechtliche Schlußfolgerungen handelt.

Die belangte Behörde hat sich zu Recht an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert, wonach Wehrpflichtige/Zivildienstpflichtige bei ihren Dispositionen auf die Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes/Zivildienstes entsprechend Bedacht zu nehmen haben. Die mangelnde Bedachtnahme darauf oder die Vornahme wirtschaftlicher Dispositionen während eines Aufschubes oder einer befristeten Befreiung ohne zwingenden Grund schließen die besondere Rücksichtswürdigkeit der daraus abgeleiteten Interessen aus (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0175, vom 11. Februar 1992, Zl. 91/11/0068, vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0104, und vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/11/0167). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, jene berufliche Tätigkeit, hinsichtlich welcher er nunmehr seine Unabkömmlichkeit behauptet, in Kenntnis der bevorstehenden Präsenzdienst(Zivildienst-)pflicht aufgenommen zu haben. Daß er dazu aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen gezwungen gewesen wäre, läßt sein Vorbringen nicht erkennen. Der Einwand, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich aufgrund der nicht vorauszusehenden raschen Entwicklung der Nachfrage auf dem Gebiet der Kompostierung unerwartet schnell ausgeweitet, vermag an der Tatsache nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer diese Tätigkeit unter Verletzung der Harmonisierungspflicht begonnen und in der Folge ausgeweitet hat.

Das Gesagte gilt grundsätzlich in gleicher Weise für den laut Antrag gemeinsam mit seiner Ehegattin bewirtschafteten "Landwirtschaftsbetrieb" (dieser umfaßt laut Übergabsvertrag vom 20. Jänner 1992 einschließlich des Hauses und des zugehörigen Gartens eine Grundfläche von insgesamt 25.349 m2). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer lediglich vorgebracht hat, er könnte für dessen Betreuung im Falle der Leistung von Zivildienst nicht mehr Sorge tragen und auch den in erster Linie persönlich zu erbringenden Gegenleistungen aus dem Übergabsvertrag nicht mehr nachkommen. Er hat aber weder ein konkretes Vorbringen über den Umfang dieses "Betriebes" erstattet noch behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt, daß er insoweit wie auch in Ansehung der nach dem Übergabsvertrag zu erbringenden Leistungen von seiner Ehegattin nicht vertreten werden könne.

Im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde schließlich zu Recht ausgeführt, der Beschwerdeführer werde aufgrund der Besonderheiten des Zivildienstes (nicht kaserniert; Dienstleistung grundsätzlich bei einer in der Nähe des Wohnortes gelegenen Einrichtung) nach Maßgabe seiner Freizeit seine wirtschaftlichen Interessen in einem wenn auch eingeschränkten Maße weiterhin verfolgen können.

Bei den in der Beschwerde angesprochenen familiären Interessen (Gefahr für sein Unternehmen als Existenzgrundlage seiner Familie) handelt es sich der Sache nach um wirtschaftliche und nicht um familiäre Interessen des Beschwerdeführers. Letztere setzen voraus, daß ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Zivildienstpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Zivildienstes nicht gewähren könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1987, Slg. 12.502/A). Darum geht es im Beschwerdefall nicht.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Zur Beschwerde Zahl 94/11/0277:

Soweit in dieser Beschwerde das Vorbringen in der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wiederholt wird, genügt der Hinweis auf die vorstehenden Ausführungen. Im übrigen hätte erst ein die Befreiung des Beschwerdeführers aussprechender Bescheid die Erlassung des vorliegend bekämpften Zuweisungsbescheides gehindert.

Das Vorbringen, die belangte Behörde habe den Wunsch des Beschwerdeführers auf Zuweisung zu einer Einrichtung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft mit Stillschweigen übergangen, vermag schon mangels eines Rechtsanspruchs des Beschwerdeführers auf Zuweisung zu einer bestimmten Einrichtung (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, Zl. 89/11/0218, und vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0169) keine zur Aufhebung dieses Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Kostenbegehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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