VwGH 98/02/0050

VwGH98/02/005029.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über den Antrag des Dr. H, Rechtsanwalt in Leibnitz, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 26. Jänner 1998, Zl. E 03/05/97.014/1, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, und über die Beschwerde selbst,

Normen

KFG 1967 §102 Abs1;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §36 lite;
KFG 1967 §57a Abs3;
VStG §21 Abs1;
KFG 1967 §102 Abs1;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §36 lite;
KFG 1967 §57a Abs3;
VStG §21 Abs1;

 

Spruch:

1.) zur Zl. 98/02/0132 den Beschluß gefaßt:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.

2.) zur Zl. 98/02/0050 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zu 1.): Der Beschwerdeführer brachte gegen den angefochtenen Bescheid am 10. Februar 1998 eine Beschwerde ein, die insoweit einen Mangel aufwies, als ihr eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nicht angeschlossen war. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1998 wurde der Beschwerdeführer unter Rückmittlung seiner Beschwerde aufgefordert, diesen Mangel durch Beibringung einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides zu beheben und die zurückgestellte Beschwerde - auch im Fall der Einbringung eines neuen Schriftsatzes - wieder vorzulegen.

Innerhalb der gesetzten Frist ist der Beschwerdeführer diesem Auftrag aber nur insoferne nachgekommen, als er mit Schriftsatz vom 23. März 1998 zwar Kopien des angefochtenen Bescheides nachgereicht, die ursprüngliche Beschwerde aber nicht wieder vorgelegt hat.

Mit Eingabe vom 17. April 1998 stellte der Beschwerdeführer unter Wiedervorlage der ursprünglichen Beschwerde und unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung seiner Kanzleileiterin sowie eines Auszuges aus dem Fristenbuch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Verbesserung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer führte zur Begründung seines Antrages aus, er habe - wie dies auch aus dem Ergänzungsschriftsatz vom 23. März 1998 ersichtlich sei - die Wiedervorlage der Beschwerde angeordnet. Die Kuvertierung der vom Beschwerdeführer unterschriebenen und ausgehenden Post werde seit 1. August 1980 von seiner Kanzleileiterin H. O. durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer regelmäßig stichprobenartige Kontrollen vornehme. Die als überaus zuverlässig und sorgfältig zu bezeichnende Kanzleileiterin achte sorgfältigst auf die Versendung sämtlicher Beilagen und habe bei der Kuvertierung der Post noch nie einen Fehler gemacht. Bei der Kuvertierung des gegenständlichen Schriftsatzes sei ihr erstmals ein Fehler unterlaufen, der dazu geführt habe, daß die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde im Akt liegengeblieben sei. Bei einer am 16. April 1998 durchgeführten kanzleiinternen Aktenbesprechung sei der Akt dem Beschwerdeführer vorgelegt worden, der bei dieser Gelegenheit den Fehler seiner Kanzleikraft entdeckt habe. Dieses Geschehen sei auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen und stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes Ereignis dar.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Rechtsanwalt rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004, sowie den hg. Beschluß vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0543, 0544).

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall die Frist zur Mängelbehebung richtig vorgemerkt und für die rechtzeitige Fertigstellung des Ergänzungsschriftsatzes gesorgt. In der Kanzlei des Beschwerdeführers wurde die Beschwerde einer zuverlässigen Kanzleikraft zur Postaufgabe rechtzeitig überlassen. Daß der Beschwerdeführer nicht auch noch die näheren Umstände der Postabfertigung überwachte, sodaß die versehentliche Belassung der Beschwerde im Akt bis zu der kanzleiinternen Besprechung vom 16. April 1998 unbemerkt blieb, vermag ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden nicht zu begründen.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war somit stattzugeben.

Zu 2.): Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. Jänner 1998 für schuldig befunden wurde, er habe am 12. September 1996 gegen 16,15 Uhr auf der streckenmäßig näher beschriebenen B 65 ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger gelenkt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß der Anhänger den Vorschriften entspreche, obwohl ihm das zumutbar gewesen sei. Der Anhänger sei auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet worden, obwohl an diesem keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette, sondern lediglich eine abgelaufene Plakette mit der Lochung 3/96 angebracht gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 lit. e und § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer stellt die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht in Abrede, vertritt aber die Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 21 VStG vorgelegen gewesen seien. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde habe er angesichts des Umstandes, daß er die Toleranzfrist des § 57 a Abs. 3 Kraftfahrgesetz 1967 nur um sechs Wochen überschritten habe, nur geringfügiges Verschulden zu verantworten. Die Überschreitung der Frist sei vom Beschwerdeführer nicht gewollt und darauf zurückzuführen, daß er den Anhänger sehr selten gebrauche, weshalb er die Frist für die Begutachtung übersehen habe. Die Geringfügigkeit des Verschuldens ergebe sich auch daraus, daß der Anhänger einen technisch einwandfreien Zustand aufweise und der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sowie seit 1966 im Besitz einer Lenkerberechtigung sei. Die in § 57 a Kraftfahrgesetz 1967 verfolgten Zwecke der Gewährleistung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeugen sowie der Hintanhaltung der von Fahrzeugen ausgehenden Umweltbeeinträchtigungen seien einerseits durch den technisch einwandfreien Zustand des Anhängers und andererseits dadurch, daß der Anhänger über keinen Verbrennungsmotor verfüge, erfüllt. Daraus, daß bei Anhängern in den ersten fünf Jahren nach der Erstzulassung lediglich zwei Begutachtungen durchzuführen seien, sei ersichtlich, daß die mit dem Betrieb eines Anhängers verbundenen Gefahren weitaus geringer seien als dies bei Kraftfahrzeugen der Fall sei. Der Überschreitung der Begutachtungsfrist bei einem Anhänger komme daher geringeres Gewicht zu als bei einem Kraftfahrzeug. Dem Beschwerdeführer sei daher ein Rechtsanspruch darauf zugestanden, daß der ihn überprüfende Gendarmeriebeamte ihn auf die abgelaufene Plakette aufmerksam gemacht und von einer Anzeige abgesehen hätte.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten gering ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen können unter den in Abs. 1 angeführten Voraussetzungen die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

Gemäß ständiger hg. Rechtsprechung kommt eine Anwendung des § 21 VStG nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Solches kann zwar auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie z. B. verminderte Zurechnungsfähigkeit, Unbesonnenheit oder dringende Notlage diesen Schluß rechtfertigen (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 862 zitierte Judikatur). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, daß in seinem Fall etwa Gründe im Sinne der angeführten Judikatur vorlägen, aus denen geschlossen werden könnte, die ihm vorgeworfene Verwendung des nicht die vorschriftsmäßige Begutachtungsplakette aufweisenden Anhängers auf Straßen mit öffentlichem Verkehr bleibe hinter dem in der betreffenden Strafdrohung (§ 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 lit. e sowie § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967) typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurück. Vielmehr hat er mit dem Vorbringen, er habe die Überschreitung der Toleranzfrist des § 57a Abs. 3 Kraftfahrgesetz 1967 "schlichtweg" übersehen, dargetan, daß er der in § 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 festgelegten Verpflichtung jedes Kraftfahrzeuglenkers, ein Kraftfahrzeug und einen mit diesem zu ziehenden Anhänger erst in Betrieb zu nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß diese den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen, nicht nachgekommen ist. Gerade weil er - wie der Beschwerdeführer behauptet - den Anhänger nur sehr selten benützt, wäre es die Pflicht des Beschwerdeführers gewesen, sich vor Antritt der Fahrt zu vergewissern, daß die für die wiederkehrende Begutachtung des Anhängers einzuhaltende Frist noch nicht abgelaufen ist. Dieses Vorbringen ist somit nicht geeignet, das Verschulden des Beschwerdeführers in einem für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG erforderlichen Maß zu mindern (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 17. April 1996, Zl. 94/03/0003, und vom 27. November 1996, Zl. 94/03/0232).

Aus dem Umstand, daß im Tatzeitpunkt die Toleranzfrist des § 57a Abs. 3 Kraftfahrgesetz 1967 um "lediglich sechs Wochen" überschritten war, kann für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, weil dadurch weder die Tatbildmäßigkeit seines Verhaltens noch der Grad seines Verschuldens in Frage gestellt wird. Ebensowenig vermag die Behauptung, der Anhänger habe sich in einem technisch einwandfreien und verkehrssicheren Zustand befunden, daran etwas zu ändern, daß der Beschwerdeführer gegen das Gebot, nur einen den in Betracht kommenden Vorschriften - und somit auch den Bestimmungen des § 36 lit. e Kraftfahrgesetz 1967 - entsprechenden Anhänger in Betrieb zu nehmen, verstoßen hat.

Der belangten Behörde kann bei diesem Sachverhalt nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätte, ausgehend von einem lediglich geringfügigen Verschulden des Beschwerdeführers, von einer Bestrafung absehen müssen und lediglich eine Ermahnung aussprechen dürfen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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