Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
1. den Beschluß gefaßt:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben;
2. über die Beschwerde zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen
Begründung
I. Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 1995, der dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Nigerias, seinen Angaben zufolge am 25. August 1995 zugestellt worden war, war sein Asylantrag abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer führte zur Begründung seines gleichzeitig mit der Nachholung der versäumten Beschwerde erhobenen Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den angeführten Bescheid aus, seine Rechtsvertreterin habe ihm mitgeteilt, daß diese Frist am 6. Oktober 1995 ende. Am 9. November 1995 habe der Beschwerdeführer um die Ausfolgung einer Kopie der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ersucht. Hiebei habe sich herausgestellt, daß der Mitarbeiter der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers W. R. die von dieser am 2. Oktober 1995 fristgerecht vorbereitete und bereits unterfertigte Beschwerde aus einem Versehen im Akt belassen und diesen irrtümlich abgelegt habe, sodaß die Beschwerde nicht zur Post gegeben worden sei. Dem für die Fristenwahrung verantwortlichen Mitarbeiter der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sei ein derartiges Versehen bisher nie unterlaufen, sodaß das Unterbleiben der Postaufgabe der Beschwerde sich für den Beschwerdeführer als ein nicht vorhersehbares und unabwendbares Ereignis darstelle. Der Mitarbeiter der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers hat diese Angaben sowohl in einer eidesstättigen Erklärung als auch im Zuge einer im Rechtshilfeweg vom Bezirksgericht Baden am 20. Mai 1996 durchgeführten Einvernahme bestätigt und im Verlauf der Befragung ausgeführt, die Beschwerde sei in dreifacher Ausfertigung unterschrieben worden. In der Kanzlei existiere ein großes Fristenbuch, in dem sowohl er als auch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers Fristen eingetragen hätten, wobei die Fristen von beiden überprüft und die letzten Tage der Fristen immer mit rotem Kugelschreiber eingetragen worden seien. Er könne sich nicht erinnern, daß jemals aus einem Versehen eine Frist versäumt worden sei.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Rechtsvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Rechtsvertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004).
Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall die Beschwerdefrist richtig vorgemerkt und für die rechtzeitige Fertigstellung der Beschwerdeschrift gesorgt. In der Kanzlei der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wurde die Beschwerde einer zuverlässigen Kanzleikraft zur Postaufgabe rechtzeitig überlassen. Daß die Rechtsvertreterin nicht auch noch die näheren Umstände der Postabfertigung überwachte, sodaß die versehentliche Belassung der Beschwerde im Akt und die sodann irrtümlich erfolgte Ablage des Aktes unbemerkt blieben, vermag ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden nicht zu begründen.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war somit stattzugeben.
II. Zur Beschwerde:
Der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer am 26. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 27. September 1991 einen Asylantrag gestellt hat, der mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Oktober 1991 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angeführten Bescheid vom 20. August 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen hat:
Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention fällt.
Gemäß Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 1 der genannten Konvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt (und demnach als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist), nicht mehr angewendet werden, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer - wie er geltend macht - als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen gewesen wäre, wäre für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, wenn dieser Ausschließungsgrund vorliegt.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich dadurch, daß er sich mit Hilfe seines Onkels von den nigerianischen Behörden am 24. April 1992 einen Reisepaß habe ausstellen lassen, wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt. Die Ausstellung eines Reisepasses stelle eine der Formen dar, in denen ein souveräner Staat seinen im Ausland weilenden Bürgern seinen Schutz angedeihen lasse. Durch die Paßantragstellung habe der Beschwerdeführer diesen Schutz begehrt und durch die Ausfolgung des Nationalreisepasses auch tatsächlich erhalten. Dafür, daß der Beschwerdeführer seinen Paßausstellungsantrag nicht freiwillig gestellt haben könnte, fehle jeglicher Hinweis.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde sich gegen die Auffassung gewandt, er habe sich durch die Beantragung und Ausstellung des Reisepasses wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt, und geltend gemacht, aus dem Umstand der Ausstellung eines Reisepasses könne nicht darauf geschlossen werden, daß dieser Staat seinen Bürgern auch tatsächlich allumfassenden Schutz gewähre. Die Ausstellung eines Reisepasses stelle lediglich einen Hinweis, nicht aber ein Kriterium dafür dar, daß der Staat bei Verfolgungsgefahr den erforderlichen Schutz vor Eingriffen in die zu schützende Sphäre des Einzelnen gewähre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon zu wiederholten Malen in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der belangten Behörde ausgeführt, daß die Ausstellung eines Reisepasses in der Regel - soferne nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird - als eine der Formen angesehen werden muß, mit denen ein Staat seinen Angehörigen Schutz gewährt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0032, und vom 2. März 1995, Zl. 94/19/0432). Der Beschwerdeführer hat weder die Erhebung eines Antrages auf Ausstellung eines Reisepasses noch die Ausstellung dieses Dokumentes selbst in Abrede gestellt. Auch, daß dies nicht freiwillig geschehen sei, hat er nicht behauptet. Der in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung des Beschwerdeführers, sich dadurch nicht unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt zu haben, kann nicht gefolgt werden. Weder der Absicht, nicht in das Heimatland zurückzukehren, noch dem behaupteten Fortbestehen von Fluchtgründen kommt bei Vorliegen dieses Ausschlußgrundes Bedeutung zu. Mit seinen ganz allgemein gehaltenen Ausführungen hinsichtlich der Frage, ob ein Staat seinen Bürgern auch tatsächlich allumfassenden Schutz gewähre, vermag der Beschwerdeführer keine in seiner Person gelegenen Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ergäbe, die Annahme der belangten Behörde, er habe sich freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt, sei unrichtig (vgl. abermals das angeführte Erkenntnis vom 25. November 1994).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Aus diesem Grund konnte auch eine Entscheidung des Berichters über den (zur hg. Zl. AW 95/01/0364 protokollierten) Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.
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