VwGH 96/19/3520

VwGH96/19/352030.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1963 geborenen AC in Linz, vertreten durch

Dr. Axel Zaglits, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schmidtorstraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1996, Zl. 110.509/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §12 idF 1995/351;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §7;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §12 idF 1995/351;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §7;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, beantragte am 31. Jänner 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. September 1994 gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995, abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 1995 wurde dieser Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 2 Abs. 1 und 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben". Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF habe die erstinstanzliche Behörde keine weiteren Bewilligungen erteilen dürfen, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, festgelegte Anzahl erreicht war. Nun sei jedoch mit Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 1023/1994, die Anzahl von Bewilligungen neu festgesetzt worden. Diese sei noch nicht ausgeschöpft. Dennoch könne von der Rechtsmittelbehörde keine Bewilligung erteilt werden, weil die Prüfung der materiellen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von der erstinstanzlichen Behörde im Hinblick auf die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegene Quotenerschöpfung nicht mehr vorgenommen worden sei. Eine solche Beurteilung sei nunmehr aber erforderlich, wobei auch eine Bewertung des Sachverhaltes im Hinblick auf andere, bei der Behörde erster Instanz noch offene Anträge erforderlich sei. Die Entscheidung, welche Anträge bevorzugt zu bewilligen seien, könne nur von dieser Behörde vorgenommen werden. Zur Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers als Partei gemäß §§ 37 ff AVG sei der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen. Die erstinstanzliche Behörde werde daher aufgrund dieses Bescheides ihr weiteres Vorgehen nach den §§ 2, 4 und 9 Abs. 3 AufG zu richten haben.

Mit Ersatzbescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. August 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 31. Jänner 1994 nunmehr gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen, weil er nicht vor der Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt worden sei. Der Beschwerdeführer erhob neuerlich Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 1996 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter anderem in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden. Dieser Bestimmung habe der Beschwerdeführer nicht Genüge getan, weil er sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung im Inland aufgehalten habe. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen. Fest stehe weiters, daß die vom Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom 19. Dezember 1995 als unbegründet abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge über einen Arbeitsplatz in Österreich. Die dadurch begründeten privaten Interessen seien den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 MRK hintanzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 3 Z. 1 und 6, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2, § 7, § 12 Abs. 1 und 4 sowie § 13 Abs. 1 und 2 AufG lauteten:

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. auf Grund allgemeiner anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

...

6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Berücksichtigung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 7. (1) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann nach Anhörung des betroffenen Landes im Falle eines kurzfristig auftretenden oder eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfes, welcher aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotential nicht abgedeckt werden kann, für einen bestimmten Zeitraum durch Verordnung festlegen, daß Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bis zu einer bestimmten Anzahl in einem Wirtschaftszweig, in einer Berufsgruppe oder in einer Region bis zu einer Laufzeit von sechs Monaten als Bewilligungen für den Fremden gelten, für welchen sie dem Arbeitgeber ausgestellt wurden.

(2) Beabsichtigt ein Fremder, für welchen eine Beschäftigungsbewilligung aufgrund einer Verordnung im Sinne des Abs. 1 ausgestellt wurde, nach Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung weiter in Österreich zu verbleiben, so kann er vor Ablauf der Geltungsdauer einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung mit der Maßgabe stellen, daß die Antragstellung auch im Inland erfolgen kann. Ein solcher Antrag ist wie ein Antrag auf erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu behandeln; er berechtigt nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

...

(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend von § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (8. November 1996) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgebend. § 4 Z. 3 und 4 dieser Verordnung lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 des Aufenthaltsgesetzes aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren und

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Heranziehung des Versagungsgrundes nach § 6 Abs. 2 AufG durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid verstoße gegen die Bindungswirkung des Bescheides vom 27. Februar 1995. Trotz der Anführung des "§ 66 Abs. 4 AVG" als Rechtsgrundlage dieses Bescheides sei er als solcher im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG zu deuten, welcher die Angelegenheit unter Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erstinstanzliche Behörde zurückverweise. Ein solcher Bescheid binde im fortgesetzten Verfahren auch die Berufungsbehörde. Im fortgesetzten Verfahren wäre daher lediglich eine Prüfung dahingehend durchzuführen gewesen, ob zur positiven Erledigung des Antrages ein Quotenplatz frei sei oder aber, ob der Antrag bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 9 Abs. 3 AufG (in seiner Fassung nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) aufzuschieben sei.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Behebung nach "§ 66 Abs. 4 AVG", die die Sache keiner endgültigen meritorischen Erledigung zuführt, sondern den Bescheid der Unterinstanz auch ohne ausdrückliche Zurückverweisung nur behebt, ihrem Wesen nach eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG. Ein solcher Bescheid hat für das weitere Verfahren die Rechtswirkung, daß die unterinstanzliche Behörde an die Rechtsansicht, von der die Berufungsbehörde ausgegangen ist, gebunden ist; aber auch die Berufungsbehörde, die nach § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben hat, ist an ihre Rechtsmeinung gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1988, Zl. 87/08/0289).

Damit ist jedoch für den Beschwerdeführer - unabhängig von der Frage der inzwischen eingetretenen Änderung der Rechtslage (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis) - nichts gewonnen. Lediglich die Mißachtung der in einem Bescheid nach § 66 Abs. 2 AVG verbindlich geäußerten, die Behebung tragenden Rechtsanschauung belastet einen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1987, Zl. 87/10/0051). Die verbindliche Äußerung einer Rechtsansicht, der Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG sei im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben, ist dem Bescheid vom 27. Februar 1995 aber nicht zu entnehmen. Daran vermag auch die Ausführung in der Bescheidbegründung nichts zu ändern, die erstinstanzliche Behörde werde ihr weiteres Vorgehen nach den §§ 2, 4 und 9 Abs. 3 AufG zu richten haben, setzt doch die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AufG im Wege einer Ermessensentscheidung nicht bloß das Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG, sondern auch die Einhaltung der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG voraus. Daß die belangte Behörde im Bescheid vom 27. Februar 1995 der erstinstanzlichen Behörde keinesfalls die Rechtsansicht überbinden wollte, weitere Versagungsgründe lägen nicht vor, erhellt auch aus den Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides, wonach die erstinstanzliche Behörde die Prüfung der materiellen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Hinblick auf die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegene Quotenerschöpfung nicht vorgenommen habe.

Die im Bescheid vom 27. Februar 1995 verbindlich geäußerte, die Behebung tragende Rechtsanschauung beschränkte sich somit darauf, daß der Versagungsgrund des § 9 Abs. 3 AufG aF im Hinblick auf die Neueröffnung einer Quote für das Jahr 1995 im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides nicht mehr vorlag. Die Bindungswirkung dieses Bescheides stand daher einer Prüfung der sonstigen materiellen Voraussetzungen, also auch der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG im zweiten Rechtsgang nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme des angefochtenen Bescheides, er habe sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Er bringt vor, er sei am 1. Dezember 1990 rechtmäßig sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. November 1993 abgewiesen worden. Kurz nach Zustellung dieses Bescheides habe er den gegenständlichen Antrag eingebracht. Der Bescheid vom 5. November 1993 sei in der Folge über Beschwerde des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden. Im zweiten Rechtsgang sei der Asylantrag neuerlich abgewiesen worden. Eine dagegen erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1995 als unbegründet abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer verfügte nie über eine Aufenthaltsbewilligung. Selbst wenn er bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nach dem AsylG 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen sein sollte, käme eine Verlängerung einer solchen Berechtigung durch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften nicht in Betracht, wie aus der Bestimmung des § 13 Abs. 2 AufG unzweifelhaft hervorgeht.

Für die Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers war daher § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich. Eine - vom Beschwerdeführer behauptete - gegenteilige Behördenpraxis aufgrund entsprechender Rundschreiben der belangten Behörde in Ansehung von Antragstellern, die vor dem 1. Jänner 1993 eingereist sind, vermag den Verwaltungsgerichtshof nicht zu binden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Mit der Behauptung des Beschwerdeführers, die mit der gegenständlichen Angelegenheit befaßten Behörden, insbesondere jene erster Instanz, hätten gegen die Entscheidungspflicht des § 73 AVG verstoßen, vermag er schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil schon im Zeitpunkt der Antragseinbringung die Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG nicht gegeben war. Eine allfällige Verzögerung der Erledigung dieses Antrages durch die Aufenthaltsbehörden wäre daher für das Vorliegen des gebrauchten Versagungsgrundes keinesfalls ursächlich.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Verstoß gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der von ihr vorgenommenen Beurteilung nach Art. 8 MRK vor. Überdies hätten es die Verwaltungsbehörden unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unter Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs durchzuführen. Bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel wäre hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer über eine am 20. September 1995 ausgestellte Arbeitserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer bis 19. September 1997 verfüge und er daher im österreichischen Arbeitsmarkt integriert sei. Rechtlich leitet der Beschwerdeführer daraus ab, er sei jedenfalls zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt, weil eine sachliche Rechtfertigung für eine diesbezüglich unterschiedliche Behandlung zwischen Personen, die sich während des letztlich negativ beendeten Asylverfahrens im Inland aufhielten, einerseits und Flüchtlingen, die des Asyls verlustig gerieten, Fremden, die die Frist für die rechtzeitige Stellung eines Verlängerungsantrages versäumten, kurzfristig Beschäftigten gemäß § 7 AufG und bosnischen Kriegsvertriebenen gemäß § 12 AufG, andererseits, nicht zu erkennen sei.

Auf § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen, weil nach dieser Bestimmung nur solche Personen, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt ist, zur Antragstellung im Inland berechtigt sind, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Darunter ist die in § 1 Abs. 1 AufG genannte Bewilligung zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2356, 2357). Eine solche hatte der Beschwerdeführer jedoch nicht.

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf seine durch Art. 8 MRK geschützten Interessen in Österreich beruft, ist ihm zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bereits auf die privaten (und familiären) Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt waren, Bedacht genommen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996).

Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung nur auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines gedachten, durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung persönlicher Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/0593).

Da die oben geschilderte Gefahr der Umgehung von Einwanderungsvorschriften im Falle einer berechtigten Asylantragstellung ebensowenig besteht, wie bei kurzfristig Beschäftigten (§ 7 AufG), Kriegsflüchtlingen (§ 12 AufG) und Fremden, die die Frist für die rechtzeitige Stellung eines Verlängerungsantrages versäumten, bestehen auch keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahin, daß die unterschiedliche Behandlung solcher Fremder in Ansehung des Rechtes zur Inlandsantragstellung unsachlich wäre und damit gegen das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander verstieße. Ebensowenig ist das Vertrauen eines vor dem 1. Juli 1993 eingereisten Asylwerbers darauf, nach Abweisung seines Asylantrages vom Inland aus einen Antrag auf Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung stellen zu können, verfassungsrechtlich geschützt.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, bei Vermeidung der oben angeführten Verfahrensmängel wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, er erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 des aufgrund des Abkommens zwischen der EWG und der Türkei zur Gründung einer Assoziation vom 12. September 1963 eingerichteten Assoziationsrates. Dies habe zur Folge, daß er unmittelbar aufgrund dieses Assoziationsratsbeschlusses in Österreich aufenthaltsberechtigt sei. Er benötige daher gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG keine Aufenthaltsbewilligung. Die Aufenthaltsbehörden seien für die Erledigung seines Antrages daher unzuständig gewesen.

Damit beruft sich der Beschwerdeführer auf ein ihm als türkischem Staatsbürger behauptetermaßen zustehendes Recht aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424). Ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG stünde ihm unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein allenfalls danach bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Andererseits zeigt schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549). Da der Beschwerdeführer ausdrücklich die Erteilung einer Aufenthaltbewilligung beantragte, waren für die Behandlung dieses Antrages auch die Aufenthaltsbehörden zuständig.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß der Beschwerdeführer auch dann, wenn er die Voraussetzungen des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 erfüllte, nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 fiele, weil ihm die Niederlassungsfreiheit aufgrund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union, nicht jedoch aufgrund "eines Staatsvertrages" zukäme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2713).

Da die Abweisung des gegenständlichen Antrages aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, erübrigt es sich, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dem von der belangten Behörde alternativ herangezogenen Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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