VwGH 96/19/2713

VwGH96/19/271319.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der 1976 geborenen MG in W, vertreten durch

DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1996, Zl. 116.125/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, verfügte über einen Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 1. April 1995 bis 26. Juni 1995. Mit ihrer von ihrem Ehegatten am 12. Mai 1995 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg überreichten Eingabe beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. Mai 1995 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch kein Grund für die Annahme bestehe, daß sie sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Ausland befunden habe.

In ihrer am 2. Juni 1995 bei der erstinstanzlichen Behörde überreichten Berufung bringt die Beschwerdeführerin vor, sie halte sich mit einem Touristensichtvermerk im Bundesgebiet auf. Ihr Ehegatte wolle sie nicht wieder in die Türkei "zurückschicken".

Mit Bescheid vom 8. Juli 1996 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Die Beschwerdeführerin sei, wie sich aus ihren eigenen Angaben ableiten lasse, mit Touristensichtvermerk eingereist. Ihr Ehegatte wolle sie nicht in die Türkei zurückkehren lassen. Sie wolle daher ihren mit einer Einreise aufgrund eines Touristensichtvermerkes begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern. Es liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Eine auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben dar.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Ehegatte sei ein Staatsangehöriger der Türkei, welcher die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates erfülle. Sie sei daher einem EWR-Bürger gleichgestellt. Zur Behandlung ihres Antrages in erster Instanz sei nicht der Landeshauptmann von Wien, sondern die Bundespolizeidirektion Wien zuständig gewesen.

Dieser Auffassung ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin ausdrücklich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragte. Über einen derartigen Antrag entscheidet gemäß § 6 Abs. 4 AufG der nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landeshauptmann (hier: von Wien).

Die Beschwerdeführerin erklärt in ihrer Beschwerde, die Feststellungen der belangte Behörde zu bestreiten, und vertritt die Auffassung, sie sei aufgrund des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses aufenthaltsberechtigt und es liege kein "illegaler Aufenthalt" vor; auch eine rechtskräftige Bestrafung durch die Fremdenpolizeibehörde sei nicht erfolgt.

Diese Ausführungen erscheinen jedoch nicht ausreichend substantiiert, um daraus die Behauptung ableiten zu können, die Beschwerdeführerin sei nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes wieder ausgereist und habe sich - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - nicht mehr im Inland aufgehalten.

Auf Basis der insofern unbestritten gebliebenen Bescheidfeststellung, die Beschwerdeführerin habe sich im Anschluß an ihre Einreise mit einem Touristensichtvermerk im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufgehalten, ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0534).

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ein ihr als türkischer Staatsbürgerin behauptetermaßen zustehendes Recht aufgrund des vorzitierten Assoziationsratsbeschlusses, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424) beruft, stünde ihr ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Andererseits zeigt schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher war die Frage, ob der Beschwerdeführerin eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549).

Der - allenfalls aus dem Grunde des Art. 7 des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses denkmögliche - Erwerb eines Aufenthaltsrechtes nach dieser Rechtsnorm der Europäischen Gemeinschaft würde voraussetzen, daß der der Beschwerdeführerin erteilte Touristensichtvermerk als Genehmigung, zu ihrem Ehegatten zu ziehen, aufgefaßt werden könnte (vgl. zum Nichtvorliegen dieser Voraussetzung bei einem zu Besuchszwecken ausgestellten Sichtvermerk das hg. Erkenntnis vom 7. November 1997, Zl. 96/19/0962).

Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Eine Verlängerung im System des Aufenthaltsgesetzes ist nur zulässig, wenn eine Bewilligung im Sinne dieses Gesetzes vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Selbst wenn man einen Touristensichtvermerk als nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft relevante mitgliedstaatliche Genehmigung im Sinne des Art. 7 des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses ansehen wollte, wäre ein solcher Touristensichtvermerk einer Verlängerung durch die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht zugänglich.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897, darlegte, waren türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses erfüllen, also gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union aufenthaltsberechtigt sind, von der Regelung des § 3 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, nicht umfaßt und daher auch nicht zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt. Diese Überlegung hat auch für die gleichlautende - hier anzuwendende - Bestimmung des § 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, zu gelten.

Der behauptete Erwerb eines Aufenthaltsrechtes nach dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß böte daher auch keine Rechtsgrundlage dafür, der Beschwerdeführerin eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erteilen, obwohl sie sich nach einer mit Touristensichtvermerk erfolgten Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das zu einem allfälligen Erwerb eines solchen Aufenthaltsrechtes nach Einreise ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/1469).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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