VwGH 97/16/0166

VwGH97/16/016626.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über den Antrag 1. der C Holding GmbH in W und

2. der C Beteiligungs GmbH in W, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Unterlassung der Mängelbehebung in den hg. Beschwerdeverfahren zu 1. Zl. 96/16/0277, und zu

2. Zl. 96/16/0278, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z2 idF 1989/660;
GmbHG §76;
KVG 1934 §21 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z2 idF 1989/660;
GmbHG §76;
KVG 1934 §21 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Den Anträgen wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschlüssen vom 27. Februar 1997, zu 1. Zl. 96/16/0277-5, und zu 2. Zl. 96/16/0278-5, stellte der Verwaltungsgerichtshof in den Beschwerdesachen der Beschwerdeführerinnen gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Mai 1995, zu 1. Zl. GA 9-853/93, und zu

2. Zl. GA 9-853/1/93, betreffend Börsenumsatzsteuer und Rechtsgebühren die verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ein. Die Beschwerdeführerinnen waren unter Fristsetzung von drei Wochen aufgefordert worden, diverse, ihren vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden anhaftende Mängel zu beheben. In diesem Zusammenhang wurde den Beschwerdeführerinnen ausdrücklich aufgetragen, je einen ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Die Beschwerdeführerinnen brachten dagegen einen "ergänzenden Schriftsatz" je nur in zweifacher Ausfertigung ein.

Fristgerecht nach Zustellung der Beschlüsse vom 27. Februar 1997 beantragten die Beschwerdeführerinnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG und legten die dritte Ausfertigung der Beschwerdeergänzungen nachträglich vor. In den Wiedereinsetzungsanträgen wurde jeweils vorgebracht, es sei zuzugestehen, daß es sich bei der Nichtvorlage der dritten Ausfertigung der Beschwerdeergänzung nicht bloß um ein Versehen der Kanzleikraft der Anwälte gehandelt habe, sondern um ein von den Anwälten selbst zu vertretendes Versehen. Schon aus dem Rubrum sei für den die Eingabe unterfertigten Anwalt erkennbar gewesen, daß die Eingabe nur in zweifacher Ausfertigung errichtet gewesen sei. Der Verbesserungsauftrag habe an sich aber nur die Verbesserung inhaltlicher Mängel und somit nicht das Fehlen einer zusätzlichen Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde betroffen. Hinsichtlich der Anzahl der Ausfertigungen der Beschwerde hätte ein Mängelbehebungsauftrag im eigentlichen Sinn nicht erteilt werden können, weil ein Mangel gar nicht vorgelegen sei, denn die Beschwerde sei eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde mit dem Eventualantrag auf Überweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof gewesen. Die bei Erledigung des Verbesserungsauftrages gebotene besondere Aufmerksamkeit der Anwälte auf eine richtige und vollständige Verbesserung habe sich daher nur auf die Verbesserung jener - inhaltlichen - Mängel der Beschwerde zu richten, zu deren Behebung der Gerichtshof aufgefordert habe. Die Mängelbehebungsverfügung des Verwaltungsgerichtshofes habe zwar auch den Hinweis enthalten, daß die Mängelbehebung in einem in dreifacher Ausfertigung vorzulegenden Schriftsatz zu erfolgen habe. Dieser Hinweis habe sich aber unglücklicherweise auf der zweiten Seite der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes befunden, während die Verbesserungsaufträge selbst vollständig auf der ersten Seite angeführt gewesen seien. Die erste Seite habe mit dem Satz geendet "Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von drei Wochen vom Tag der Zustellung dieser Zuschrift an gerechnet, bestimmt". Bei flüchtiger Kontrolle des Aktes anläßlich der Unterfertigung der Eingabe habe daher der Eindruck entstehen können, daß damit die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt geendet habe. Infolge Urlaubs zweier Kollegen der Sozietät der Anwaltskanzlei sei der Anwalt, der die Eingabe unterfertigt habe, als zu diesem Zeitpunkt einzig anwesender Anwalt stark belastet gewesen. Es habe unter diesen Umständen keine grobe Fahrlässigkeit bedeutet, wenn er sich darauf verlassen habe, daß der viele Jahre in der Kanzlei tätige und für diese Angelegenheit zuständige Mitarbeiter auch die Einhaltung der Formvorschriften bei der Verfassung dieser Eingabe geprüft habe. Im übrigen wurde im Wiedereinsetzungsantrag geltend gemacht, daß die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages eine besondere Härte wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Grund ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/03/0236, 0237, entschieden, ein Rechtsanwalt, der einen fehlerhaften Vermerk betreffend die Anzahl der Ausfertigungen eines Schriftsatzes anläßlich der Unterfertigung dieses Schriftsatzes nicht wahrnehme, habe ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden, zu vertreten, das zufolge § 46 Abs. 1 VwGG der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegenstehe. Nach einem weiteren Beschluß vom 10. Oktober 1996, Zl. 96/15/0191, war dem damaligen Beschwerdevertreter als eigenes über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, er habe anläßlich der Unterfertigung des von seinem Mitarbeiter vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht wahrgenommen, daß vom Verwaltungsgerichtshof drei und nicht bloß zwei Ausfertigungen verlangt worden waren.

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur liegt auch im vorliegenden Verfahren ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vor. Die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden wurden antragsgemäß von dort dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Bei diesen beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerden waren die Vorschriften über die Form und den Inhalt der Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht eingehalten. Mit den Mängelbehebungsaufträgen nach § 34 Abs. 2 VwGG wurde die Verbesserung sämtlicher den Beschwerden anhaftende Mängel aufgetragen. Mit den Verfügungen vom 12. Dezember 1996 hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich und unmißverständlich den Auftrag erteilt, die ergänzenden Schriftsätze in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Wenn nun vorgebracht wird, die bei der Erledigung des "Verbesserungsauftrages" gebotene besondere Aufmerksamkeit auf eine richtige und vollständige Verbesserung habe sich nur auf die Verbesserung jener inhaltlichen Mängel der Beschwerden zu richten, zu deren Behebung vom Gerichtshof aufgefordert worden war, dann kann diesem Argument nicht gefolgt werden. Die Aufmerksamkeit bei einem Verbesserungsauftrag hat sich nicht nur auf die Verbesserung der inhaltlichen Mängel, sondern auf die Erfüllung des gesamten Mängelbehebungsauftrages zu konzentrieren, dazu gehört z.B. auch die Einhaltung der Fristen und die Vorlage der ausdrücklich angeführten Anzahl der Ausfertigungen des Verbesserungsschriftsatzes, bei dem es sich ja um eine inhaltliche Ergänzung der Beschwerdeschrift handelt und der demnach in ebensovielen Ausfertigungen vorliegen muß, wie die Beschwerde selbst.

Das Gegebensein eines minderen Grades des Versehens kann auch nicht damit begründet werden, daß nach Darstellung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Hinweis, die Mängelbehebung habe in einem in dreifacher Ausfertigung vorzulegenden Schriftsatz zu erfolgen, sich auf der zweiten Seite der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes befunden habe, während die Verbesserungsaufträge selbst vollständig auf der ersten Seite angeführt seien, so daß bei flüchtiger Kontrolle des Aktes anläßlich der Unterfertigung der Eingabe der Eindruck entstehen habe können, die gesamte Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes habe mit der ersten Seite geendet. Die an die Antragsteller ergangenen Verfügungen des Verwaltungsgerichtshofes haben nämlich unter anderem mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen zu versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Schriftstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist (§ 18 AVG). Ermangelt ein Schriftstück der Unterschrift oder der Beglaubigung, so kann ihm eine rechtliche Verbindlichkeit nicht zukommen (vgl. VwSlg. 2454/A und 5423/F). Dem die ergänzenden Schriftsätze verfassenden Mitarbeiter sowie dem unterfertigenden Anwalt mußte auch bei nur oberflächlichem Durchlesen des Mängelbehebungsauftrages ohne weiteres erkennbar sein, daß die in Rede stehenden Verfügungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht mit der ersten Seite enden konnten, weil andernfalls nicht rechtsverbindliche Erledigungen des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegen wären und den in diesen Erledigungen getroffenen Anordnungen ohne Rechtsnachteil nicht nachzukommen gewesen wäre. Ein nicht vollständiges Lesen der in Rede stehenden Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes und die in diesem Zusammenhang eingestandene "flüchtige Kontrolle des Aktes" zeigt ein auffallend sorgloses Verhalten.

Weiters ist darauf hinzuweisen, daß die Behauptung beruflicher Überlastung ebenfalls nicht hinreicht, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen (vgl. Beschluß vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0225).

Wenn überdies vorgebracht wird, der unterfertigende Rechtsanwalt habe sich darauf verlassen, daß der viele Jahre in der Kanzlei tätige Mitarbeiter auch die Einhaltung der Formvorschriften bei der Verfassung der Beschwerdeergänzung geprüft habe, dann gesteht er ein, eine Kontrolle überhaupt nicht vorgenommen zu haben.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerinnen nicht durch ein bloß leicht fahrlässig herbeigeführtes Ereignis an der gesetzmäßigen Verbesserung der Beschwerde gehindert waren. Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.

Insoweit schließlich die Wiedereinsetzungswerber ins Treffen führen, daß die Abweisung ihrer Anträge eine besondere Härte wäre, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Billigkeitserwägungen bei der Beurteilung des Vorliegens von Wiedereinsetzungsgründen nicht anzustellen sind. Dazu kommt, daß beiden Beschwerden auch in der Sache selbst ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen wäre. In den eingestellten Beschwerdeverfahren war nämlich die Einbeziehung einer übernommenen Haftung bei gleichzeitiger Existenz eines Regreßanspruches für den Fall der Inanspruchnahme der Haftung in die börsenumsatzsteuerrechtliche und gebührenrechtliche Bemessungsgrundlage strittig. Zu dieser Rechtsfrage wird auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1997, Zlen. 96/16/0040, 0041, und Zl. 96/16/0046 (und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur) verwiesen. In diesen Beschwerdefällen war die Verpflichtung zur Haftungsübernahme als Teil des Entgelts in die Bemessungsgrundlage der in Rede stehenden Abgaben einbezogen worden. Da zum Entgelt alle jene Leistungen gehören, die der Erwerber der Anteile dafür - gleichgültig, an wen auch immer - zu erbringen hat, um diese zu erhalten, und es dabei nicht darauf ankommt, ob und in welchem Ausmaß dem Abtretenden bzw. einem Dritten die vereinbarte Leistung tatsächlich zukommt, kann auch dem Bestehen eines Regreßanspruches (bei dem ebenfalls immer der Fall deutlicher ist, daß er gar nicht einbringlich gemacht werden kann) für den Fall der Inanspruchnahme der Haftung keine Relevanz zukommen, so daß die Einbeziehung des vollen Haftungsbetrages in die Bemessungsgrundlage auch in einem solchen Fall nicht rechtswidrig ist. Die in den Wiedereinsetzungsanträgen geäußerte Befürchtung einer Schadenersatzpflicht der Rechtsanwälte der Beschwerdeführerinnen ist daher sachlich nicht begründet.

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