VwGH 97/11/0062

VwGH97/11/006222.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerden des T in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 19. August 1996, Zl. 775.045/1-2.7/96, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes (hg. Zl. 97/11/0062), und 2. den Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 5. November 1996, Zl. N/63/04/02/86, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 97/11/0063), zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1978 §37 Abs2 litb impl;
WehrG 1990 §35;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb impl;
WehrG 1990 §35;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid wurde der Antrag des (im Jahr 1963 geborenen) Beschwerdeführers vom 18. Februar 1996 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 (WG) abgewiesen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes (in der Dauer von vier Monaten und 21 Tagen) ab 10. Jänner 1997 einberufen.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der mit den Beschlüssen vom 25. Februar 1997, B 3313/96-5 und B 4945/96-5, ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. In der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zur Beschwerde Zl. 97/11/0062:

Die belangte Behörde ging im erstangefochtenen Bescheid davon aus, daß sich der Beschwerdeführer am 1. Juli 1981 der Stellung unterzogen habe und für tauglich befunden worden sei. Vom 1. April bis 9. Juli 1982 habe er den Grundwehrdienst geleistet, aus dem er mit Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 6. Juli 1982 gemäß § 40 Abs. 5 lit. b in Verbindung mit § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 wegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen entlassen worden sei, weil sein Vater in seinem Rauchfangkehrerbetrieb der Unterstützung des Beschwerdeführers bedurft habe. Mit Bescheid vom 26. Februar 1996 sei festgestellt worden, daß der Bescheid vom 6. Juli 1982 seine Wirksamkeit verloren habe, weil der Beschwerdeführer aus dem Betrieb seines Vaters ausgeschieden sei und im Februar 1995 einen eigenen Betrieb gegründet habe. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe durch die Errichtung eines eigenen Unternehmens vor der Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes die Obliegenheit, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, daß die Erfüllung der ihn treffenden Präsenzdienstpflicht nicht erschwert oder unmöglich gemacht wird, verletzt. Damit fehle den aus der behaupteten Unabkömmlichkeit vom Unternehmen abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen die besondere Rücksichtswürdigkeit. Eine zwingende Notwendigkeit, vor der Leistung des restlichen Grundwehrdienstes im Februar 1995 ein Ofenfachgeschäft zu eröffnen, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet und sei für die belangte Behörde auch nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, er habe im erstinstanzlichen Verfahren im Schreiben vom 18. Februar 1996 behauptet, die rasche Gründung einer eigenen Firma habe der Bestreitung seines künftigen Lebensunterhaltes gedient. Deshalb sei die Begründung des angefochtenen Bescheides aktenwidrig. Die belangte Behörde hätte aufgrund seiner Ausführungen ein Ermittlungsverfahren betreffend die Notwendigkeit der Eröffnung eines eigenen Ofenfachgeschäftes durch den Beschwerdeführer durchführen müssen.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, daß für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden, nicht aber, daß durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (siehe dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0353, mwN). Dies gilt auch dann, wenn ein Wehrpflichtiger - wie im vorliegenden Fall - vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/11/0100). Auch in einem solchen Fall darf der Wehrpflichtige nicht darauf vertrauen, zur Leistung des restlichen Präsenzdienstes nicht mehr herangezogen zu werden. Der Beschwerdeführer mußte damit rechnen, nach dem Wegfall des Grundes für seine vorzeitige Entlassung aus dem Präsenzdienst neuerlich einberufen zu werden. Es wäre ihm möglich und zumutbar gewesen, vor einer derartig entscheidenden wirtschaftlichen Disposition, wie sie die Gründung eines Unternehmens darstellt, zumindest zu versuchen, seiner Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zur Gänze nachzukommen (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 29. Jänner 1991). Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß er derartiges vor der Gründung seines Unternehmens im Februar 1995 versucht hätte. Auch aus der Aktenlage - der Verfassungsgerichtshof hat anläßlich der Abtretung der Beschwerde die Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt - ergibt sich dafür kein Anhaltspunkt.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, zur Sicherung seines Lebensunterhaltes das Unternehmen gegründet zu haben, ist zu erwidern, daß sich seinem Schreiben vom 18. Februar 1996 kein zwingender Grund für die Eröffnung des Unternehmens vor der Erfüllung der ihn treffenden Präsenzdienstpflicht entnehmen läßt. Mit seiner Behauptung, er sei aufgrund familiärer und betrieblicher Probleme mit seinem Vater gezwungen gewesen, dessen Betrieb zu verlassen, und habe rasch ein eigenes Unternehmen gegründet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zeigt er nicht auf, warum er mit der Errichtung des Unternehmens nicht bis zur Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes hätte zuwarten können. Bereits im erstinstanzlichen Bescheid wurde ihm die Verletzung der oben dargestellten Harmonisierungspflicht vorgeworfen. Dem ist er in der Berufung nicht konkret entgegengetreten. Die belangte Behörde hat demnach ohne Verkennung der Rechtslage und ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften die besondere Rücksichtswürdigkeit der vom Beschwerdeführer behaupteten wirtschaftlichen Interessen an seiner Befreiung verneint. Im übrigen enthält auch die vorliegende Beschwerde kein Vorbringen, das die Notwendigkeit für die Errichtung eines eigenen Unternehmens vor der Erfüllung der Pflicht zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes erkennen ließe.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Zur Beschwerde Zl. 97/11/0063:

Der Beschwerdeführer verweist in dieser Beschwerde auf seine Ausführungen in der zu Zl. 97/11/0062 protokollierten Beschwerde und meint, der zweitangefochtene Bescheid beruhe auf dem mangelhaften erstangefochtenen Bescheid. Er rügt außerdem, daß kein Ermittlungsverfahren stattgefunden habe und dem angefochtenen Einberufungsbefehl nicht zu entnehmen sei, von welchen Sachverhaltsannahmen die belangte Behörde ausgegangen sei.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der erst ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem die Befreiung von der Präsenzdienstpflicht ausgesprochen wurde, der Erlassung eines Einberufungsbefehles entgegensteht (siehe das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0253, mwN). Da ein derartiger Befreiungsbescheid nicht vorlag, war die Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtswidrig. Das Vorliegen von Gründen für eine Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, ein anhängiges Verwaltungsverfahren über einen Befreiungsantrag oder die Erhebung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegen einen die Befreiung versagenden rechtskräftigen Bescheid ändert nichts an der Zulässigkeit der Einberufung. Vor der Erlassung des Einberufungsbefehles brauchte die Militärbehörde demnach keine Ermittlungen betreffend das Vorliegen von Befreiungsgründen durchzuführen. Im Einberufungsbefehl sind demnach Sachverhaltsfeststellungen über die im Befreiungsantrag geltend gemachten Umstände entbehrlich, weshalb die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrens- und Begründungsmängel nicht vorliegen.

Da somit der Inhalt der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war auch diese Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung dieser Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

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