VwGH 96/10/0003

VwGH96/10/00034.11.1996

Der Verwaltungsgerichshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der Mag.pharm. L in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. November 1995, Zl. 262.253/7-II/A/4/95, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag.pharm. R in S, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, 2. Dr. W in W, 3. Dr. E in W und

4. Dr. J in W, alle vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §10;
ApG 1907 §15 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs4;
ApG 1907 §29 Abs5;
ApG 1907 §46 Abs2;
ApG 1907 §48 Abs2;
ApG 1907 §51 Abs3;
AVG §39 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
ApG 1907 §10;
ApG 1907 §15 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs4;
ApG 1907 §29 Abs5;
ApG 1907 §46 Abs2;
ApG 1907 §48 Abs2;
ApG 1907 §51 Abs3;
AVG §39 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat an Aufwendungen dem Bund S 4.565,--, dem Erstmitbeteiligten S 2.740,-- und dem Zweitbis Viertmitbeteiligten insgesamt S 10.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles, die bereits Gegenstand der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1992, Zl. 87/08/0089, vom 18. Mai 1992, Zl. 90/10/0101, vom 26. September 1994, Zl. 94/10/0093, vom 29. März 1995, Zlen. 95/10/0001, 95/10/0013, 95/10/0030, 95/10/0031, und vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0016, sowie des Beschlusses vom 29. März 1995, Zl. 94/10/0189, war, ist unter Hinweis auf die Gründe der genannten Entscheidungen wie folgt zusammenzufassen:

Die Beschwerdeführerin hatte am 26. Mai 1993 beim Landeshauptmann von Tirol beantragt, ihr die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. im sogenannten "verkürzten Verfahren" gemäß § 46 Abs. 2 ApG zu erteilen. Sie verwies auf die Erklärung des Mag. G., die ihm mit Bescheid vom 27. Februar 1987 erteilte Konzession unter der Bedingung der Erteilung dieser Konzession an die Beschwerdeführerin zurückzulegen. Dr. U. hatte am 8. Oktober 1993 (ebenfalls) die Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. im verkürzten Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG beantragt. Er leitete seine Berechtigung (wenigstens mittelbar) ebenfalls aus einer Erklärung des Mag. G. ab.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 1993 hatte der Landeshauptmann von Tirol der Beschwerdeführerin die beantragte Konzession nach Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 46 Abs. 2 ApG erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob Dr. U. Berufung. Er machte (sinngemäß) Ermittlungsfehler im Zusammenhang mit der Frage geltend, auf wen das Apothekenunternehmen im Sinne des § 15 ApG übergegangen sei.

Mit Bescheid vom 25. November 1994 hatte die belangte Behörde der Berufung des Dr. U. Folge gegeben und den Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Mit demselben Bescheid war im Instanzenzug auch der Konzessionsantrag des Dr. U. abgewiesen worden.

Mit Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0016, hatte der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 1994, soweit damit in Stattgebung der Berufung des Dr. U. der Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses hatte der Gerichtshof (zusammengefaßt) unter anderem dargelegt, sowohl die Beschwerdeführerin als auch Dr. U. leiteten ihre Berechtigung zur Erlangung der Konzession nicht etwa aus einem Lokalbedarf im Sinne des § 10 ApG ab. Sie behaupteten vielmehr einen Anspruch auf Erteilung der Konzession auf Grund eines Rechtserwerbes, der sich aus einem Rechtsnachfolgeverhältnis im Sinne des § 15 ApG ableite. Demgemäß seien ihre Anträge ausdrücklich auf die Erteilung der Konzession in einem nach der Vorschrift des § 46 Abs. 2 ApG abgewickelten Verfahren gerichtet. Die behauptete Zurücklegung der Konzession durch Mag. G. stelle jedoch aus den im Beschluß vom 29. März 1995, Zl. 94/10/0189, näher dargelegten Gründen keinen dem § 15 ApG zu subsumierenden Vorgang dar. Dem Dr. U. käme somit keine rechtliche Position zu, die ihm einen Anspruch auf Erteilung der Konzession im verkürzten Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG hätte vermitteln können. Es fehle daher ein Recht oder rechtliches Interesse, auf dessen Grundlage dem Dr. U. Parteistellung und Berufungsberechtigung im verkürzten Verfahren über den Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin zugekommen wäre. Mangels eines eigenen Anspruches auf Erteilung der Konzession im verkürzten Verfahren käme dem Dr. U. auch kein Recht auf Unterbleiben der (im Ergebnis rechtswidrigen) Konzessionserteilung an die Beschwerdeführerin im verkürzten Verfahren zu. Dr. U. zähle auch nicht zum Personenkreis des § 48 Abs. 2 iVm § 51 Abs. 3 ApG; seine Berufungsberechtigung könne daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, daß dem erwähnten Personenkreis angehörende "Nachbarapotheker" geltend machen könnten, es sei zu Unrecht das verkürzte Verfahren angewendet worden und demzufolge ihre Beiziehung als Parteien unterblieben. Dem Dr. U. habe somit die Berechtigung zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes gefehlt. Die belangte Behörde sei daher nicht berechtigt gewesen, über diese Berufung eine Sachentscheidung zu treffen; vielmehr hätte sie die Berufung zurückweisen müssen.

Mit dem (Ersatz-)Bescheid vom 27. Juni 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Dr. U. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Oktober 1993 als unzulässig zurück.

Am 14. Juni 1995 erhob der erstmitbeteiligte Mag. Sch. (der Inhaber der öffentlichen Apotheke in Sch.) Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Oktober 1993. Am 22. August 1995 erhoben die weiteren Mitbeteiligten (hausapothekenführende Ärzte in W.) Berufung gegen diesen Bescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. November 1995 gab die belangte Behörde den Berufungen Folge und hob den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Oktober 1993 auf. Begründend vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges im wesentlichen die Auffassung, bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht beachtet worden, daß die Voraussetzungen des verkürzten Verfahrens nach § 46 Abs. 2 ApG nicht vorgelegen seien. Die Berufungswerber seien als übergangene Parteien berechtigt, diesen Umstand geltend zu machen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Errichtung und Betrieb einer öffentlichen Apotheke auf Grund der erteilten Konzession sowie im Recht auf "Weiterführung einer Apotheke im Rechtssinn durch Gründung und Eröffnung eines Apothekenunternehmens" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Der Erstmitbeteiligte sowie der Zweit- bis Viertmitbeteiligte erstatteten Gegenschriften, in denen ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe die Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes vom 6. Oktober 1993 nicht beachtet. Die in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes und insbesondere im Beschluß vom 29. März 1995, Zl. 94/10/0189, dargelegten Rechtsansichten seien neue rechtliche Erwägungen, die die Rechtskraft des erwähnten Bescheides nicht durchbrechen könnten. Dieser Bescheid sei im verkürzten Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG ergangen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe der Beschwerdeführerin die zu ihren Gunsten zurückgelegte Konzession nur im Wege des verkürzten Verfahrens erteilt werden können. Jede andere Vorgangsweise der Behörde, insbesondere eine neuerliche Prüfung des Bedarfes, wäre damals unrichtig und anfechtbar gewesen. Der Bescheid vom 6. Oktober 1993 sei seit 22. Oktober 1993 formell und materiell rechtskräftig. Er sei nach dem damaligen Verständnis des Inhaltes von § 46 Abs. 2 ApG auch allen Parteien zugestellt worden.

Soweit sich die Beschwerde auf die Rechtskraft des Bescheides vom 6. Oktober 1993 bezieht, läßt sie außer acht, daß die Bescheidwirkungen nur in bestimmten objektiven und subjektiven Grenzen eintreten. Sie erstrecken sich nicht auf Personen, die als Parteien beizuziehen gewesen wären, aber übergangen wurden (vgl. die bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 485, referierte Rechtsprechung). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Vorerkenntnis vom 24. April 1995 dargelegt, daß einem "Nachbarapotheker" - gleiches gilt für hausapothekenführende Ärzte, die dem in § 48 Abs. 2 iVm § 29 Abs. 4 und 5 ApG umschriebenen Personenkreis angehören - die durch das Gesetz eingeräumte Stellung als Partei eines Konzessionsverfahrens nicht dadurch entzogen werden kann, daß die Behörde zu Unrecht das verkürzte Verfahren angewendet hat. Die Parteistellung hängt nämlich - wie beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bei vergleichbarer Verfahrenskonstellation, nämlich im Zusammenhang mit der Frage, ob bei der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke das "ordentliche Verfahren" im Sinne des § 53 Abs. 1 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, oder das "verkürzte Verfahren" im Sinne des § 53 Abs. 2 leg. cit. anzuwenden gewesen wäre, ausgesprochen haben (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1968, Slg. 5834, und des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1952, Slg. 2498, und vom 23. April 1959, Slg. 4949) - davon ab, welche Verfahrensvorschriften die Behörde zu beachten hatte, und nicht davon, nach welchen sie tatsächlich vorgegangen ist. Daraus ergibt sich im Fall einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, daß jene Personen, bei denen eine Berührung in der durch § 48 Abs. 2 iVm § 51 Abs. 3 ApG eingeräumten Rechtsposition in Betracht kommt, in einem Verfahren, das über einen auf § 46 Abs. 2 ApG gestützten Antrag eingeleitet wurde, geltend machen können, es liege kein Sachverhalt vor, der Grundlage für die Erteilung einer Konzession im verkürzten Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG sein könne. Die Regelung des § 46 Abs. 2 iVm § 15 ApG bedeutet nämlich eine Ausnahme von dem aus § 10 ApG sich ergebenden Grundsatz, daß eine Apothekenkonzession nur bei Vorliegen des in der zuletzt zitierten Vorschrift umschriebenen Bedarfes erteilt werden darf. Davon ausgehend umfaßt die durch das Gesetz eingeräumte Parteistellung der Konkurrenten im Konzessionsverfahren auch das Recht, geltend zu machen, eine Konzession hätte mangels Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 15 iVm § 46 Abs. 2 ApG nicht ohne Feststellung eines Bedarfes im Sinne des § 10 ApG erteilt werden dürfen.

Daß im Beschwerdefall kein Sachverhalt vorlag, auf dessen Grundlage das verkürzte Verfahren im Sinne des § 46 Abs. 2 ApG hätte angewendet werden dürfen, wurde bereits in den Vorerkenntnissen, insbesondere im Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0016, und im Beschluß vom 29. März 1995, Zl. 94/10/0189, näher dargelegt. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Oktober 1993 war somit in einem Verfahren ergangen, in dem dem in § 48 Abs. 2 ApG angesprochenen Personenkreis Parteistellung zukam. Diese Parteistellung konnte nicht dadurch entzogen werden, daß die Behörde ihren Bescheid zu Unrecht auf § 46 Abs. 2 ApG gründete; daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Behörde ihre Auffassung auf die frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1968, Slg. 7279/A, und vom 17. Februar 1970, Slg. 7734/A) stützen konnte.

Auch mit ihrem Hinweis, eine Änderung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ermögliche nicht die Änderung rechtskräftiger Bescheide, ist die Beschwerde darauf zu verweisen, daß sich die Rechtskraft des Bescheides nicht auf übergangene Parteien erstrecken konnte; ein "rechtskräftiger Bescheid" lag im Beschwerdefall in Ansehung des in § 48 Abs. 2 ApG genannten Personenkreises nicht vor, weil diesem entgegen der Anordnung der zitierten Vorschrift vor der Erlassung des Bescheides vom 6. Oktober 1993 keine Gelegenheit zur Wahrnehmung seiner Rechte eingeräumt worden war.

Die Beschwerde ist somit mit ihrer Auffassung, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides hätte die Rechtskraft des Bescheides vom 6. Oktober 1993 beachtet werden müssen, nicht im Recht.

Die Beschwerde macht ferner geltend, das Auftreten einer übergangenen Partei allein rechtfertige nicht die Aufhebung des Bewilligungsbescheides; vielmehr habe die übergangene Partei lediglich das Recht auf nachträgliche Durchführung eines zusätzlichen, auf sie und die betreffende Hauptpartei beschränkten Verfahrens. Damit gibt die Beschwerde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend wieder (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. Juni 1980, Zl. 3128/79, und vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0148). Sie beschränkt sich aber auf den erwähnten Hinweis, ohne darzulegen, inwiefern im Beschwerdefall ein Verstoß gegen den erwähnten Grundsatz vorliege. Dieser besagt, daß ein Bewilligungsbescheid nicht jedenfalls (und nur deshalb) aufzuheben wäre, weil in dem zu seiner Erlassung führenden Verfahren eine Partei (der Berufungswerber) übergangen wurde. Vielmehr ist in dem gegebenenfalls mit der übergangenen Partei und der Hauptpartei zu führenden Verfahren der Bewilligungsbescheid im Rahmen der der übergangenen Partei eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen. Im vorliegenden Fall wurde der bekämpfte Bescheid nicht allein deshalb aufgehoben, weil die Mitbeteiligten im erstinstanzlichen Verfahren übergangen wurden.

Der Antrag der Beschwerdeführerin war ausdrücklich auf die Erteilung der Konzession in einem nach der Vorschrift des § 46 Abs. 2 ApG abgewickelten Verfahren gerichtet (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0016). Für die Erteilung der Konzession im verkürzten Verfahren war im Beschwerdefall angesichts des Fehlens eines Sachverhaltes, der dem Begriff des "Überganges einer Apotheke" im Sinne des § 15 ApG subsumiert hätte werden können, kein Raum; der ausdrücklich auf die Erteilung einer Konzession im Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG gerichtete und - demgemäß - auf den "Übergangstatbestand" des § 15 ApG gestützte Antrag war daher nach § 47 Abs. 1 ApG abzuweisen (vgl. den Beschluß vom 29. März 1995, Zl. 94/10/0189).

Es liegt somit kein Verstoß gegen den Grundsatz vor, daß ein Bewilligungsbescheid von der Berufungsbehörde nicht allein wegen des Auftretens einer übergangenen Partei aufzuheben ist. Vielmehr hatte die belangte Behörde die darin gelegene Rechtswidrigkeit aufzugreifen, daß die Behörde erster Instanz zu Unrecht vom Vorliegen des Übergangstatbestandes im Sinne des § 15 ApG ausgegangen war.

Die Beschwerde macht weiters geltend, der angefochtene Bescheid übersehe, daß der Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Oktober 1993 dem Erst- und dem Zweitmitbeteiligten "bereits mit Schreiben vom 13. Oktober 1993 zugestellt" worden sei. Im Hinblick darauf, daß der Bescheid den Genannten bereits im Oktober 1993 zugekommen sei, seien allfällige Zustellungsmängel gemäß § 7 ZuStG geheilt. Die Berufungen wären daher als "verfristet" zurückzuweisen gewesen.

Mit diesen Darlegungen bezieht sich die Beschwerde offenbar auf einen Vorgang, der - nach einer dem Gesetz nicht entsprechenden Zustellung - als Heilung des unterlaufenen Zustellmangels durch "tatsächliches Zukommen" des Bescheides im Sinne des § 7 ZuStG aufzufassen wäre. Ein solcher Vorgang - der auch in der Beschwerde nicht näher dargelegt wird - hat sich aber nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens nicht ereignet. Der Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Oktober 1993 richtete sich an die Beschwerdeführerin, der (im Einparteienverfahren) die Apothekenkonzession erteilt wurde. Nach der dem Bescheid beigegebenen Zustellverfügung wurde dieser der Beschwerdeführerin und dem Mag. G., auf dessen Erklärung, die Konzession zurückzulegen, sich die Beschwerdeführerin berufen hatte, zugestellt. Eine Anordnung, den Bescheid den Mitbeteiligten zuzustellen, findet sich im Verwaltungsakt nicht.

Schon daraus folgt, daß eine rechtswirksame Zustellung - auch unter Bedachtnahme auf § 7 ZuStG - im behaupteten Zeitpunkt nicht vorliegt. Der Bescheid vom 6. Oktober 1993 war weder an den Erst- und Zweitmitbeteiligten gerichtet, noch seiner Zustellverfügung nach im Sinne des § 7 ZuStG für diese bestimmt. Der Bescheid könnte somit selbst dann nicht als "im Oktober 1993" gegenüber dem Erst- und Zweitmitbeteiligten erlassen gelten, wenn diesen eine Ausfertigung des Bescheides tatsächlich zugekommen wäre (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 18. Februar 1988, Zl. 88/09/0002, vom 27. Juni 1995, Zl. 94/04/0206, und vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0068).

Im übrigen läßt sich selbst die Beschwerdebehauptung, der Bescheid sei dem Erst- und Zweitmitbeteiligten "bereits mit Schreiben vom 13. Oktober 1993 zugestellt worden" bzw. "zugekommen", anhand der Verwaltungsakten nicht nachvollziehen. Diese enthalten zwar Schreiben vom 13. Oktober 1993, in denen auf die Zustellung des Bescheides an Dr. U. zu Handen dessen Vertreter Bezug genommen wird; ein Hinweis auf die Übermittlung des Bescheides an den Erst- und den Zweitmitbeteiligten im Zusammenhang mit einem Schreiben vom 13. Oktober 1993 ist nicht aktenkundig. Auch sonst ist den Akten kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Bescheid dem Erst- und Zweitmitbeteiligten überhaupt zugestellt worden wäre. Die Berufung des Erstmitbeteiligten enthält u.a. die Behauptung, der Bescheid sei ihm bisher nicht zugestellt worden, und den Hinweis auf jene Rechtsprechung, wonach die Berufung der übergangenen Partei schon vor der Zustellung des Bescheides zulässig sei. Die Berufung des Zweitmitbeteiligten wurde mit einem Zustellungsantrag verbunden, auf den die Behörde erster Instanz nach der Aktenlage nicht einging; vielmehr legte sie die Berufungen, ohne die Zustellung des bekämpften Bescheides zu veranlassen (vgl. zu dieser - im Beschwerdefall nicht zu beanstandenden - Vorgangsweise z.B. das Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0016), der Berufungsbehörde vor.

Es trifft somit der Beschwerdevorwurf, die Berufungen hätten als verspätet zurückgewiesen werden müssen, nicht zu.

Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde habe Feststellungen darüber unterlassen, ob die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke und den Ordinationen der "beschwerdeführenden" (gemeint: mitbeteiligten) Ärzte weniger als 4 km betrage.

Die Parteistellung hausapothekenführender Ärzte im Apothekenkonzessionsverfahren nach § 48 Abs. 2 iVm § 29 Abs. 4 und 5 ApG idF der ApG Nov 1990 setzt u.a. voraus, daß die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der öffentlichen Apothke 4 Straßenkilometer nicht überschreitet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. Jänner 1994, Zl. 93/10/0173). Es trifft zu, daß die belangte Behörde Feststellungen hiezu nicht getroffen hat. Die Beschwerde zeigt aber die Relevanz dieses Feststellungsmangels nicht auf, weil nicht einmal allgemein behauptet wird, daß die betreffende Entfernung im Beschwerdefall überschritten werde.

Zuletzt verweist die Beschwerde auf den im Schriftsatz vom 27. Juli 1995 enthaltenen "Eventualantrag", der auf die Erteilung der Konzession nach Durchführung einer Bedarfsprüfung abziele; nähere Angaben hiezu enthält die Beschwerde nicht. Nach Ausweis der Verwaltungsakten richtete die Beschwerdeführerin im Verfahren über die Berufung der Mitbeteiligten eine Äußerung an die Berufungsbehörde, die u.a. den "(Eventual-)Antrag" enthält, der Beschwerdeführerin möge die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit dem Standort "Ortschaft W." auf Grund des Antrages vom 26. Mai 1993 erteilt werden; hiezu möge die Bedarfsprüfung gemäß § 10 ApG unter Beiziehung der Inhaber öffentlicher Apotheken und gemäß § 29 Abs. 4 und 5 ApG betroffener Ärzte von Amts wegen durchgeführt werden. Auf Grund dieses "Eventualantrages" möge das vorliegende Verfahren mit dem beim Amt der Tiroler Landesregierung anhängigen Verfahren Vd-San-5267/1 verbunden werden.

Die Verwaltungsakten des zuletzt bezogenen Verfahrens liegen dem Verwaltungsgerichtshof nicht vor. Nach den Darlegungen des angefochtenen Bescheides handelt es sich dabei um ein beim Landeshauptmann von Tirol anhängiges Verfahren über ein "Neukonzessionsansuchen" der Beschwerdeführerin vom 18. November 1994.

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund der Darlegungen der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides unter Bedachtnahme auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 27. Juli 1995 davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 18. November 1994 an den Landeshauptmann von Tirol einen auf die Behauptung eines Bedarfes im Sinne des § 10 ApG gestützten Antrag auf Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. richtete. Der "Eventualantrag" bedeutet eine - an die Berufungsbehörde gerichtete - Wiederholung dieses Antrages.

Die Beschwerde erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde über den "Eventualantrag" nicht abgesprochen habe.

Dieser Auffassung fehlt jedenfalls dann die Grundlage, wenn der "Eventualantrag" nicht zur "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zählte; denn die umfassende reformatorische Befugnis der Berufungsbehörde findet ihre gesetzliche Begrenzung durch die Entscheidung "in der Sache" insofern, als es der Berufungsbehörde verwehrt ist, aus Anlaß der Berufung eine Frage zu entscheiden, die gar nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens war und nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hatte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 92/07/0098).

"Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfaßte Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist). Der Akzent liegt hiebei auf der "Angelegenheit" im Sinne der "in Verhandlung stehenden Angelegenheit", die der Spruch zu erledigen hat (§ 59 Abs. 1 AVG), und nicht auf dem verbalen "Inhalt des Spruches". Unter diesem Bezug kann die "Sache" nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, eruiert werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0459, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Zusammenhang ist im Beschwerdefall zu beachten, daß die Beschwerdeführerin ihren - dem erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Oktober 1993 zugrundeliegenden - Antrag ausdrücklich und nur auf den "Übergangstatbestand" im Sinne des § 15 ApG stützte und gegenüber der Behörde erster Instanz nach Vorhalt von deren Zweifeln, ob ein Fall des Übergangstatbestandes vorliege, erklärte, die Konzession müsse ihr im verkürzten Verfahren nach § 46 Abs. 2 ApG erteilt werden. Es kann somit kein Zweifel daran bestehen, daß der Antrag der Beschwerdeführerin ausdrücklich auf den Übergangstatbestand gestützt und auf die Erteilung der Konzession in einem nach der Vorschrift des § 46 Abs. 2 ApG abgewickelten Verfahren gerichtet war (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0016). Bei dieser Fallkonstellation zählt jener Sachverhalt, der auf seine Eignung, dem "Übergangstatbestand" des § 15 ApG subsumiert zu werden, zu untersuchen ist, zu jenen Sachverhaltselementen, die nach den anzuwendenden Vorschriften die Angelegenheit ausmachen, die durch den Spruch zu erledigen ist. Zur "Sache" des Berufungsverfahrens zählte im vorliegenden Fall somit die Frage der Verwirklichung des Übergangstatbestandes. Davon ausgehend war es der belangten Behörde verwehrt, im Rahmen ihrer Berufungsentscheidung über den - nicht auf den "Übergangstatbestand", sondern auf einen Bedarf im Sinne des § 10 ApG gestützten und somit eine eigene "Angelegenheit" begründenden - weiteren Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden; denn der Gegenstand des "Eventualantrages" war nicht "Sache" des Berufungsverfahrens. Es liegt daher keine Rechtswidrigkeit darin, daß im angefochtenen Bescheid über diesen Antrag nicht abgesprochen wurde. Eine Verweisung des Antrages an die zuständige Behörde erster Instanz gemäß § 6 AVG erübrigte sich im Beschwerdefall, da auch nach dem Vorbringen der Beschwerde bei dieser das Konzessionsverfahren über den auf die Behauptung eines Bedarfes im Sinne des § 10 ApG gestützten Antrag ohnedies anhängig ist.

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Betreffend die Entscheidung über den Aufwandersatz der Mitbeteiligten ist auf § 49 Abs. 6 erster Satz VwGG zu verweisen. Das auf den Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Begehren des Zweit- bis Viermitbeteiligten war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer umfaßt.

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