Normen
AVG §6 Abs1;
AVG §61 Abs4;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
ZPO §467 Z1;
AVG §6 Abs1;
AVG §61 Abs4;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
ZPO §467 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Das Arbeitsinspektorat für den 13. Aufsichtsbezirk beantragte am 15. Mai 1992 gemäß § 7 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 in Verbindung mit § 27 Abs. 6 des Bundesgesetzes über den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer (Arbeitnehmerschutzgesetz, im folgenden ANSchG) bei der Bezirkshauptmannschaft X, der A Baugesellschaft m.b.H. zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern betreffend Gerüste- und Baustromverteiler auf Baustellen insgesamt 12 Auflagen vorzuschreiben. Mit Bescheid vom 1. September 1992 gab die Bezirkshauptmannschaft X diesem Antrag des Arbeitsinspektorates statt. Der dagegen von der A Bau-GesmbH erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Kärnten Folge und hob den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides lautete: "Gegen diesen Bescheid kann binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Bezirkshauptmannschaft X oder beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Stubenring 1, 1010 Wien, schriftlich Berufung eingebracht werden ...".
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat Berufung, die es bei der Bezirkshauptmannschaft X einbrachte. Diese leitete die Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten weiter.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. August 1993 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 6 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 ANSchG als unzulässig zurück. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, daß das Verfahren "Baustellen" betreffe, die als außerhalb des Betriebsstandortes gelegene Arbeitsstellen gemäß § 1 Abs. 2 ANSchG zum "Betrieb" im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörten, es ihnen jedoch an dem im § 74 Abs. 1 GewO normierten Merkmal der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit mangle, weshalb diese Arbeitsstellen nicht als gewerbliche Betriebsanlagen im Sinne dieser Gesetzesstelle gelten könnten. Für diese Arbeitsstellen sei auch keine Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2 GewO vorgesehen, sondern lediglich - erforderlichenfalls - die "Auftragung" von Vorkehrungen gemäß § 84 GewO, sodaß eine Bewilligung gemäß § 27 Abs. 1 ANSchG nicht erforderlich sei. Die zuständige Behörde habe vielmehr gemäß § 27 Abs. 6 leg.cit. dem Arbeitgeber die zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Aufträge zu erteilen. Zuständige Behörde sei in diesem Fall, in dem die außerhalb des Standortes gelegenen Arbeitsstellen einer Bewilligung nach der Gewerbeordnung nicht bedürften, nicht die Gewerbebehörde und somit, da Anhaltspunkte für eine Bewilligungspflicht dieser Arbeitsstellen nach einem anderen, vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu vollziehenden Bundesgesetz nicht vorlägen, auch nicht der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales erhobene, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes läßt diese Gesetzesstelle den den Verwaltungsverfahrensgesetzen immanenten Grundsatz erkennen, wonach einer Partei aus einer Unkenntnis der Behördenorganisation und der Zuständigkeitsnormen kein Rechtsnachteil entstehen soll. Es ist Sache der Behörde dafür zu sorgen, daß ein Parteianbringen unabhängig von der darin erfolgten Bezeichnung der angerufenen Behörde an die zu seiner Erledigung (sachlich) zuständige Behörde gelangt. Daß dies uneingeschränkt auch für das Berufungsverfahren gilt, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung zwar den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, nicht aber - anders als im § 467 Z. 1 ZPO - die zur Entscheidung über die Berufung angerufene Behörde zu benennen hat.
Die Zurückweisung einer Berufung - ebenso wie ein sonstiges Parteianbringen - wegen Unzuständigkeit der zur Entscheidung angerufenen Behörde wird somit nur dann in Betracht kommen, wenn die Partei auf der Erledigung ihrer Berufung (ihrer sonstigen Anbringen) durch die angerufene, aber objektiv unzuständige Behörde beharrt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309).
Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entschieden hat.
Gemäß § 61 Abs. 4 AVG ist ein Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, enthält und dieses bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.
Die Berufung des Arbeitsinspektorates war bei der Bezirkshauptmannschaft X, somit bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, eingebracht worden. Daß die Berufung von der Bezirkshauptmannschaft X entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des Landeshauptmannes an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten weitergeleitet wurde, kann nicht zu Lasten des Berufungswerbers gehen. In den Verwaltungsakten findet sich auch kein Hinweis darauf, daß das Arbeitsinspektorat bewußt die Entscheidung einer vom Bundesminister für Arbeit und Soziales verschiedenen Behörde herbeiführen wollte.
Dadurch, daß die belangte Behörde die Berufung des Arbeitsinspektorates als unzulässig zurückwies, anstatt sie an die zuständige Behörde weiterzuleiten, belastete sie daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
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