VwGH 95/17/0469

VwGH95/17/046915.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über den Antrag des Mag. M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem VwGH gegen den Bescheid des UVS Wien vom 11. 4. 1995, Zl. UVS-05/K/25/00522/95, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes sowie über die Beschwerde des genannten Beschwerdeführers gegen den zitierten Bescheid, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZPO §146 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZPO §146 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht Folge gegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß vom 21. Juli 1995, Zl. 95/17/0208, wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen den "Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. März 1995, Zl. UVS-08/14/01253/94, der ... am 11.4.1995 zugestellt wurde", als verspätet eingebracht zurück. In der Begründung wird ergänzend unter anderem darauf hingewiesen, der Inhalt der Beschwerde biete nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß in Wahrheit der Bescheid, dessen Abschrift mit der Beschwerde vorgelegt worden sei, angefochten werden sollte. Dieser betreffe eine völlig andere Tat als die in der Beschwerde geschilderte.

In dem nunmehr gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Wiedereinsetzungswerber vor, die Einbringung der falschen Beschwerde sei auf ein internes Versehen in seinem "(des Beschwerdeführers)" Bereich zurückzuführen. Eine Unaufmerksamkeit sei Ursache für die Einbringung der falschen Beschwerdeschrift: Der EDV-Ausdruck einer Fassung der Beschwerde sei einige Tage vor Ablauf der Frist durch einen Kollegen handschriftlich korrigiert und zwecks Einarbeitung der Korrekturen in das zuständige Sekretariat zurückgestellt worden. Dort sei offenbar eine falsche Datei geöffnet und die Korrekturen in der falschen statt in jener Beschwerdeschrift eingearbeitet worden, die richtigerweise an den Verwaltungsgerichtshof hätte gerichtet werden sollen. Der Grund für dieses Versehen liege offenbar darin, daß der Wiedereinsetzungswerber bereits seit einigen Monaten ein Verfahren zur gleichen Rechtsfrage vor dem Verwaltungsgerichtshof führe. Die mit Beschluß zurückgewiesene Beschwerde sei nämlich bereits am 19. Mai 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden. Die beiden Beschwerden glichen einander quasi wie ein Ei dem anderen. Sie unterschieden sich lediglich hinsichtlich der Aktenzahl der angefochtenen Berufungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für Wien, im unterschiedlichen Tatort sowie in der unterschiedlichen Tatzeit. Da diese drei Kriterien nicht Gegenstand der vorerwähnten Korrekturen gewesen seien, sei es dem Wiedereinsetzungswerber - und in weiterer Folge auch dem unterfertigenden Rechtsanwalt - nicht aufgefallen, daß die falsche Beschwerdeschrift abgesandt worden sei. Der Wiedereinsetzungswerber lege dadurch dar, es handle sich bei dem Verschulden wohl nur um solches, das als "minderer Grad des Versehens" anzusehen sei. Ein solches Versehen sei dem Wiedereinsetzungswerber und seiner Sekretärin bisher nie unterlaufen und stelle nicht zuletzt auf Grund der Tatsache zweier praktisch gleicher Beschwerden einen ausgesprochenen Sonderfall in der üblichen Vorgangsweise dar.

Diese Ausführungen können aus folgenden Erwägungen dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorgesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" (beruhend auf § 146 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Art. IV Z. 24 der Zivilverfahrensnovelle 1983) unterläuft (hg. Beschluß vom 26. November 1992, Zl. 92/06/0222). Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten (und Behörden) und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen (Fasching, Zivilprozeßrecht2, RZ 580).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung weiters die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die Nachweise bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller schon im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, das heißt zumindest die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des behaupteten Ereignisses und das Nichtvorliegen eines Verschuldens des Wiedereinsetzungswerbers an der Fristversäumung darzutun (vgl. die hg. Beschluß vom 26. Mai 1995, Zl. 95/17/0147, samt weiteren Zitaten).

Der Antrag des Wiedereinsetzungswerbers stützt sich im wesentlichen darauf, daß in dem ihm zur Verfügung stehenden Sekretariat die handschriftliche Korrektur der Beschwerdeschrift "offenbar" durch "Öffnung einer falschen Datei" in der "falschen" statt in jener Beschwerde eingearbeitet wurde, die beim Verwaltungsgerichtshof hätte eingebracht werden sollen. Der Antragsteller behauptet nun nicht, daß ein konkreter Auftrag gegeben wurde, ein bestimmtes Dokument, das in einer bestimmten und näher bezeichneten Datei gespeichert ist, zu korrigieren. Auf der mit dem Antrag vorgelegten Ablichtung der korrigierten Beschwerde ist jedenfalls keine Kurzbezeichnung der Datei zu ersehen, unter der die zu korrigierende Beschwerde im Computer zu finden wäre, sodaß insofern mangels eines klar erkennbaren Auftrages eine Verwechslung der Dateien durch die zur Korrektur beauftragte Person nicht ausgeschlossen werden konnte. Umso schwerer wiegt daher der Umstand, daß der Wiedereinsetzungswerber nicht einmal behauptet, eine Kontrolle der Übereinstimmung der Bescheiddaten des vorgelegten Bescheides mit den Angaben in der Reinschrift der Beschwerde vorgenommen zu haben. In weiterer Folge behauptet auch der "unterfertigende Rechtsanwalt", dem jedenfalls oblägen wäre, eine Überprüfung der Angaben der Bescheiddaten mit dem vorzulegenden angefochtenen Bescheid durchzuführen, nicht, entsprechend kontrolliert zu haben. Dies führt insgesamt dazu, daß keine Gründe glaubhaft dargetan wurden, die es rechtfertigen, die Fristversäumung als unverschuldet oder doch als ein Versehen minderen Grades zu beurteilen.

Von der beantragten Zeugeneinvernahme zum Beweis der Richtigkeit der vom Wiedereinsetzungswerber vorgebrachten Ausführungen konnte Abstand genommen werden, weil der Gerichtshof in seiner Entscheidung von dem vom Wiedereinsetzungswerber vorgebrachten Sachverhalt ausgegangen ist und die Zeugenaussagen nicht geeignet sind, fehlende Behauptungen zu ersetzen.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 46 VwGG nicht Folge zu geben.

Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurückzuweisen.

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