VwGH 92/06/0222

VwGH92/06/022226.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der B in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. August 1992, Zl. 03-12 Au 37-92/1), betreffend Benützungsbewilligung, und

2. über die Beschwerde derselben Partei gegen den eben genannten Bescheid (Zl. 92/06/0223), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;

 

Spruch:

  1. 1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird nicht stattgegeben.
  2. 2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0211, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen den Bescheid der Marktgemeinde Passail vom 21. Oktober 1991, Zl. BA 1978/22, betreffend Benützungsbewilligung gerichtete Beschwerde der nunmehrigen Antragstellerin als unzulässig und deren Berichtigungsschriftsatz vom 9. Oktober 1992, wonach nicht der gemeindebehördliche Berufungs- sondern der Vorstellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. August 1992, Zl. 03-12 Au 37-92/1, angefochten wurde, als verspätet zurück. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausgeführt, daß es sich beim Bescheid der Marktgemeinde Passail nicht um einen letztinstanzlichen Bescheid handle (und daher das Beschwerderecht mangle) und der sich gegen den (letztinstanzlichen) Vorstellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung richtende Berichtigungsschriftsatz verspätet eingebracht worden sei.

In dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt die Antragstellerin vor, kanzleiintern sei mit der Verfassung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde der bereits davor in dieser Rechtssache tätige Kanzleimitarbeiter Dr. M befaßt gewesen. Dieser habe den Beschwerdeschriftsatz am Ende der Beschwerdefrist auf Tonband diktiert. Am 5. Oktober 1992, dem letzten Tag der Beschwerdefrist gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. August 1992, sei Dr. M bei einer halbtägigen Verhandlung außerhalb des Kanzleisitzes in Wien tätig gewesen und von dieser erst am späten Nachmittag zurückgekehrt. Der Beschwerdeschriftsatz sei ihm um ca. 15.30 Uhr vorgelegt und von ihm noch ergänzt und korrigiert worden. Infolge der mit der gesamten Postabfertigung an diesem Tag verbundenen "Streßsituation im Kanzleiablauf, welcher um 17.00 Uhr endete", sei der Beschwerdeschriftsatz zwar noch am 5. Oktober 1992 - sohin rechtzeitig - abgefertigt, dabei jedoch übersehen worden, daß auf dem Beschwerdeschriftsatz irrtümlich die Bezeichnung des Bescheides auf Seite 1 sowie umseitig der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Passail vom 21. Oktober 1991, Zl. BA 1978/22, anstelle des tatsächlich bekämpften Vorstellungsbescheides angeführt gewesen sei. Der Wiedereinsetzungsgrund des unvorhersehbaren Ereignisses sei dadurch eingetreten, daß dem Kanzleikollegen des Vertreters der Beschwerdeführerin die falsche Bezeichnung des bekämpften Bescheides sowie dessen Beilage bei Unterfertigung des Schriftsatzes nicht aufgefallen sei. Daß inhaltlich aber der Bescheid der Gemeinde Aufsichtsbehörde bekämpft worden sei, ergebe sich eindeutig aus dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, sodaß es sich bei der Falschbezeichnung nur um ein Nichterkennen, mithin um ein Versehen des Kanzleikollegen gehandelt habe.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 VwGG hat die Beschwerde die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu enthalten. Sinn dieser Bestimmung ist es, jeden Zweifel darüber, welche Erledigung vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten ist, auszuschließen. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist es Sache der Partei, u.a. den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen. Der Verwaltungsgerichtshof ist - soweit es sich um den formellen Inhalt einer Beschwerde handelt - an die Angaben des Beschwerdeführers gebunden und selbst dann nicht berechtigt, von diesen abzuweichen, wenn sich der Beschwerdeführer im Ausdruck vergriffen haben sollte oder etwa einen anderen Bescheid anfechten wollte (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. November 1990, Zl. 87/17/0272). Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher in dem den Wiedereinsetzungsantrag vorangegangenen Beschwerdeverfahren Zl. 92/06/0211 in Bindung an die im ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz angegebene Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (das ist der Bescheid der Marktgemeinde Passail vom 21. Oktober 1991) diesen zu behandeln und in weiterer Folge die Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein Ereignis dann unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" (§ 146 Abs. 1 ZPO idF des Art. IV Z. 24 der Zivilverfahrensnovelle 1983) unterläuft, wobei in der Person eines bevollmächtigten Vertreters eingetretene Tatumstände für die vertretene Partei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als ein unverschuldetes und entweder unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 652 zitierte Rechtsprechung).

Wesentliche inhaltliche Mängel einer Beschwerde wie die Bekämpfung eines unrichtigen Bescheides (etwa im Gegensatz zum bloßen Verschreiben von Datum oder Zahl) stellen keinen bloßen Flüchtigkeitsfehler, der noch als leichte Fahrlässigkeit qualifiziert werden könnte, dar. Wenn dadurch die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den richtigen Bescheid versäumt wird, kann dies keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.

Insoweit die Beschwerdeführerin den Streß des Substituten ihres Rechtsfreundes als Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages geltend macht, kann der Verwaltungsgerichtshof mangels entsprechenden Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag nicht erkennen, aus welchen Gründen der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin anläßlich der Unterfertigung der Beschwerde nicht zumindest die Richtigkeit des darin genannten, angefochtenen Bescheides geprüft hat, zumal ihm ja die Streßsituation seines Substituten bekannt sein mußte. Denn die letzte Verantwortung für die Richtigkeit der Beschwerde trägt unbestritten der Vertreter der Beschwerdeführerin, der als solcher die Beschwerde auch unterfertigt.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war sohin gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG keine Folge zu geben.

Da die Beschwerde gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. August 1992 unbestritten nach Ablauf der hiefür nach § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG maßgebenden Frist erhoben und dem mit dieser Beschwerde verbundenen Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben wurde, erweist sich die Beschwerde als verspätet und war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte