VwGH 94/05/0331

VwGH94/05/033110.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des S in N, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. August 1994, Zl. UVS-06/22/00366/93, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Umwelt), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67d;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51g;
VStG §51h;
VStG §51i;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §67d;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51g;
VStG §51h;
VStG §51i;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige der Magistratsabteilung 22 vom 10. Juli 1992 legte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, dem Beschwerdeführer zur Last

"(...) es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG der K-Ges.m.b.H. mit Sitz in Wien 11, H-Gasse 73, zu verantworten, daß die K-Ges.m.b.H. in der Zeit vom 21.4.1992 bis 5.5.1992 Zink-Kohle-Batterien der Type R 6 mit einem Cadmiumgehalt von 0,006 % von ihrem Zentrallager in W, H-Straße 24, durch Verteilung an die einzelnen Filialen bzw. Zwischenlager für Vertragsverkaufsstellen in Verkehr gebracht hat, obwohl Zink-Kohle-Batterien der Type R 6 nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn der Cadmiumgehalt 0,001 % nicht übersteigt."

Über Aufforderung rechtfertigte sich der Beschwerdeführer u. a. damit, die Firmenorganisation der K-Ges.m.b.H. sei derart gestaltet, daß er weder mit dem Einkauf noch mit dem Verkauf beschäftigt und es auch ausgeschlossen sei, daß jeder Geschäftsführer alles selbst untersuche und überprüfe. Hiezu seien aber von der Firmenleitung Vorkehrungen getroffen worden, die nach menschlichem Ermessen Verstöße gegen die bestehenden Vorschriften ausschlössen und bisher auch absolut ausgeschlossen hätten. Eine Beanstandung sei bisher niemals erfolgt. Die Kontrolle erworbener und zum Verkauf bestimmter Waren könne im Einzelfall unmöglich einem Geschäftsführer obliegen, schon gar nicht dem Beschwerdeführer, der mit dem Warenumschlag nichts zu tun habe. Die Prüfung der Waren, die zum Verkauf bestimmt seien, obliege dem stellvertretenden Leiter der Einkaufsabteilung, dessen Kontrolle sei dem Einkaufsleiter übertragen. Es handle sich um gehobene Mitarbeiter von äußerster, seit vielen Jahren erprobter Verläßlichkeit. Der Gesamtleiter für den Einkauf werde seinerseits noch von Dkfm. Dr. W zusätzlich überwacht, welcher innerhalb der Geschäftsführung seit Februar 1992 für den Einkauf und Import ausschließlich zuständig sei und auch im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG der Magistratsdirektion angezeigt worden sei. Dem Beschwerdeführer, der mit dem Einkauf ressortmäßig nicht befaßt sei, könne aus der Tatsache, daß Batterien in den Handel gekommen seien, die der neuen Verordnung nicht entsprächen, persönlich kein Verschulden angelastet werden.

Zum Beweis der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften beim Import von Waren und der internen organisatorischen Kontrollen beantragte der Beschwerdeführer die ergänzende Einvernahme der Zeugen N und Z; zum Beweis dafür, daß nach dem Organisationsplan der Geschäftsführung Dkfm. Dr. W für den Einkauf und die Importe ressortmäßig zuständig und allein verantwortlich sei, beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme dieses Geschäftsführers.

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 28. Juni 1993 wurde dem Beschwerdeführer die oben umschriebene Tat zur Last gelegt und weiters ausgeführt:

"Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl. Nr. 514/1990 idgF, begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von falls diese uneinbring- gemäß

Schilling lich sind, Ersatzfrei-

heitsstrafen von

§ 39 Abs. 1 lit. b

Z. 1 Abfallwirt-

schaftsgesetz, BGBl.

S 10.000,-- 10 Tagen Nr. 325/1990

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 1.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 11.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

Dieses Straferkenntnis erging ohne die beantragte (ergänzende) Einvernahme der vorgenannten Zeugen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, seine Verantwortung und die zu ihrer Stützung gestellten Beweisanträge seien im Verfahren erster Instanz nicht behandelt worden. Seine Stellungnahme im Verfahren erster Instanz mache er zum Inhalt der Berufung. Insbesondere verweise er darauf, daß innerhalb der Geschäftsführung seit Februar 1992 ausschließlich der Geschäftsführer Dkfm. Dr. W für den Einkauf und Import zuständig gewesen sei. Durch die Einvernahme dieses beantragten Zeugen hätte sich eindeutig ergeben, daß im gegenständlichen Zeitraum, der vor der formellen Bestellung des Dr. W gemäß § 9 Abs. 2 VStG gelegen sei, die von ihm geleitete und kontrollierte Unternehmensorganisation nach menschlichem Ermessen geeignet gewesen sei, jeden Verstoß gegen die Ministerialverordnung oder sonstige Vorschriften auszuschließen.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. August 1994 wurde ohne Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und "das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im dritten Absatz des Spruches nach der Wendung "in der geltenden Fassung" die Wortfolge "im Zusammenhalt mit § 7 Abs. 2 AbfallwirtschaftsG - AWG", zu treten hat".

Entscheidungswesentlich führte die belangte Behörde in der Begründung aus: Daß innerhalb der Geschäftsführung seit Februar 1992 ausschließlich der Geschäftsführer Dkfm. Dr. W für den Einkauf und Import zuständig war, möge zwar zutreffen, doch ändere dies nichts an der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers. Dieser sei im Tatzeitpunkt unbestrittenermaßen handelsrechtlicher Geschäftsführer der im Spruch genannten juristischen Person und damit ein zu deren Vertretung nach außen Berufener gewesen. In dieser Funktion sei er gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, sofern nicht verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt worden seien. Eine rechtswirksame Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung auf Dkfm. Dr. W sei in der vorliegenden Angelegenheit rechtlich schon deshalb auszuschließen, weil eine rechtswirksame "Bestellung" des Genannten zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG "für den Einkauf, die Produktion, das Lager- und das Pesonalwesen" nach der Aktenlage überhaupt nicht vorliege. Mit dem an die Magistratsdirektion der Stadt Wien gerichteten Schreiben vom 17. November 1992 sei lediglich von der Geschäftsführung der K-Ges.m.b.H. unter dem Betreff "Bestellung verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG" angezeigt worden, daß innerhalb der Geschäftsführung eine näher umschriebene Ressortaufteilung beschlossen worden sei, womit der nachstehend jeweils angegebene Geschäftsführer die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften in seinem Geschäftsbereich trage. Abgesehen davon, daß diese Anzeige erst nach dem im gegenständlichen Verfahren maßgeblichen Tatzeitraum erfolgt sei, und ungeachtet der auf S. 2 dieses Schriftstückes angeführten Wendung "diese Bestellung verantwortlicher Beauftragter für die einzelnen Geschäftsbereiche gilt bis zur schriftlichen Mitteilung von Abänderungen", stelle dieser Schriftsatz selbst - mangels der im § 9 Abs. 4 VStG genannten Voraussetzungen für eine rechtswirksame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten - keine Bestellungsurkunde dar. Aus dem Schriftsatz vom 17. November 1992 gehe weder das Datum der erfolgten Bestellung hervor, noch der vom Gesetz geforderte Zustimmungsnachweis, noch die vom Gesetz geforderte Anordnungsbefugnis. Auch die diesbezüglich an den Beschwerdeführer ergangene Aufforderung des zur Entscheidung berufenen Senates gemäß § 37 AVG betreffend die Fragen, wann und in welcher Form die im Schreiben vom 17. November 1992 erfolgte Bestellung tatsächlich erfolgt sei, sei unbeantwortet geblieben. Der Täter könne zufolge § 5 Abs. 1 VStG im gegenständlichen Fall nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft mache, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Eine solche Glaubhaftmachung sei dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Berufung mangelndes Verschulden einwende und sich diesbezüglich auf das eingerichtete Kontrollsystem berufe, so habe er auch damit nicht glaubhaft machen können, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe. Die Einrichtung eines derartigen Kontrollsystems könne allenfalls dann entschuldigen, wenn dadurch die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit gutem Grund erwartet werden könne. Daß im vorliegenden Fall das bestehende Kontrollsystem im Tatzeitraum dieser rechtlichen Anforderung nicht entsprochen habe, gehe unzweifelhaft aus der aktenkundigen Zeugenaussage des Prokuristen der K-Ges.m.b.H., Z, im erstinstanzlichen Verfahren hervor, wonach dieser als Einkaufsleiter nur "fallweise von der Handelskammer über die neuen Vorschriften informiert" werde und die Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren erst im Juli 1992 bekommen habe. Von einer verläßlichen Prüfung könne in Ansehung der im wesentlichen wiedergegebenen Zeugenaussage des Prokuristen Z wohl ebenso wenig gesprochen werden, wie von einem wirksamen Kontrollsystem, das die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit gutem Grund erwarten lasse. Da somit die zur Entlastung des Beschwerdeführers erforderliche Glaubhaftmachung nicht habe erbracht werden können, sei die Begehung der strafbaren Handlung auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzunehmen. In Ansehung der Zeugenaussage des Prokuristen Z hätten sich daher die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge betreffend die Verschuldensfrage als zur Entscheidung der Sache nicht erforderlich erwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichtbestrafung nach dem AWG in Verbindung mit der Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl. Nr. 514/1990, verletzt. Er macht ausschließlich Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990 (AWG), begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, und ist zu bestrafen mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 100.000,--, wer den Vorschriften einer Verordnung gemäß § 7 zuwiderhandelt.

Gemäß § 7 Abs. 1 AWG hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, in den Fällen des Abs. 6 auch im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, soweit dies zur Erreichung der Ziele gemäß § 6 Abs. 1 zur Verringerung der Mengen und Schadstofffrachten der üblicherweise bei Letztverbrauchern anfallenden Abfälle erforderlich ist, und soweit nicht nach § 8 vorzugehen ist, Maßnahmen gemäß Abs. 2 anzuordnen.

Gemäß Abs. 2 dieser Geseztesstelle können als Maßnahmen

angeordnet werden die Pflicht

...

  1. 3. zur Rücknahme der nach der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Ware verbleibenden Abfälle, ...

    ...

  1. 8. zur Unterlassung des Inverkehrsetzens von Waren, wenn diese Waren nach ihrem Gebrauch oder Verbrauch bei der Entsorgung geeignet sind, gefährliche Stoffe freizusetzen und dies nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verhindert werden kann.

Auf Grund des § 7 Abs. 2 Z. 3 und 8 AWG hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Verordnung vom 19. Juli 1990 über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl. Nr. 514, verordnet:

"§ 3 (1) Zink-Kohle-Batterien der Typen R 6, R 14 und R 20 dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Quecksilbergehalt 0,001 % und der Cadmiumgehalt 0,001 % nicht übersteigt."

Der Beschwerdeführer bestreitet zwar nicht die von den Strafbehörden getroffene Feststellung, die K-Ges.m.b.H., deren Geschäftsführer er ist, habe während des Tatzeitraumes Zink-Kohle-Batterien der Type R 6 mit einem dem § 3 Abs. 1 der vorzitierten Verordnung widersprechenden Cadmiumgehalt in Verkehr gebracht.

Der Beschwerdeführer bemängelt jedoch die Vorgangsweise der belangten Behörde im Verfahren und legt dieser unter Hinweis auf §§ 51e bis 51i VStG zur Last, gegen die der Unmittelbarkeit des Verfahrens dienenden Gesetzesbestimmungen verstoßen zu haben. Obgleich in der Berufung geltend gemacht worden sei, daß die Erstbehörde entscheidungswesentliche, ausdrücklich beantragte Beweise nicht durchgeführt habe - ohne diese Unterlassung zu begründen -, übernehme die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid einfach die gerügten, unvollständigen und unrichtigen Ergebnisse der Erstbehörde und unterlasse die Durchführung der vom Gesetz "ohne Einschränkung vorgesehenen mündlichen Verhandlung, der unmittelbaren Beweisaufnahme unter Intervention der Parteien und der Entscheidung ausschließlich auf Grund dieser eigenen Tatsachenfeststellung".

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen und nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist, wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.

Gemäß § 51g Abs. 1 leg. cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind außer dem Verhandlungsleiter die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer auch die übrigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen.

Gemäß § 51i VStG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.

§ 51e Abs. 1 VStG sieht also vor, daß über jede Berufung eine öffentliche Verhandlung anzuberaumen ist. Ein Entfall der Verhandlung ist nur ausnahmsweise unter - im gegenständlichen Fall nicht vorliegenden - taxativ aufgezählten Voraussetzungen zulässig.

In ständiger Rechtsprechung führt der Verwaltungsgerichtshof zu § 51e Abs. 1 VStG aus, daß selbst ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht jedenfalls die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich zieht, sondern dafür die - in der Beschwerde darzustellende - Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG maßgeblich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165, sowie vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0192).

Die §§ 51g bis 51e VStG normieren darüber hinaus besondere Regeln für die Beweisaufnahme durch die unabhängigen Verwaltungssenate, durch die - wie der Beschwerdeführer zutreffend darlegt - sichergestellt werden soll, daß deren Verfahren den Anforderungen des Art. 6 MRK entspricht. Diese Sonderbestimmungen gelten allerdings nur für den Fall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Entfällt - zulässigerweise - die Verhandlung, so gelten für die Beweisaufnahme durch die unabhängigen Verwaltungssenate dieselben Bestimmungen wie für die erstinstanzliche Behörde (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, Rz. 932/12, S. 379).

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Bilden mehrere physische Personen das Vertretungsorgan, so trifft die Verantwortung alle, jedoch nur insoweit, als ihnen ein Verschulden zur Last fällt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Juli 1962, Slg. Nr. 5844/A, und vom 12. Dezember 1969, Slg. Nr. 7696/A). Hat ein strafrechtlich Verantwortlicher im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG daher alles getan, um seine Pflicht zu erfüllen, ist jedoch die Erfüllung durch die Tätigkeit oder Untätigkeit der anderen unterblieben, so ist diese Person nicht strafbar, wohl aber sind es die übrigen (vgl. das

hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.375/A).

Im Verfahren vor der Strafbehörde erster Instanz hat der Beschwerdeführer ausgeführt, daß ihn kein Verschulden an der ihm zur Last gelegten Tat im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG treffe, und hat zum Beweis seines in seinen schriftlichen Stellungnahmen näher detaillierten Sachverhaltsvorbringens die Einvernahme von näher bezeichneten Zeugen beantragt. Ohne selbst Beweise aufzunehmen und im angefochtenen Bescheid näher zu begründen, warum im konkreten Fall eine mündliche Verhandlung und die Einvernahme der beantragten Zeugen zum Beweis des mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers bezüglich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 VStG i. V.m. § 5 Abs. 1 VStG nicht erforderlich sein soll, hat die belangte Behörde die Beweisergebnisse der Strafbehörde erster Instanz übernommen und das erstinstanzliche Straferkenntnis unter gleichzeitiger Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

Durch die unbegründete Abstandnahme von der unmittelbaren Einvernahme der vom Beschwerdeführer zur vollständigen Abklärung des von ihm behaupteten - für die Annahme eines Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG entscheidungswesentlichen - Sachverhaltes beantragten Zeugen erweist sich somit der von der belangten Behörde durch die Unterlassung der im § 51e Abs. 1 VStG vorgesehenen öffentlichen mündlichen Verhandlung gesetzte Verfahrensmangel als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG. Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Kostenzuspruch erfolgte im begehrten Umfang.

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