Normen
AsylG 1968 §1
FlKonv Art2 AbschnA Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989010159.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1963 geborene Beschwerdeführer, ein albanischer Staatsangehöriger, kam am 3. November 1987 illegal und ohne Ausweisdokumente in das Bundesgebiet und beantragte am 10. November 1987 Asyl. Er begründete den Antrag wie folgt:
Seine Eltern hätten bereits im Jahre 1973 versucht, mit ihm Albanien illegal zu verlassen; dabei seien sie von albanischen Grenzsoldaten betreten und festgenommen worden. Sein Vater, der 1982 verstorben sei, sei zu drei Jahren Haft und seine Mutter zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Seit dem Fluchtversuch hätten seine Eltern und die ganze Familie "Schwierigkeiten" im Heimatland gehabt. Der Beschwerdeführer habe unter einer Art Hausarrest gestanden und trotz Ausbildung an einer Handelsmittelschule als Hirte arbeiten müssen. Im Falle einer Rückstellung nach Albanien hätte er mit einer schweren Gefängnisstrafe zu rechnen, da er schon einmal bei einem Fluchtversuch beteiligt gewesen sei. Seine Heimat hätte er deshalb verlassen, weil er nur als Hirte hätte arbeiten dürfen und keine Zukunft für sich habe. Sein Wunsch wäre nach Kanada auszuwandern. Bei dieser Vernehmung wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Dokumente über seine Identität nachzubringen. Anläßlich einer weiteren Einvernahme am 22. Jänner 1988 erklärte der Beschwerdeführer, die Dokumente habe er bisher noch nicht nachbringen können, da er "dazu keine Möglichkeit" habe. Er habe mit seinen in Albanien lebenden Angehörigen keinen Kontakt gehabt. Er wage es auch nicht, ihnen zu schreiben oder mit ihnen zu telefonieren, da dies für seine Angehörigen schwere Folgen haben würde.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Februar 1988 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling ist.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, das Leben nach dem Fluchtversuch seiner Eltern sei die reinste Hölle gewesen. Der Beschwerdeführer sei von allen Seiten unterdrückt worden und hätte auch nach Beendigung der Handelsmittelschule keine Arbeit in seinem Beruf bekommen, sondern sei als Hirte in entfernte Dörfer geschickt worden.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, sie habe lediglich den für die Entscheidung bedeutsamen Sachverhalt festzustellen und somit das Beweisthema festzulegen. Beweisthema in diesem Verwaltungsverfahren sei eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung der Person des Beschwerdeführers aus wenigstens einem der in der Flüchtlingskonvention angeführten Gründen. Ereignisse, die schon Jahre zurücklägen, seien nicht geeignet, eine wohlbegründete Furcht hervorzurufen und würden daher vom Beweisthema nicht erfaßt. Dies gelte insbesondere für die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, daß seine Eltern bereits im Jahre 1973 versucht hätten, gemeinsam mit ihm aus Albanien zu flüchten. Auch allgemeine Behauptungen, wie daß das Leben nach dem Fluchtversuch seiner Eltern die reinste Hölle gewesen sei und der Beschwerdeführer von allen Seiten Unterdrückungen ausgesetzt gewesen sei, ohne diese durch konkrete Angaben zu untermauern, genügten nicht, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung seiner Person darzutun und seien daher als Grundlage für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht geeignet. Die Aussage, im Falle seiner Rückstellung nach Albanien mit einer schweren Gefängnisstrafe rechnen zu müssen, da er schon einmal bei einem Fluchtversuch beteiligt gewesen sei, könne, da nach der Judikatur nur Umstände maßgeblich seien, die Grund für die Flucht gewesen seien, nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Die Behauptung, der Beschwerdeführer hätte Albanien deshalb verlassen, da er trotz Ausbildung an einer Handelsmittelschule als Hirte hätte arbeiten müssen, stelle keine Verfolgung seiner Person dar. Außerdem bestehe auch in demokratischen Staaten, insbesondere bei der derzeit angespannten Arbeitsmarktlage, kein Rechtsanspruch auf eine der schulischen Ausbildung entsprechende Erwerbstätigkeit. Überdies habe nicht festgestellt werden können, ob der Beschwerdeführer tatsächlich eine dreijährige Handelsmittelschule besucht habe, da er trotz gegebener Möglichkeit, schriftliche Beweise für diese Behauptung vorzulegen (z.B. in Form eines Abschlußzeugnisses), davon keinen Gebrauch gemacht habe; selbst seine Identität habe bis zum heutigen Tage mangels Vorlage entsprechender Dokumente nicht geklärt werden können. Da für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verfolgung der Person des Beschwerdeführers aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen unabdingbar sei, eine solche jedoch auch bei genauer Prüfung seines Vorbringens nicht habe festgestellt werden können, sei auch die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht statthaft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich, in seinem Recht als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. I Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der näher bezeichneten Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheid ihm die Nichtvorlage von Urkunden über den Besuch einer Handelsmittelschule entgegenhalte, da doch eine Beweisführung im Asylverfahren nicht erforderlich sei; es genüge der Nachweis der Wahrscheinlichkeit. Da es dem Beschwerdeführer, wie im Verfahren dargetan, nicht zumutbar sei, Dokumente beizuschaffen, hätte die belangte Behörde Erhebungen anstellen müssen.
Mit dieser Rüge ist der Beschwerdeführer im Recht. Denn im Asylverfahren ist das Vorbringen des Flüchtlings als Entscheidungskriterium heranzuziehen, das von der Behörde zu beurteilen ist. Die Glaubhaftmachung der Gründe für eine gesetzmäßige Feststellung im Sinne der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge hat im Gegensatz zu einer Beweisführung nur den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand. Die Frage, ob der Beschwerdeführer Verfolgung im Sinne der Konvention glaubhaft machen kann, ist von der Rechtsfrage zu unterscheiden, ob die glaubhaft gemachten Gründe als Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention zu qualifizieren sind. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Nichtvorlage von Urkunden bezüglich seiner Ausbildung entgegengehalten. Dazu ist zu sagen, daß die belangte Behörde im Verfahren Dokumente über die schulische Ausbildung vom Beschwerdeführer nicht verlangt hatte, sondern solche betreffend seine Identität bzw. Nationalität (siehe Niederschrift vom 22. Jänner 1988). Darüber hinaus ist eine Beweisführung im Asylverfahren durch Urkunden nicht erforderlich. Im übrigen hat der Beschwerdeführer im Verfahren auch verständlich dargetan, er könnte keine Unterlagen vorlegen. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers zu würdigen.
Dennoch vermag diese fehlerhafte Begründung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die rechtliche Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe trotz Absolvierung einer Handelsmittelschule als Hirte arbeiten müssen, keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention ist.
Der schon lange zurückliegende Fluchtversuch der Eltern des Beschwerdeführers (1973) wie auch die drohende Bestrafung im Falle seiner Rückstellung in sein Heimatland sind keine in der Konvention gelegenen Gründe für die Anerkennung als Flüchtling. Aus der allgemeinen Behauptung, der Beschwerdeführer sei seit dem mißglückten Fluchtversuch der Eltern der Verfolgung und Unterdrückung durch die albanischen Behörden ausgesetzt gewesen, lassen sich keine Schlüsse auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers bzw. eine Situation, die eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung rechtfertigen könnte, ziehen.
Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei als Mohammedaner (unter Konfessionslosen) ständig Verfolgungen ausgesetzt gewesen, ist eine unbeachtliche Neuerung gemäß § 41 VwGG, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Verfolgung aus Gründen der Religion geltend gemacht und er sich bei seinen Einvernahmen als der römisch-katholischen Religion zugehörig bezeichnet hat.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Wien, am 20. September 1989
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