VwGH 94/19/0210

VwGH94/19/021021.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. August 1993, Zl. 4.307.095/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ghanas, ist am 14. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 15. November 1990 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme am 28. Dezember 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab er im wesentlichen an, nicht vorbestraft zu sein und in seinem Heimatland nicht gesucht zu werden; er habe in Ghana auch keine strafbaren Handlungen begangen. Im Jahre 1987 sei er arbeitslos geworden, woraufhin das Arbeitsamt ihn als Elektriker nach Libyen vermittelt habe. Er sei am 20. Februar 1990 nach Tripolis geflogen und von dort mit dem Autobus nach Saba weitergefahren. Dort angelangt, habe er feststellen müssen, daß er in ein Militärlager vermittelt worden sei. Man habe ihn dort angehalten und zwangsweise militärisch trainiert; er sei auf den Kampf gegen den Tschad vorbereitet worden. Nach acht Monaten habe ihm ein Offizier geholfen, das Camp zu verlassen; er habe ihn im Kofferraum seines Kraftwagens versteckt zum Flughafen nach Tripolis gebracht, wobei die Fahrt etwa zwei Tage gedauert habe. Mit dem Paß eines Landsmannes, der gleichfalls in Saba gearbeitet habe, habe er das Land in Richtung Ungarn verlassen und aus Ungarn dann den Paß retourniert. Er könne nicht nach Hause zurückkehren, da infolge der engen Zusammenarbeit zwischen Gaddafi und der Regierung Ghanas zu befürchten sei, daß er wieder in das Camp zurückgeschickt werde.

Am 10. März 1992 gab der Beschwerdeführer anläßlich einer niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion Linz zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen an, im Jahre 1987 habe er bei der offiziellen Regierungsorganisation "Jabaco Company" gearbeitet. Diese Organisation unterstehe der libyschen Regierung. Als deren Angestellter sei es die Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, Arbeiter aus Ghana "nach Libyen auszuwählen". Diese vom Beschwerdeführer ausgesuchten Personen seien aber dann in die libysche Armee übernommen worden, wo man sie in den Krieg gegen den Tschad geschickt habe. Am 20. August 1988 sei er selbst in die libysche Armee eingetreten und bei einer Spezialeinheit in einem Militärcamp namens Saba gewesen. Da die Ausbildung sehr hart und unmenschlich gewesen sei, habe er aus seinem Kontrakt aussteigen und in ein westeuropäisches Land reisen wollen. Ein weiterer Grund für sein Mißfallen sei auch der gewesen, daß ständig Leute aus seiner Einheit nach Kuba versetzt worden seien, wohin er aber keinesfalls gewollt habe. Während seines Aufenthalts in diesem Lager habe er einen Offizier näher kennengelernt. Dieser habe ihn im Oktober 1990 bei seinem Großvater in einem kleinen, dem Beschwerdeführer unbekannten Dorf in der Sahara versteckt. Am 6. November 1990 sei er dann im Personenkraftwagen eines Freundes nach Tripolis gebracht worden und von dort zunächst nach Sofia geflogen. Von Sofia aus sei er mit dem Zug nach Belgrad gefahren, von dort wiederum nach Budapest gereist, wobei seine Einreise in diese Länder jeweils mit einem gültigen Visum erfolgt sei; dieses Visum habe dem Beschwerdeführer der Offizier bereits in Libyen besorgt. Dieser habe nicht gut geheißen, daß er, der Beschwerdeführer, in dem libyschen Camp oftmals geschlagen worden sei, da der Offizier ein sehr religiöser Mann gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit gehabt, aus dem Vertrag mit der libyschen Armee auszusteigen. Die Lebensbedingungen im Camp seien so qualvoll gewesen, daß er sich zur Ausreise "in ein freies Land entschieden" habe.

Am 7. Mai 1992 wurde der Beschwerdeführer neuerlich befragt: Anläßlich dieser Befragung vor der Bundespolizeidirektion Linz gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an, er habe in Ghana das Handwerk eines Elektrikers und eines Tischlers ausgeübt, dann jedoch nicht mehr weiter in diesen Berufen gearbeitet, sondern sei als Landarbeiter "in den Betrieb seines Vaters gegangen"; dieser besitze in Ghana größere Ländereien. Auf Grund familiärer Schwierigkeiten habe er schließlich diese Arbeit wieder aufgegeben und sich in seinem Beruf nach einer Arbeitsstelle umgesehen. Am 18. August 1987 sei er zusammen mit anderen Personen vom staatlichen Arbeitsamt für eine Arbeit in Libyen ausgesucht worden, dabei habe er einen Arbeitskontrakt unterschrieben. In diesem habe gestanden, daß er als Elektriker und als Tischler nach Libyen hätte arbeiten gehen sollen. Schließlich sei er am 20. August 1988 mit dem Flugzeug nach Libyen gekommen. In Libyen habe er dann bei dem staatlichen Unternehmen "Jabaco Company" in seinem Beruf gearbeitet, und zwar über ein Jahr lang. Danach habe er einen weiteren Kontrakt erhalten, den er nicht habe lesen können, da dieser arabisch geschrieben gewesen sei. Er habe aber angenommen, daß er auch weiterhin in seinem Beruf hätte arbeiten sollen, jedoch sei er in ein Militärlager namens "Saba" gebracht worden. Man habe ihm mitgeteilt, daß er gegen den Tschad kämpfen solle. Da er dies abgelehnt habe, sei er mehrmals geflohen, von den libyschen Soldaten aber immer wieder aufgegriffen und ins Lager zurückgebracht worden. Man habe ihn dann in eine Einheit gebracht, wo er an schweren militärischen Übungen habe teilnehmen müssen. Dort habe ein Offizier die unmenschliche Behandlung des Beschwerdeführers bemerkt und versprochen, ihm zu helfen. Der Beschwerdeführer sei in Saba nämlich ins Militärgefängnis gekommen und dort geschlagen sowie mit Füßen getreten worden. Der Offizier habe ihm, dem Beschwerdeführer erzählt, daß er bei einer Rückkehr nach Ghana Schwierigkeiten bekommen würde, da er sich in Libyen nicht vertragsgemäß verhalten habe; der Offizier habe ihm weiters erklärt, die libysche Regierung habe Angst, er würde im Falle seiner Rückkehr nach Ghana dort bekanntmachen, daß er als Arbeiter angeworben, in Wirklichkeit jedoch zum Soldaten ausgebildet worden sei. Überdies sei ihm, dem Beschwerdeführer, bekannt geworden, daß die libysche Regierung auch Leute aus Ghana angeworben habe, die aber als Soldaten nach Kuba gekommen seien; auch diesen Menschen habe man erzählt, daß sie in Kuba arbeiten könnten, wobei sie aber in Wirklichkeit ebenso zu Soldaten ausgebildet worden seien. Wenn diese Leute nicht in Kuba als Soldaten hätten dienen wollen, seien sie wieder nach Ghana zurückgebracht worden und dort spurlos verschwunden.

Der Offizier in Libyen habe dem Beschwerdeführer geholfen, aus dem Militärlager zu gelangen und ihn bei seinem Großvater versteckt. Wo dieser Großvater gewohnt habe, könne der Beschwerdeführer nicht angeben. 14 Tage nachdem der Beschwerdeführer im Kofferraum des Personenkraftwagens des Offiziers zu dessen Großvater gebracht worden sei, habe der Offizier dann den Reisepaß des Beschwerdeführers gebracht. Schließlich sei er von einem Freund des Offiziers nach Tripolis zum Flughafen gebracht worden, von wo der Beschwerdeführer nach Sofia geflogen sei; das Ticket habe der Offizier bezahlt.

Noch am 7. Mai 1992 ersuchte der Beschwerdeführer um Richtigstellung dahin, daß nicht die libysche Regierung, sondern die Regierung Ghanas Angst hätte, falls bekannt werden sollte, daß Menschen aus Ghana in der libyschen Armee auf Grund der Vorspiegelung eines Arbeitskontraktes dienen müßten. Weiters sei richtigzustellen, daß Soldaten aus Ghana nicht durch Libyen, sondern von der Regierung Ghanas nach Kuba - und zwar unter Vorspiegelung eines Arbeitskontraktes - gebracht worden seien.

Mit Bescheid vom 25. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In seiner Berufung dagegen faßte der Beschwerdeführer seine Angaben dahin zusammen, daß er im Jahre 1987 vom staatlichen Arbeitsamt für eine Arbeit in Libyen angeworben worden sei. Er habe daraufhin auch dort gearbeitet und nach Ablauf des Arbeitsvertrages eine Verlängerung unterschrieben, sei aber dann in das Militärlager "Saba" gekommen und habe festgestellt, daß er ohne es zu wissen einen Vertrag für eine militärische Ausbildung unterschrieben habe. Er hätte im Krieg gegen den Tschad eingesetzt werden sollen. Es existiere ein Abkommen zwischen Ghana und Libyen, weshalb alle Zwangsmaßnahmen, die aus der Verweigerung militärischer Dienste und deren Ausübung für Libyen resultiert hätten, Ghana zuzurechnen seien. Im Falle seiner Rückkehr nach Ghana sei der Beschwerdeführer ernsthaften Gefahren für sein Leben ausgesetzt, da er sich geweigert habe, in Libyen als Soldat tätig zu sein. Dazu verwies der Beschwerdeführer auf einen in deutscher Übersetzung beiliegenden Brief, aus dem hervorgehe, daß er im Falle seiner Rückkehr mit der Todesstrafe zu rechnen habe. Auch gehe aus diesem Schreiben weiter hervor, daß nach einem Gerücht ein Staatsangehöriger Ghanas aus der Gruppe des Beschwerdeführers nach seiner Rückkehr nach Ghana getötet worden sei; dieser habe sich ebenfalls geweigert gehabt, als Soldat tätig zu sein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die Divergenzen in den Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Vernehmungen in erster Instanz ließen Zweifel sowohl an der Richtigkeit seiner Angaben als auch an der tatsächlichen Identität aufkommen. Konkrete gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen seien nicht glaubhaft gemacht worden. Auch das Vorbringen in der Berufung enthalte keine Behauptung "eines auch nur annähernd den Fluchttatbeständen der Genfer Konvention subsumierbaren Sachverhaltes". Für den Fall des Bestehens des vom Beschwerdeführer behaupteten Abkommens zwischen Libyen und der Regierung Ghanas wäre der Beschwerdeführer allenfalls sogar zur Leistung der abverlangten Militärdienste verpflichtet gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltendmachende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat im Ergebnis zutreffend ein asylrechtlich relevantes Vorbringen als nicht glaubhaft gemacht angesehen. So hat etwa der Beschwerdeführer am 28. Dezember 1990 angegeben, 1987 arbeitslos geworden und in der Folge über Vermittlung des Arbeitsamtes am 20. Februar 1990 direkt ins libysche Militärcamp nach Saba gereist zu sein. Nach den Angaben des Beschwerdeführers vom 7. Mai 1992 sei er am 18. August 1987 durch das Arbeitsamt ausgesucht und am 20. August 1988 in Libyen angekommen; dort habe er ein Jahr in seinem Beruf gearbeitet und erst danach sei ihm ein Kontrakt für die libysche Armee vorgelegt worden. Bei seiner Einvernahme am 10. März 1992 wiederum führte der Beschwerdeführer überhaupt aus, 1987 bereits bei der libyschen Regierungsorganisation "Jabaco Company" gearbeitet und von dort Arbeiter aus Ghana für Libyen ausgesucht zu haben, welche in die libysche Armee integriert und in den Krieg gegen den Tschad geschickt worden seien. Er sei dann am 20. August 1988 (freiwillig) in die libysche Armee eingetreten. - Diese mehrfach und grundsätzlich divergierenden Angaben lassen daher den von der belangten Behörde gezogenen Schluß betreffend die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers als zutreffend erscheinen; der Gerichtshof vermag dem Beschwerdevorbringen nicht zu folgen, daß "gravierende Divergenzen hinsichtlich (seiner) bestehenden Angaben nicht vorliegen". Was "klärende Einvernahmen" hieran noch hätten ändern können, vermag der Beschwerdeführer gleichfalls nicht darzulegen. Auch die Berücksichtigung des in der Beschwerde genannten Briefes hätte hinsichtlich der Beurteilung der Frage der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu keinem anderen Ergebnis geführt, da die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche vom Inhalt des Schreibens nicht berührt werden.

Da sich die Beschwerde sohin - auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens - als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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